Hamburg. CDU-Innenexperte Christoph de Vries über die Schließung des Islamischen Zentrums und die Zukunft der Blauen Moschee. Scharfe Kritik an SPD.
Er gilt als einer der schärfsten Kritiker des Staatsvertrages, den Hamburg 2012 mit den islamischen Glaubensgemeinschaften eingegangen ist. Christoph de Vries, CDU-Bundestagsabgeordneter, sieht sich nach dem Verbot des Islamischen Zentrums bestätigt. Er fordert einen „Kurswechsel im Umgang mit islamistischen Gruppierungen“ und systematische Verbote.
Herr de Vries, Sie verweigerten 2012 dem Staatsvertrag Hamburgs mit den Muslimen Ihre Zustimmung, Sie forderten seit vielen Jahren das Verbot des IZH und dessen Rauswurf aus der Schura. Haben Sie etwas gegen den Islam?
Im Gegenteil, wir halten die Religionsfreiheit hoch, aber die Religion darf nicht für extremistische oder politische Zwecke missbraucht werden, in dem sie durch ausländische Regierungen instrumentalisiert wird. Wir müssen den religiösen Extremisten mit der gleichen Entschlossenheit und Konsequenz begegnen wie den politischen Extremisten von links und rechts.
Nach IZH-Verbot: Warum der Senat die Verträge mit der Schura nicht verlängern dürfe
Bei der Abstimmung in der Bürgerschaft 2012 haben Sie anders als etliche Ihrer Parteifreunde gegen den Vertrag mit der Schura gestimmt, den die CDU und Bürgermeister Ole von Beust noch angeschoben hatte. War es ein Fehler Ihrer Partei, das Projekt überhaupt angegangen zu sein?
Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass es grundsätzlich richtig sein kann, vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Staat und auf dem Boden des Grundgesetzes stehenden Islamverbänden abzuschließen. Aber es müssen Rechte und Pflichten in einer Balance stehen. Und der Vertrag, den die SPD und Olaf Scholz mit ihrer absoluten Mehrheit abgeschlossen haben, war inhaltlich schlecht, weil es keine Verpflichtungen gab, an denen man die Verbände hätte messen können. Und man hätte das Islamische Zentrum nie zum Vertragspartner machen dürfen.
Was genau stört Sie?
Die Repräsentationsorgane der nur zu ungefähr 20 Prozent organisierten Muslime in Deutschland sind überwiegend hochproblematisch. Das betrifft neben dem IZH Ditib, das betrifft den Zentralrat der Muslime, das betrifft in Teilen die Schura in Hamburg. In den vergangenen zehn Jahren hat es trotz Islamkonferenz und Islamverträgen deutliche Rückschritte gegeben bei der Integration von Teilen der Muslime. Wir beobachten das bei Ditib mit einer erheblichen staatlichen Einflussnahme durch Präsident Erdogan. Wir sehen das auch bei anderen Gruppierungen. Es wäre die Aufgabe der Islamverbände, in kritischen Situationen, wie dem Nahostkonflikt oder bei Kalifatsdemonstrationen auf dem Steindamm, einzuschreiten und mäßigenden Einfluss auszuüben auf die Mitglieder. Aber das unterbleibt regelmäßig. In dieser Woche war ich auch maßlos enttäuscht darüber, dass die Schura das Verbot des IZH öffentlich bedauert hat.
Massive Kritik am Umgang der Schura mit dem IZH
Was hätten Sie erwartet? Eine klare Distanzierung der Schura vom IZH?
Selbstverständlich. Es muss im ureigensten Interesse einer Organisation sein, sich konsequent von Extremisten und Verfassungsfeinden zu distanzieren. Diese Kraft und diesen Mut hat die Schura über viele Jahre nicht aufgebracht. Ihr ist es auch nicht gelungen, das IZH 2022 auszuschließen, sondern das IZH hat die Schura selbst verlassen. Auch als wir zur Demonstration gegen „Muslim Interaktiv“ und die Kalifatsdemonstrationen aufgerufen haben, hat sich keiner der Islamverbände beteiligt. Auch nicht die Schura. Das ist hochproblematisch und spricht für sich.
Im Winter kamen mehr als 150.000 Menschen zur Großdemonstration gegen Rechtsextremismus, zu der von Ihnen erwähnten Demo gegen „Muslim Interaktiv“ kamen einige Hundert…
Gegen Rechtsextremismus haben der Bürgermeister und die Zweite Bürgermeisterin demonstriert, die Parteichefs, die Parlamentspräsidentin. Zur Demonstration gegen „Muslim Interaktiv“ ist dann niemand dieser Vertreter von SPD und Grünen gekommen, während die CDU mit Partei- und Fraktionschef Dennis Thering sowie etlichen Bundestags- und Bürgerschaftsabgeordneten stark vertreten war. Das ist doch ein verheerendes Signal, nachdem Tausende Islamisten zuvor gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung demonstriert hatten. Hamburg ist mit 1800 Islamisten, 1500 von ihnen „gewaltorientiert“, der Islamisten-Hotspot in Deutschland. Hier steigen die Zahlen, während sie anderenorts leicht sinken. Die islamistische Bedrohung ist gewaltig und nimmt stetig zu. Genau wie der muslimische Antisemitismus. Der Handlungsbedarf ist hoch. Das Verbot des IZH kann nur der Anfang sein. Wir brauchen einen Kurswechsel im Umgang mit islamistischen Gruppierungen und systematische Verbote.
