Hamburg. Opfer lebensgefährlich verletzt. Angeklagter hatte gesagt, er wusste, dass der 33-Jährige nicht stirbt. Wie das Gericht das bewertet.

Ein Schuss, der aus nächster Nähe auf ein Opfer abgefeuert wird, zwei Männer, die vom Tatort fliehen und in einem Auto davonrasen: Es war ein schweres Verbrechen, das am 25. April vergangenen Jahres in einem Schnellimbiss auf der Reeperbahn verübt wurde. Das Opfer, ein 33-Jähriger, wurde lebensgefährlich am Bauch verletzt.

Jetzt wurde ein Mann, der im Prozess vor dem Landgericht eingeräumt hat, die Kugel abgefeuert zu haben, verurteilt. 13 Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung lautete die Entscheidung der zuständigen Kammer. Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre und sechs Monate Haft gefordert, die Verteidigung für eine Strafe von nicht mehr als fünf Jahren plädiert. Ein weiterer Beteiligter der Tat war bereits in einem gesonderten Verfahren zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die beiden Täter waren nach dem Angriff auf den 33-Jährigen ins Ausland geflohen und, nachdem sie dort gefasst worden waren, nach Deutschland überstellt worden.

Prozess Hamburg: Täter waren nach Schuss ins Ausland geflohen

Hintergrund des Verbrechens auf der Reeperbahn ist nach Überzeugung des Gerichts eine Streitigkeit um Rauschgiftgeschäfte sowie eine Beleidigung, die das spätere Opfer offenbar gegenüber der Familie des jetzt Angeklagten ausgesprochen hatte. Der Beschuldigte Tarik D. (Name geändert) hatte am ersten Prozesstag erzählt, der 33-Jährige habe die „schlimmsten Worte“ verwendet und so die Familie von Tarik D. gekränkt. Daraufhin habe er den Kontrahenten geschlagen, dieser habe ebenfalls zugehauen. Nun habe er auf den Mann geschossen, sagte der Angeklagte. Er habe dies aus Sorge getan, dass der Kontrahent und dessen Begleiter „auf mich losgehen werden, von hinten, von vorn“. Er habe „das Gefühl gehabt, dass die mich angreifen werden“.

Bezüglich des Schusses hatte Tarik D. mehrfach betont, er habe gewusst, dass das Opfer „nicht sterben wird“. Es sei ihm ausdrücklich darauf angekommen, den 33-Jährigen gerade nicht zu töten. Deshalb habe er seine Schusswaffe nach unten gerichtet. Tatsächlich konnte das Leben des Opfers nur durch eine Notoperation gerettet werden.

Richterin: Angeklagter habe „Konflikt lebensgefährlich eskalieren lassen“

Die Vorsitzende Richterin sprach in der Urteilsbegründung von „archaisch anmutenden Werten“ des Angeklagten. Er habe einen „Konflikt lebensgefährlich eskalieren lassen, um sich für eine empfundene Kränkung zu revanchieren“. Dass Tarik D. angeblich gewusst habe, dass das Opfer überleben werde, wertete das Gericht als Schutzbehauptung. Ein Schuss in den Bauch sei eine „objektiv äußerst gefährliche Handlung“, sodass man kein Vertrauen auf einen guten Ausgang haben könne, betonte die Richterin.

Mehr zu Prozessen vor Hamburger Gerichten

Zudem belegten Suchanfragen, die der Angeklagte an seinem Computer gestellt hatte, dass er sich Sorgen gemacht habe, wie schwer die Folgen des Schusses sein würden. Darüber hinaus hatte der bereits verurteilte Mittäter als Zeuge im Prozess ausgesagt, dass Tarik D. nach der Tat und der Flucht seine Ängste darüber geäußert habe, dass das Opfer gestorben sein könne.

Prozess Hamburg: Mittäter belastete als Zeuge den Angeklagten

Die Polizei war seinerzeit nach der Schießerei mit einem Großaufgebot auf der Reeperbahn, um die Spuren zu sichern. Nach dem schwarzen Audi, mit dem die Täter geflüchtet sein sollen, und den Verdächtigen selber wurde intensiv gefahndet. Auf ihre Spur waren die Ermittler unter anderem durch Aussagen von Zeugen sowie durch Videomaterial aus dem Umfeld des Schnellimbisses gekommen.