Hamburg. Das Gerichtsverfahren gegen den Warburg-Bankier wurde aus Gesundheitsgründen eingestellt. Der Skandal um den Steuerraub aber bleibt.
Auf den ersten Blick ist das Urteil im Cum-Ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius, unbefriedigend. Das Bonner Landgericht hat die Einstellung des Verfahrens verkündet und die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen als Verhandlungsunfähigkeit gewertet.
Angesichts des dramatischen Steuerschadens, den der Cum-Ex-Beutezug angerichtet hat, mag das manche wütend machen. Der alte Satz, wonach man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt, aber passt hier nicht.
Der Schaden aus den Cum-Ex-Geschäften liegt in Milliardenhöhe
Denn während sich die Republik mit großem Interesse auf den Privatbankier und seine Verbindungen in die Hamburger Politik – zu dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz und Finanzsenator Peter Tschentscher – fokussierte, blieb die gesamte Dimension des Steuerbetrugs seltsam unscharf. Dabei geht der Schaden für die Steuerzahlen in die Abermilliarden – bis zu 55 Milliarden Euro könnten am Ende dem Staat, also uns allen, durch die Lappen gegangen sein.
Hanno Berger, der Erfinder der Cum-Ex-Geschäfte – ein früherer Finanzbeamter, der sich dann selbstständig machte, soll einmal gesagt haben: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch.“
Weniger Geld für Kindergärten, mehr Geld für Finanzjongleure
Berger beriet viele Kreditinstitute und machte Millionen. Großkanzleien wie Freshfields Bruckhaus Deringer schrieben Gutachten über die angeblich steuerliche Zulässigkeit der Aktientransaktionen. Ein ehemaliger Partner muss nun wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung für dreieinhalb Jahre in Haft.
Viele Banken ließen sich auf das miese Spiel ein, sich vom Staat im Umfeld der Dividendenzahlungen Steuern erstatten zu lassen, die sie nie bezahlt hatten. Mittenmang dabei waren die Hypo-Vereinsbank, die Deutsche Bank, die HSH Nordbank, die WestLB, die schwedische SEB, die Schweizer Bank Sarasin, die Citi Deutschland, die US-Bank Merrill Lynch – die Liste ist lang und wird immer länger.
Die Tochter einer kanadischen Bank nahm den Fiskus besonders dreist aus
Besonders bunt trieb es die Maple Bank, eine Tochter der kanadischen Maple Financial Group. Sie hatte am Ende sogar mehr Steuerschulden aufgehäuft als Eigenkapital. Der Bankchef ging ins Gefängnis. Maples war die böse Bestätigung des Satzes von Bertolt Brechts: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“
Der Raubzug zeigt: Die Steuerbehörden und die Fachleute im Finanzministerium sind überfordert, die kriminelle Energie mancher Banker zu bändigen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt viele Geldhäuser, an denen Hanno Berger nicht einmal am Empfang vorbeikam. Die Branche wusste also, was für ein Ganove der Anwalt für Steuer- und Finanzprodukte war. Wer sich mit ihm einließ, hat Schuld auf sich geladen. Das gilt auch für Christian Olearius, der sich von Berger beraten ließ.
Am Ende scheiterte Christian Olearius auch an seiner Dickköpfigkeit
Anders als viele angestellte Bankmanager aber glaubte der Hamburger Bankier, zu lange, im Recht zu sein und wehrte sich gegen die Anschuldigungen. Statt zu zahlen und zu kooperieren, setzte er auf Konfrontation. Sein dickköpfiger Kampf um Wiedergutmachung machte alles noch schlimmer – und die Hundertschaft krimineller Banker konnte sich hinter Olearius verstecken.
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Der bis dahin hoch angesehene Hamburger Bankier verspielte Reputation, verlor Freunde, erlitt Schicksalsschläge. Das Gericht hat nun aus gesundheitlichen Gründen den Prozess eingestellt. Es ist eine Stärke des Rechtsstaates, dass es kranke Menschen verschont. Ohnehin ist Christian Olearius gestraft genug.