Hamburg. Sozialsenatorin startet neue Jobkampagne, unterstützt von Hamburger Sparkasse, HHLA, Budni und dem Hotel- und Gaststättenverband.

In Hamburg lebende Geflüchtete sollen schneller als bisher in Lohn und Brot kommen – das will Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) durch eine neue Jobkampagne erreichen. Damit verbunden ist ein Aufruf, den neben der Agentur für Arbeit und dem Hamburger Jobcenter vier große Hamburger Unternehmen bzw. Organisationen unterstützen: Hamburger Sparkasse (Haspa), Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Budni und der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). „Wir alle wollen Ihnen Mut machen, dass in diesen Zeiten, wo wir jede und jeden benötigen am Arbeitsmarkt, Integration gelingen kann“, sagte Schlotzhauer, gerichtet an die Hamburger Wirtschaft, am Dienstag im Rathaus. Die Senatorin und die Firmenvertreter appellierten an Unternehmen: „Geben Sie geflüchteten Menschen eine Chance! Melden Sie offene Stellen dem Arbeitgeber-Service Hamburg.“ 

Die Kampagne besteht aus Plakaten, Radio-Spots und Anzeigen, die in den kommenden Wochen veröffentlicht werden sollen. Viele der hier in Hamburg lebenden Geflüchteten hätten schon einen Integrationskurs absolviert, verfügten über grundlegende Deutschkenntnisse und seien nun bereit für einen „Neustart auf dem Hamburger Arbeitsmarkt“, erklärte die Sozialbehörde. Es brauche Unternehmen, die Geflüchtete einstellten, auch wenn diese noch nicht perfekt Deutsch sprächen, sagte Senatorin Schlotzhauer. Berufsabschlüsse könnten auch berufsbegleitend anerkannt, erforderliche berufsbezogene Qualifikationen „on the job“ erworben werden. „Gleichzeitig sind die zu uns geflüchteten Menschen aufgerufen, aktiv ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ergreifen“, sagte Schlotzhauer. „Wir können das als Gesellschaft erwarten.“

Job in Hamburg: Drei Geflüchtete geben neuer Kampagne ihr Gesicht

Neben den vier genannten Unternehmen und Verbänden geben drei Geflüchtete der neuen Kampagne ihr Gesicht. Maryna Aliieva floh vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine; seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie als Verkäuferin in einer Budni-Filiale. Begonnen hatte sie dort als Praktikantin – nun ist sie unbefristet angestellt. Ebenfalls aus der Ukraine stammt Valeriia Shvetsova. Sie hatte in ihrer Heimatstadt Dnipro Betriebswirtschaftslehre studiert – nun ist sie Kundenberaterin bei der Haspa. Aus Syrien kam Majed Al Wawi 2015 nach Deutschland; er arbeitet nun als Mechatroniker bei der HHLA.

Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer sagte im Rathaus, die Integration geflüchteter Menschen in Arbeit sei eine Gemeinschaftsaufgabe aller in Hamburg am Arbeitsmarkt tätigen Akteure. Das Hamburg Welcome Center, die Agentur für Arbeit und das Hamburger Jobcenter verstärkten deshalb die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern, mit Verbänden und Kammern, etwa durch „Matching-Aktionen“ auf Jobmessen und bei Bewerbertagen. Der Arbeitgeber-Service Hamburg unterstütze Firmen kostenlos mit Beratung rund um das Thema Personal und mit der Förderung von berufsbegleitenden Sprachkursen.

Arbeitsagentur-Chef: „Hamburg hat erheblichen Fach- und Arbeitskräftebedarf“

Nach Einschätzung der Sozialbehörde ist Hamburg bei der Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt „auf einem guten Weg“. Trotz der schwierigen konjunkturellen Lage sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig sowie der ausschließlich geringfügig Beschäftigten aus den „Top-8-Asylherkunftsländern“ von insgesamt 6764 im Januar 2015 auf 29.400 im April 2024 gestiegen und habe sich damit mehr als vervierfacht. Die Beschäftigungsquote, also der Anteil der erwerbsfähigen Menschen im Alter von 15 bis 65 Jahren, die einen sozialversicherungspflichtigen Job haben, beträgt bei dieser Gruppe in Hamburg der Behörde zufolge 49,2 Prozent. Damit belege Hamburg im Bundesvergleich den Spitzenplatz, sagte Melanie Schlotzhauer. Zum Vergleich: Die deutschlandweite Beschäftigungsquote bezogen auf alle Erwerbsfähigen liegt ihr zufolge bei 64 Prozent.

