Hamburg. Die beiden Männer, die zu Haftstrafen verurteilt verurteilt wurden, lieferten die Beweise „quasi auf dem Silbertablett“, so die Richterin.
Es war ein Novum in Deutschland. Und es war eine mit Spannung erwartete Entscheidung: Erstmals hat ein deutsches Gericht zwei mutmaßliche Mitglieder der libanesischen Hisbollah als Terroristen eingestuft. Die Entscheidung in dem Prozess sei „glasklar“ gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung gegen die beiden Angeklagten.
Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) verhängte eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren gegen den 50 Jahre alten Hassan M. und drei Jahre Haft gegen Abdul W. (56) jeweils wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Das Bundesinnenministerium hatte vor vier Jahren alle Aktivitäten der Hisbollah, was übersetzt „Partei Gottes“ heißt, in Deutschland verboten. Bei den Angeklagten handele es sich um langjährige Mitglieder der Hisbollah, die sich beide im ideologischen Kernbereich der Organisation bewegt und zudem deren „Kampfkraft gestärkt“ hätten, begründete die Vorsitzende das Urteil.
Prozess Hamburg: Angeklagte haben der Hisbollah die „Kampfkraft gestärkt“
Laut Anklage der Bundesanwaltschaft waren beide Angeklagte nahezu ihr gesamtes Erwachsenenleben über für die Hisbollah tätig. Der Vorwurf gegen die beiden Männer lautete auf Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Sie sollen seit vielen Jahren Funktionäre der Terrororganisation sein, für die sie jeweils als Bindeglied zwischen der Vereinigung und den Organisationen der libanesischen Gemeinden in Deutschland tätig gewesen sein sollen.
Die Hisbollah sei nachgewiesenermaßen eine terroristische Vereinigung, die die Vernichtung Israels propagiert, Terroranschläge verübt und zum Hass gegen Israel aufruft sowie auf die Begehung von Mord und Totschlag ausgerichtet sei, sagte die Richterin. Dies sei unter anderem aufgrund der Ausführungen eines Sachverständigen belegt. So sei die Hisbollah unter anderem für einen terroristischen Anschlag am 11. November 1982 unter Einsatz eines mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugs im Süden Libanons verantwortlich, bei dem etwa 120 Menschen getötet wurden, darunter 74 israelische Soldaten. Auch für einen Autobombenanschlag vor der US-Botschaft in Beirut im April 1983 mit 66 Toten sowie für weitere Terrorakte trage die Hisbollah die Verantwortung.
Angeklagte in Hamburg sind laut Gericht langjährige Kader der Hisbollah
Die Kampfkraft der Hisbollah sei über Jahre stark ausgebaut worden. Es gebe in der Miliz, die vom Iran unterstützt werde, etwa 25.000 Kämpfer. Durch ihre Ausrüstung mit hochmodernen Waffensystemen sei die Hisbollah imstande, unter anderen Raketenanschläge auszuüben. Sie verfüge zudem über eigene Kinder- und Jugendorganisationen, über die später Kämpfer rekrutiert würden. Bei den Angeklagten handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um langjährige Kader der Hisbollah, deren Aufgabe es gewesen sei, den Einfluss der Hisbollah im Ausland zu sichern.
Dabei habe sich der 50-jährige Hassan M. schon als junger Mann der Terrororganisation angeschlossen und zunächst im Libanon Kinder und Jugendliche im Sinne der Hisbollah geschult. Ob er in aktive Kampfhandlungen involviert war, habe allerdings nicht festgestellt werden können. Nachgewiesen sei indes, dass er den Einfluss von Kampfeinheiten vor Ort gestärkt habe.
Beweise wurden vom Angeklagten „auf dem Silbertablett serviert“
Schließlich sei Hassan M. als sogenannter „Reisescheich“ ins Ausland entsandt worden und habe in Deutschland von 2016 an die Betreuung von Vereinen sichergestellt. Hier war er Bindeglied zwischen der Terrororganisation und libanesischen Vereinen. Er soll auch gepredigt haben, etwa in einem Bremer Verein, der von dem zweiten Angeklagten Abdul W. geleitet wurde. Der 56-Jährige habe den Verein im Sinne der Hisbollah ausgerichtet. Spätestens seit 2004 sei Abdul W. in der Hisbollah eingegliedert gewesen und habe sich immer wieder zu der Organisation bekannt.
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Beide Angeklagten hatten betont, sie seien nicht Mitglieder der Hisbollah. Dies seien jedoch „Schutzbehauptungen, die eindeutig widerlegt“ seien, betonte die Vorsitzende. Unter anderem seien bei Durchsuchungen Datenträger sichergestellt worden, auf denen Bilder, Texte und Kontaktdaten belegten, dass beide Angeklagte als Mitglieder in der Hisbollah eingegliedert seien. Dabei habe insbesondere Hassan M. den Ermittlungsbehörden seine Hisbollah-Zugehörigkeit „quasi auf dem Silbertablett serviert“. So gebe es Bilder, auf denen er mit dem Sturmgewehr in der Hand zu sehen sei, und unter anderem auch Belege, dass er viele Jahre Führungspositionen bei Jugendorganisationen innegehabt habe.
Prozess Hamburg: Geschichten aus „1001 Nacht“ – so wertet Gericht eine Darstellung des Angeklagten
Auch bei Abdul W. gebe es eine „erdrückende Beweislage“ dafür, dass der 56-Jährige sich als Auslandskader für die Hisbollah betätigt habe. Unter anderem seien mehr als 70 Asservate mit Hisbollah-Bezug in seinem Haus gefunden worden. Vermeintliche „Erklärungen“, die Hassan M. zu den Bildern und anderen Daten im Prozess geliefert habe, seien wie „eine Geschichte aus 1001 Nacht“ gewesen. Die Darstellungen des Angeklagten seien „völlig abwegig“.