Wie es mit der Blauen Moschee weitergehen könnte
Die Polizei sieht keine rechtliche Handhabe, die Kalifats-Demonstrationen zu verbieten. Müssten Sie als Gesetzgeber der Polizei nicht die nötigen Gesetze an die Hand geben?
Das ist richtig, und das haben wir als CDU im Bundestag getan. Die Forderung nach einem islamischen Gottesstaat sollte strafbar werden. Es kann nicht sein, dass Tausende Islamisten ohne strafrechtliche Konsequenzen gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung demonstrieren. Auch muss das ein Ausweisungsgrund werden. Nur: Die Regierungsfraktionen, allen voran die SPD, tragen unsere Forderungen im Bundestag nicht mit.
Sprechen wir über die Schura. Sie hat das IZH trotz aller Vorwürfe und Warnungen des Verfassungsschutzes nicht aktiv ausgeschlossen, sondern das Islamische Zentrum ist nach hohem politischen Druck vor zwei Jahren von sich aus gegangen. Fehlte der Schura die Kraft oder der Wille, einen Rausschmiss durchzusetzen?
Es fehlt dort offensichtlich an einem notwendigen Maß an Selbstreinigungskräften und der Distanzierung von Islamisten. Das stellt die Zusammenarbeit mit Hamburg infrage. Wir fordern seit vielen Jahren, die Islamverträge mit der Schura nicht zu verlängern. Der Umgang der Schura mit dem IZH in der Vergangenheit und das jetzige Bedauern der Schließung bestärken uns in dieser Position. Der Senat darf die Verträge nicht verlängern.
De Vries greift Nancy Faeser scharf an
Was sollte aus Ihrer Sicht mit der Blauen Moschee passieren, der einzigen Moschee für Schiiten in Hamburg?
Der Zentralrat der Muslime und die Schura versuchen, sich in den Prozess einzubringen. Ich kann der Innenministerin und dem Bürgermeister nur raten, genau darauf zu achten, mit wem man in Gespräche eintritt, damit diese Moschee nicht wieder in die Hände von Verfassungsfeinden gerät und wir von vorne anfangen. Aber das Gebäude sollte weiterhin religiös genutzt werden. Es gibt sehr positive Beispiele, wie die liberale Moschee in Berlin. Das Verbot des IZH könnte ein Wendepunkt sein, wenn es gelingt, mit integrativen liberalen Kräften auf Seiten der Muslime zusammenzuarbeiten, die es ohne Zweifel gibt, z.B. bei den iranischen Exil-Oppositionellen.
Werfen Sie Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor, zu zögerlich das IZH-Verbot vorangetrieben und vollzogen zu haben?
Frau Faeser ist ein Totalausfall bei der Bekämpfung des Islamismus. Das ist die Kritik vieler Migrantenverbände und auch die Kritik meiner Partei. Das Verfahren hat viel zu lange gedauert. Es gibt keine Organisation in Deutschland, die länger und intensiver beobachtet wird als das IZH. Die Fakten lagen lange wasserdicht auf Frau Faesers Tisch. Offensichtlich hat sie jetzt nur auf den parlamentarischen Druck reagiert, nachdem auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen die Geduld verloren hatten. Wir haben keine konsequente Bekämpfung des Islamismus, obwohl dieser eine reale Bedrohung für unsere freiheitliche Demokratie ist.
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Der Hamburger Verfassungsschutz warnt seit vielen Jahren vor dem IZH. Alle fünf Vorgänger von Frau Faeser waren untätig. Und die kamen alle von CDU oder CSU.
Ich hätte mir ein früheres Verbot auch gewünscht. Der Verfassungsschutz in Hamburg macht übrigens seit Langem einen ausgezeichneten Job. Aber die harten Fakten, die die Schließung jetzt begründen, nämlich der Nachweis, dass über das IZH Terror unterstützt wird, wurden erst nach dem Regierungswechsel erbracht. Nach 2021 wurde der stellvertretende IZH-Leiter wegen Terrorunterstützung ausgewiesen, und eine Razzia beim Chef des IZH hat ergeben, dass er direkte Weisungen vom iranischen Revolutionsführer erhalten hat. Zudem konnten vorherige Bundesinnenminister schlecht eine Organisation verbieten, mit der der Hamburger Senat und Olaf Scholz sowie Peter Tschentscher offiziell zusammenarbeiten und jede Kritik daran strikt zurückwiesen. Bei Vereinsverboten müssen Bund und Länder an einem Strang ziehen und dies war insbesondere mit der SPD bis Ende 2022 leider nicht der Fall.