Beinahe vervierfacht habe sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig sowie der ausschließlich geringfügig Beschäftigten aus der Ukraine: Im Januar 2022 waren es 2162 Menschen in Hamburg, im April 2024 waren es laut Behörde 8200. Von den aktuell insgesamt 1,073 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg stammen rund 29.400 aus den Asylherkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. 

„Wir verzeichnen eine stete Zunahme bei Personen aus der Ukraine und auch aus den acht Asylherkunftsländern, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung annehmen“, sagte Sönke Fock, Chef Agentur für Arbeit in Hamburg. „Parallel besteht ein erheblicher Fach- und Arbeitskräftebedarf.“ Hier sehe er „eine sehr gute Chance für den Hamburger Arbeitsmarkt, um Geflüchtete nicht nur schnell, sondern auch langfristig zu integrieren – und Personallücken aufzufüllen“.

Budni-Geschäftsführer: „Integration Geflüchteter auch menschlich ein Erfolg“

Budni-Geschäftsführer Christoph Wöhlke sagte, die Integration geflüchteter Menschen in Arbeit sei für das Drogerieunternehmen „nicht nur wirtschaftlich, sondern auch menschlich ein voller Erfolg“. Derzeit begleite Budni 20 Geflüchtete beim Berufsstart. Es handele sich um „Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen, die wir gemeinsam mit dem Jobcenter über Messen und Bewerbertage kennengelernt und über Praktika bei uns in den Job gebracht haben“, sagte Wöhlke. „Ich kann jedem Unternehmen empfehlen, sich mit dem Arbeitgeber-Service Hamburg zusammenzuschließen und die Chance zu nutzen.“

Job in Hamburg: Pragmatische Lösungen für Quereinsteiger werden gesucht

Ähnlich äußerte sich Jens Stacklies vom Dehoga in Hamburg: „Wir brauchen Verstärkung in unseren Teams. Geflüchtete einzustellen und in Arbeit zu integrieren bietet eine Riesenchance für unsere Branche“, sagte er. „Wir müssen pragmatische Lösungen finden und bieten zum Beispiel geflüchteten Menschen als Quereinsteiger ein Praktikum oder Arbeit auf Probe an und stellen ihnen Paten zur Seite.“

Olaf Oesterhelweg, stellvertretender Haspa-Vorstandssprecher, sagte: „Unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Ukraine sind aus der Haspa nicht mehr wegzudenken, und unsere Erfahrungen mit geflüchteten Menschen sind so positiv, dass ich jedem in der Hamburger Wirtschaft nur empfehlen kann, Geflüchteten eine Chance zu geben.“

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Die HHLA stehe als europäischer Logistikkonzern für Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt, sagte deren Personalvorstand Torben Seebold. „Wir glauben fest daran, dass eine vielfältige Belegschaft und ein inklusives Arbeitsumfeld nicht nur die Basis für eine innovative Arbeitsumgebung bilden, sondern auch entscheidend für unseren langfristigen Erfolg sind.“ Bei der HHLA sollten alle ihr Potenzial entfalten können – „ganz egal, wo sie herkommen, welche Hautfarbe oder Nationalität sie haben“, sagte Seebold. „Und wir freuen uns über jedes Talent, das Teil der HHLA wird.“   

Die Stadt bezahle für die Kampagne weniger als 100.000 Euro; es sei keine externe Werbeagentur beauftragt worden, hieß es am Dienstag auf Nachfrage. Aus Sicht von AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann ist der Aufwand trotzdem unnötig. Wer sich als Flüchtling in den Arbeitsmarkt integrieren wolle, der habe viele Chancen, sagte Nockemann. „Dafür braucht es keine x-te kostspielige Kampagne. Der rot-grüne Senat wäre besser beraten, die Gelder in Abschiebebestrebungen zu stecken.“

Der stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Andreas Moring sagte, alle gut gemeinten Kampagnen nützten nichts, wenn der Senat nicht die „harten Hürden“ abbaue, die eine Integration in den Arbeitsmarkt verhinderten. „Arbeitswillige Geflüchtete und Arbeitgeber müssen Berge von Formularen, Beglaubigungen und Genehmigungen ausfüllen, bevor ein Job aufgenommen werden kann“, so Moring. „Das macht es für beide Seiten mühsam und frustrierend.“ Zu einem Abbau bürokratischer Hürden zähle auch eine schnelle Anerkennung der Berufsausbildung. „Gerade im Handwerk ist das häufig möglich und dringend nötig.“