Hamburg. Er kam als unbegleiteter Flüchtling und lebt in staatlichem Kinderheim. Fast jede Nacht auf Einbruchstour. Behörden sind offenbar machtlos.

Seit Monaten zieht aus dem Jugendheim in der Feuerbergstraße ein Elfjähriger los, um Straftaten zu begehen. Der Junge ist vor allem als Einbrecher unterwegs. Mittlerweile werden ihm um die 70 Taten zugerechnet. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Bestraft werden kann er nicht. Als Kind ist der Elfjährige strafunmündig.

Die Polizei nimmt den Jungen immer wieder in Gewahrsam. Dabei machten die Beamten eine Beobachtung: Das Kind wird immer dreister.

Polizei Hamburg: Elfjährigem aus Jugendheim in der Feuerbergstraße werden 70 Straftaten zugerechnet

Im vergangenen November war der Junge als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Hamburg gekommen. Bereits im Dezember wurde er durch Straftaten auffällig. Es sind vor allem Einbrüche, die er in Hamburg, aber auch im angrenzenden Umland begeht. So wurde er am Wochenende in Norderstedt gestellt. Dort war er mit einem Komplizen (16) durch auf „Kipp“ stehende Fenster in mehrere Wohnungen eingedrungen. Abgesehen hatte es das Duo auf Schmuck, aber auch Handys und eine Musikbox.

Beide wurden festgenommen. Der 16-Jährige, ebenfalls ein Intensivtäter, sitzt jetzt in Haft. Der Elfjährige konnte lediglich in Gewahrsam genommen und später seinen Erziehungsberechtigten, in dem Fall Behördenmitarbeitern, übergeben werden.

Der Elfjährige nutzt offenbar gezielt aus, dass er nicht bestraft werden kann

Dass der Junge mit Komplizen unterwegs ist, ist nicht neu. Vermehrt, so die Erkenntnisse der Polizei, nimmt er andere Kinder oder Jugendliche mit auf seine Einbruchstouren. Besonders dreist: Die Beamten stellten fest, dass „wenn es eng wird“, der Elfjährige die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zieht und sich offenbar bewusst festnehmen lässt, um seinen älteren Komplizen die Flucht zu ermöglichen. Er weiß offenbar genau, dass er nicht für seine Taten belangt und nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt werden wird. „Er lässt sich überhaupt nicht beeindrucken“, sagt ein Beamter.

Das zeigte sich auch nach der Festnahme in Norderstedt. Von Mittwochnachmittag bis in den späten Abend war er erneut unterwegs. Es sind zwei vollendete und mehrere versuchte Einbrüche im Bereich Langenhorn und Ohlstedt, die ihm die Polizei zurechnet. Zeugen hatten ihn gesehen. Die Personenbeschreibung führte die Beamten wieder in die Feuerbergstraße, wo der Junge dann zu nächtlicher Zeit angetroffen wurde.

Dass seine Betreuer den Jungen offensichtlich nicht unter Kontrolle haben, zeigt nicht nur die hohe Zahl der dem Elfjährigen zugerechneten Taten. Aus der Einrichtung, in der er untergebracht ist, soll er bereits um die 100 Mal als abgängig gemeldet worden sein.

Die Einrichtung in der Feuerbergstraße ist seit Jahren immer wieder wegen hochkrimineller Jugendlicher, die dort untergebracht sind, in den Schlagzeilen.

Auch „brandgefährlicher“ 14-Jähriger war in der Feuerbergstraße untergebracht

Vor einem Jahr ging es um einen 14-Jährigen, der als „brandgefährlich“ eingestuft worden war, weil er als gewalttätig gegenüber Kindern, aber auch dem Personal der Einrichtung galt. Der Jugendliche war kurz zuvor aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, wo er wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdeliktes einsaß. Er soll ein Kind an einen Baum gefesselt und beinahe erstickt haben.

Eine Richterin sprach den Jungen frei, weil sie dem Opfer nicht glaubte. Danach fiel der 14-Jährige auf, weil er Bilder mit Kindern ableckte, fragte, warum man Kinder nicht einfach entführen kann, oder er trieb sich an Planschbecken rum, in denen Kleinkinder nackt badeten. Die Polizei stellte extra Beamte ab, um den Jungen unter Beobachtung zu halten. Als das Thema in Hamburg „zu heiß“ wurde, suchte man einen Platz außerhalb der Stadt für den Jungen.

Auch die beiden zwölf und 13 Jahre alten Mädchen, die im Mai dieses Jahres zu nächtlicher Stunde torkelnd auf dem Kiez aufgegriffen wurde und ins Kinderkrankenhaus Altona gebracht wurden, wo sie dann randalierte, stammten aus dem Kinder- und Jugendnotdienst (KJND), der Einrichtung in Alsterdorf.

Polizei Hamburg: Von Kriminalität betroffene Anwohner gründeten Bürgerinitiative

2015 kam es zur Razzia in der Feuerbergstraße. Damals ging es um eine ganze Gruppierung „minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge“, die dort untergebracht waren und von dort aus loszogen, um Raubüberfälle und Einbrüche zu begehen. Schon im Jahr zuvor hatten Menschen, die in der Umgebung der Einrichtung leben, über die hohe Kriminalitätsbelastung durch diese Gruppe geklagt. Damals gründete sich die „Bürgerinitiative Feuerbergstraße“.

Mehr zum Thema

In Hamburg wurden im vergangenen Jahr 2814 Kinder von der Polizei als Tatverdächtige ermittelt. In 959 Fällen ging es um einfache, in 543 Fällen um schwere oder gefährliche Körperverletzung. 51 Kinder fielen als Räuber auf. In einem Fall wurde ein Junge als Vergewaltiger ermittelt. In neun Fällen schnappte die Polizei Kinder im Zusammenhang mit einem Wohnungseinbruch.