Hamburg. Verpflichtende Lernförderung für leistungsschwache Kinder und Jugendliche ist bundesweit einmalig. Quote der „Sitzenbleiber“ gesunken.

Nachhilfe ist in der Regel teuer, kann aber lernmüde oder überforderte Schülerinnen und Schüler über manche schulische Klippe hinweghelfen. Bundesweit einmalig bietet die Hamburger Schulbehörde leistungsschwachen Jungen und Mädchen seit zwölf Jahren kostenlose Lernförderung in Kleingruppen an. Knapp 56 Prozent der auf diesem Weg geförderten Kinder und Jugendlichen konnten im Schuljahr 2022/23 ihre Leistungen verbessern und die Note Fünf oder Sechs in Deutsch, Mathematik oder Englisch im Zeugnis vermeiden. Mit 1,2 Prozent ist der Anteil der Klassenwiederholungen wieder auf das Niveau vor der Corona-Pandemie gesunken.

Dank der individuellen Unterstützung konnten 323 Jungen und Mädchen trotz zunächst negativer Prognose aufgrund schwacher Leistungen am Ende von Klasse sechs auf dem Gymnasium bleiben und mussten nicht auf eine Stadtteilschule wechseln. Das sind 34,6 Prozent der 933 Schülerinnen und Schüler, denen zum Halbjahr die Abschulung drohte. Insgesamt besuchten knapp 8000 Sechstklässler die 63 staatlichen Gymnasien.

Schule Hamburg: An der kostenlosen Nachhilfe nimmt fast jeder siebte Schüler teil

Die Daten sind Teil einer umfassenden Auswertung des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ), die zum Teil auch in einer Großen Anfrage der Linken-Bürgerschafts-Fraktion enthalten sind. Grundsätzlich haben alle Schülerinnen und Schüler der staatlichen allgemeinbildenden Schulen Anspruch auf kostenlose Lernförderung, deren Leistungen in der Regel in einem Hauptfach „schwach ausreichend“ (Vier minus) oder schlechter sind. Laut IfBQ haben im ersten Halbjahr des vorangegangenen Schuljahres 22.779 Schülerinnen und Schüler an dem Programm teilgenommen – das sind 13,1 Prozent der Schülerschaft.

Mit Blick auf die nahende Versetzung war die Teilnahmequote im zweiten Halbjahr mit 16,3 Prozent (28.353 Schülerinnen und Schüler) sogar noch höher. Das würde bedeuten, dass rechnerisch fast jeder Siebte die Lernförderung in Anspruch genommen hat. Allerdings sind Teilnahmen in mehreren Förderkursen möglich. Von den Schülerinnen und Schüler, die die Lernförderung in mehreren Fächern in Anspruch nahmen, konnten sich 65 Prozent in mindestens einem Fach entscheidend verbessern.

Hamburg: Im vergangenen Schuljahr wurden 12.048 Lernförderkurse eingerichtet

Die Lernförderung findet zumeist am Nachmittag in kleinen Gruppen statt. An 45,8 Prozent der Kurse nehmen weniger als fünf Schülerinnen und Schüler teil, bei 43,2 Prozent sind es fünf bis zehn Teilnehmende. Lehr- und Honorarkräfte, darunter auch Oberstufenschüler, erteilen den zusätzlichen Unterricht, wobei es sich zumeist um zwei Schulstunden pro Woche handelt. Insgesamt wurden im vergangenen Schuljahr 12.048 Lernförderkurse eingerichtet. Nach Angaben der Schulbehörde ist die Zahl der Kurse über die Jahre unter Berücksichtigung des Schülerwachstums in etwa gleich geblieben.

Den größten Anteil an der Lernförderung hat das Fach Mathematik mit 38,9 Prozent der Kurse, dicht gefolgt von Deutsch mit 37,2 Prozent. In 11,8 Prozent der Kurse wollten Schüler ihre Englisch-Leistungen verbessern, der Rest entfiel auf weitere Sprachen. Fast die Hälfte aller Kurse (44,8 Prozent) wurden an Grundschulen eingerichtet, gefolgt von den Stadtteilschulen mit 36,6 Prozent und den Gymnasien mit 18,5 Prozent.

