Hamburg. Geplantes Gesetz würde betroffene Frauen gefährden und St. Pauli schaden. Schon jetzt gibt es Leerstand in der Herbertstraße.

Der Vorschlag der CSU-Politikerin Dorothee Bär könnte das Rotlicht-Milieu kräftig durcheinanderwirbeln. Im bayerischen Wahlkampf hat sie das „Nordische Modell“ für Deutschland und damit auch für Hamburg ins Spiel gebracht. Die Idee klingt einfach: Prostitution könnte bekämpft werden, indem man ausschließlich die Freier kriminalisiert. So wird es beispielsweise in Schweden praktiziert. In Hamburg würde dieser Ansatz, davon gehen Experten aus, die Prostitution ins Dunkelfeld verdrängen. „Für den Kiez wäre das tödlich“, sagt Carsten Marek, früherer Kopf der Marek-Bande und heutiger Mann in der Kult-Kneipe „Ritze“ und im Sauna-Club „Babylon“.

„Lebensfremd“, findet auch Jan Reinecke von Bund Deutscher Kriminalbeamter die Idee, das „Nordische Modell“ in Hamburg einzuführen. „Ich glaube nicht, dass Prostitution durch ein solches Verbot, auch wenn es nur die Freier strafrechtlich betrifft, verhindert wird. Sie wird ins Dunkelfeld verdrängt, was ich für kontraproduktiv halte, da Frauen besser durch Transparenz geschützt werden“, so Reinecke.

Prostitution in Hamburg: Brauchen Unterstützung statt Verbote

Das sieht auch Gudrun Greb vom Verein ragazza so, der in St. Georg Frauen betreut, die der Prostitution nachgehen. „Es handelt sich in der Regel um Frauen in sehr prekären Lebenssituationen, die ihr Überleben mit Sexarbeit sichern“, sagt Greb. Man brauche statt Verbote mehr Unterstützung und das Recht auf einen sicheren Arbeitsplatz. „Verbote haben auch in der Vergangenheit nichts bewirkt“, so Greb.

Sie spielt damit unter anderem auf die Kontaktverbotsverordnung an, die 2012 zusätzlich zu dem seit 1980 bestehenden Prostitutionsverbot in Hamburg erlassen wurde. Dazu hatte Deutsche Institut für Sozialwissenschaft bereits 2019 festgestellt, dass es lediglich „marginale Veränderungen der straßenbezogenen Sexarbeit“ bewirkt habe. Der Kontakt zwischen Prostituierter und Freier im öffentlichen Raum sei „kürzer und subtiler“ geworden. Aber auch Videoüberwachung am Hansaplatz, seit Jahrzehnten ein Ort, an dem Prostitution ausgeübt wird, haben sie nur unsichtbarer gemacht.

Verbot würde Job der Frauen in Hamburg gefährlicher machen

Für Greb sind solche Verbote das der falsche Weg. „Für die Frauen bedeutet es, dass ihre Arbeit, je mehr sie aus der Öffentlichkeit gedrängt werden, auch immer gefährlicher wird.“ Das gelte nicht nur für St. Georg, sondern auch für alle anderen Bereiche der Stadt, inklusive dem Rotlichtviertel St. Pauli, das für Prostituierte so Greb, „niemals ein Idyll“ gewesen sei.

In der Herbertstraße in Hamburg bieten Prostiuierte ihre Dienste an. Zustritt haben nur Männer über 18 Jahren.
In der Herbertstraße in Hamburg bieten Prostiuierte ihre Dienste an. Zustritt haben nur Männer über 18 Jahren. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia/Funke Foto Services

Ob es dann weiterhin Einrichtungen wie die Herbertstraße oder das Pink Palace auf der Reeperbahn noch geben kann, das für Prostituierte einen „Rundum-Service“ mit Aufenthaltsraum, Waschkeller und Alarmknopf in jedem der Ein-Zimmer-Appartments bietet, ist für Insider fraglich. Julia Staron, Quartiersmanagerin Reeperbahn, glaubt, dass der Straßenstrich an der Davidstraße, die Insitution Herbertstraße oder Laufhäuser nicht mehr existieren könnten. „Das Angebot wäre damit aber nicht weg“, sagt sie. Es würden lediglich ins Dunkelfeld gedrängt. „Wir hatten so etwas schon hier auf St. Pauli“, sagt Staron, die sich auch „Kiez-Kümmerin“ nennt, zu dem Plan, Prostitution zu verbieten. „Das war immer die Zeit, in der es den Frauen am schlechtesten ging.“ Gewalt und Missbrauch würden nach ihrer Einschätzung ansteigen.

Prostituierte wären Zeugen, die gegen Freier aussagen müssten

Seit Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig, sondern gilt als normales Gewerbe. Ein Prostituiertenschutzgesetz schreibt seit 2017 zudem vor, dass Bordelle eine Betriebserlaubnis benötigen. Prostituierte sind verpflichtet, ihre Tätigkeit anzumelden und regelmäßig zur Gesundheitsberatung zu gehen. Durch den Vorstoß von Unionspolitikerin Bär ist die Debatte über Prostitution neu entflammt. Sie wolle den Kauf von Sex in Deutschland verbieten, um betroffene Frauen besser zu schützen, sagte sie. „Die Situation von Prostituierten in Deutschland ist dramatisch. Wir brauchen dringend einen Paradigmen-Wechsel: ein Sexkauf-Verbot in Deutschland.“ Denn, so Bär: „Deutschland hat sich zum Bordell Europas entwickelt.“

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Praktiker sehen das allerdings kritisch. Auch für die Polizei, so BDK-Mann Reinecke, würde es ungleich schwieriger, wenn Prostitution im Verborgenen stattfindet. „Neue Verbote bringen mehr Arbeit, weil man ein Verbot nicht nur durch ein Gesetz erlassen, sondern auch ganz praktisch durchsetzen muss“, sagt Reinecke. „Was das an Mehr an Polizei und Staatsanwaltschaft bedeutet, sagt man nicht, wenn so eine Idee auf den Tisch gebracht wird. Diese Rechnung bleibt die Politik dann schuldig.“ Die Strafverfolgung wäre ohnehin schwierig. Die Prostituierten wären Zeugen, die gegen ihre Kunden aussagen sollten.

Prostitution in Hamburg: Straßenstrich, Bordelle, Escort: etwa 2500 Prostituierte in Hamburg

Tatsächlich, so heißt es aus der Polizei, sei es aktuell ruhig im öffentlichen Rotlichtgewerbe. Auf dem Kiez beschäftigen eher Delikte wie Kreditkartenbetrug oder Abzocke mit billigem Schaumwein die Polizei – Straftaten, bei denen die Freier ausgenommen werden. Die Zahl der Frauen, die dort arbeiten, hält man dort für eher rückläufig. Nach Corona hat sich der Kiez nur bedingt „berappelt“, das Leben kehrte schleppend zurück. So gibt es sogar in der weltberühmten Herbertstraße, in der Frauen ihre Dienste in Fenstern anbieten und nur Männer ab 18 Jahren Zutritt haben, Leerstand. Auch im „Babylon“ in Hamm, arbeiten laut Marek aktuell um die 17 Frauen. „Es waren vor Corona mal bis zu 70“, sagt Marek.

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Frauen, Musik, Bars und Sex in der Großen Freiheit. Das alte Leben ist noch nicht nach St. Pauli zurückgekehrt. © Michael Althaus/KNA | Michael Althaus

Aktuell sind es etwa 2500 Prostituierte, vornehmlich Frauen, die in Hamburg im „ältesten Gewerbe der Welt“ arbeiten. Auf St. Pauli, aber auch im Bereich Süderstraße gibt es einen sogenannten Straßenstrich. Dazu kommen Hunderte sogenannter Modellwohnungen, die ganz oder zeitweise für Prostitution genutzt werden, sowie Bordelle, Saunaclubs und Escort-Damen, die als Begleiterinnen über Agenturen gebucht werden. Rund 30 Prozent der Frauen, so schätzt es Marek, hätten sich als Sexarbeiterinnen angemeldet.