Mit der Teilnahme an den Förderkursen soll das Sitzenbleiben vermieden werden

Von der kostenlosen Lernförderung profitieren in besonderen Maße Schülerinnen und Schüler in sozio-ökonomisch benachteiligten Stadtteilen. Fast die Hälfte der Kurse (49,5 Prozent) wurden an Schulen mit dem niedrigen Sozialindex 1 und 2 (der sechsstufigen Skala) abgehalten. An den Grundschulen betrug der Anteil der Lernförderkurse in diesen Gebieten 52 Prozent, an Stadtteilschulen sogar 58 Prozent und an Gymnasien 13 Prozent.

Schülerinnen und Schüler, deren Leistungen in einem oder mehreren Hauptfächern in den kritischen Bereich absacken oder abzusacken drohen, haben Anspruch auf die staatliche Lernförderung. Mit den Schülern oder den Eltern wird eine Lern- und Fördervereinbarung geschlossen, nach der die Teilnahme an dem Kurs verpflichtend ist. Nach Angaben der Schulbehörde finden Förderkurse mittlerweile an allen staatlichen Grund- und Stadtteilschulen sowie Gymnasien statt. Formal gilt als Erfolg der Kurse, wenn die Schüler aufgrund verbesserter Leistungen nicht mehr auf den Besuch abgewiesen sind.

Der Anteil der Klassenwiederholungen ist auf das Niveau vor der Corona-Pandemie gefallen

In seltenen Fällen können Schülerinnen und Schüler auch auf Antrag an den Förderkursen teilnehmen, um eine besondere Förderung zu erhalten. Schulen haben somit die Möglichkeit, freie Plätze in ihren Kursen aufzufüllen. Letztlich entscheidet die Zeugniskonferenz über die Aufnahme in das Programm.

Seit Einführung der verpflichtenden Lernförderung zum Schuljahr 2011/12 soll das Sitzenbleiben nur noch im Ausnahmefall möglich sein. Während der Corona-Pandemie hatte die Schulbehörde die strikten Vorgaben aufgrund der Schulschließungen jedoch gelockert. Die Quote der Sitzenbleiber stieg im Schuljahr 2021/22 auf 1,7 Prozent und sank jetzt wieder auf das Vor-Corona-Niveau von 1,2 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit liegt die Quote der Klassenwiederholungen bei 2,4 Prozent.

Schule Hamburg: Für verpflichtende Nachhilfe gibt die Stadt 14,8 Millionen Euro pro Schuljahr aus

Am niedrigsten ist der Anteil der Klassenwiederholungen an den Hamburger Grundschulen, der jetzt wieder auf 0,8 Prozent zurückgegangen ist und zwischenzeitlich bei 1,4 Prozent lag. Am höchsten ist der Wert mit 1,7 Prozent an den Stadtteilschulen nach 2,1 Prozent während der Pandemie und 1,4 Prozent davor. An den Gymnasien blieben 1,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler sitzen. Vor der Pandemie waren es 1,1 Prozent.

Allein im Schuljahr 2022/23 hat die Schulbehörde 14,8 Millionen Euro für die Lernförderung ausgegeben, wobei 5,5 Millionen Euro aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes und der Länder stammen. Insgesamt 2940 Honorarkräfte kamen zum Einsatz. Darunter waren auch 1396 Oberstufenschüler, was einen neuen Höchststand bedeutet. Außerdem wurden eigene Lehrkräfte, freiberuflich arbeitende Erzieherinnen, Sozialpädagogen und Lerntherapeuten sowie Referendare und pensionierte Lehrkräfte eingesetzt. Honorarkräfte erhalten derzeit für eine 45-Minuten-Einheit 20,85 Euro.

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„Die kostenlose schulische Lernförderung ist nach mehr als einem Jahrzehnt fest etabliert und wirkt“, sagte Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD). „Nur Hamburg bietet diese Art von Nachhilfe an und konnte so den Anteil an Klassenwiederholungen deutlich senken. Die meisten Stunden mit kostenloser Lernförderung fanden in den Schulen mit Sozialindex 1 und 2 statt. So profitieren vor allem Schülerinnen und Schüler, die von Haus aus benachteiligt sind“, sagte die Senatorin.