Hamburg. AfD-Fraktion nutzt Video auf X für politische Kampagne. Elternrat wirft Senat „Kniefall“ vor der Partei vor. Der Staatsschutz ermittelt.

Ein Unbekannter hat aus einer Wohnung heraus Kinder beim Nachspielen einer Demonstration gegen die AfD auf dem Pausenhof der Grundschule Thadenstraße (Altona-Altstadt) heimlich gefilmt. Die AfD-Fraktion Hamburg hat das Video auf X veröffentlicht und spricht von „linker Indoktrinierung“. Der Elternrat der Grundschule ist empört. „AfD, lasst unsere Kinder in Ruhe!“, heißt es in einer Mitteilung. Die Väter und Mütter fordern den Senat und die Schulbehörde dazu auf, sich schützend vor die Kinder zu stellen und deren Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen.

„Die Verwendung von heimlich angefertigten Videoaufnahmen des geschützten Schulraums zum Zweck der politischen Agitation soll eine Drohkulisse schaffen, die unsere Kinder an der freien Entfaltung hindert“, heißt es vom Elternrat. „Das so gegenüber den Kleinsten der Gesellschaft vermittelte Signal ,Wir beobachten Euch‘ ist einschüchternd und bedrohlich. Wir weisen diese Praxis zurück.“ Die Kinder hätten die Initiative zum Nachspielen der Demonstration selbst ergriffen. Eine Vorbereitung im Unterricht habe es nicht gegeben.

Anti-AfD-Demo auf Schulhof: Grundschulkinder beim Nachspielen heimlich gefilmt

Am 17. April seien Schüler der Grundschule Thadenstraße mit Plakaten und dem Spruch „Ganz Deutschland hasst die AfD“ über den Schulhof gelaufen. Eine schulfremde Person habe aus einer Privatwohnung heraus Videoaufnahmen von den Grundschulkindern gemacht, heißt es vom Elternrat. Die zunächst von der AfD-Bürgerschaftsfraktion auf X veröffentlichte Sequenz kursiert seitdem in der Öffentlichkeit, auch in AfD-nahen Medien wie der Jungen Freiheit.

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Als die Pausenaufsicht die Schülergruppe bemerkte, sei diese unverzüglich aufgefordert worden, sich aufzulösen. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zurück. „Die Schulleitung hat nach Kenntnisnahme sofort alle erforderlichen Schritte eingeleitet, um dem Neutralitätsgebot in der Schule weiterhin zu entsprechen“, so der Senat. Der Elternrat bezeichnet die Antwort des Senats als „Kniefall vor der AfD“. Die Antwort sei „fast demütig und komplett am Thema vorbei“.

Eltern lehnen „Instrumentalisierung von Kindern zu politischen Zwecken“ strikt ab

„Es sind Auswüchse der wochenlangen Hetz- und Lügenkampagne gegen die AfD, die von Correctiv losgetreten und von einem Großteil der Medien und der etablierten Politik unkritisch, ja bereitwillig übernommen wurde“, sagte Alexander Wolf (AfD), Fraktionsvizechef und schulpolitischer Sprecher der AfD Hamburg. Anfang des Jahres hat Correctiv über ein Potsdamer Geheimtreffen von AfD-Politikern und Rechtsextremen berichtet. Dort soll ein „Masterplan“ zu massenhaften Abschiebungen besprochen worden sein.

„Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt auch für Grundschulkinder“, heißt es vom Elternrat. „Es ist ein bekanntes Vorgehen der AfD, mit Verweis auf die vorgebliche ,Neutralitätspflicht‘ von Kultur- und Bildungsinstitutionen Äußerungen unterbinden zu wollen. Wir Eltern erleben dabei das hier beschriebene Vorgehen als Instrumentalisierung von Kindern zu politischen Zwecken und lehnen dies strikt ab.“

Schulsenatorin Bekeris über Verbreitung des Videos: „an der Grenze des rechtlich Möglichen“

Demonstrationen seien eine demokratische Selbstverständlichkeit und könnten auch im Leben von Kindern aktiv oder passiv miterlebt werden. „Kinder verarbeiten dabei das, was sie wahrnehmen, oftmals im Spiel, und das ,Nachspielen‘ einer Demonstration ist in diesem Rahmen deshalb in keiner Weise fragwürdig“, so der Elternrat. Im Rahmen der von der AfD skandalisierten „Schulhof-Demonstration“ seien weder strafbare noch verfassungsfeindliche Aussagen getätigt worden.

Hintergrund sei wohl eine große Demonstration Anfang des Jahres in der Stadt gewesen, die offenbar Eindruck bei den Schülerinnen und Schülern hinterlassen habe, heißt es von der Schulbehörde. Derzeit werde geprüft, wie gegen die Verbreitung des Filmmaterials rechtlich vorgegangen werden könne. „Fakt ist, dass diese Art der Instrumentalisierung von Kindern für politische Zwecke eine neue Grenze überschritten hat“, sagt Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD). „Fakt ist auch, dass diejenigen, die das Bildmaterial im Netz verbreiten, genau wissen, was sie tun und an der Grenze des rechtlich Möglichen agieren.“

Verdacht des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten auf X: Staatsschutz ermittelt

Das Video, das rufende Kinder aus der Höhe zeigt, wurde rechtlich geprüft, die Veröffentlichung stelle laut der Polizei kein strafbares Handeln dar. Ein Stadtteilpolizist sei jedoch vom Schuldirektor auf einen X-Post aufmerksam gemacht worden. Bei dem Post bestehe der Verdacht des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten gemäß §111 StGB. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, das im Hinblick auf den Bezug zur AfD beim Staatsschutz des Landeskriminalamts (LKA 7) nun weitergeführt werde, heißt es von der Polizei.

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Auch die Linke verurteilt die AfD für die Verwendung des Videos. „Die Schmierenkampagne der AfD und rechter Medien gegen die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Thadenstraße ist skandalös“, sagt Sabine Boeddinghaus, bildungspolitische Sprecherin der Links-Fraktion in der Bürgerschaft. Boeddinghaus unterstützt den Elternrat und fordert Solidarität. „Statt zurückzuweichen, müssen Schule und Behörde sich vor die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern stellen! Es gibt keine ,neutrale Haltung‘, wenn es um das Einstehen für unsere Demokratie und ihre humanen und sozialen Errungenschaften geht – und das gilt auch auf dem Schulhof“, sagt die Linken-Politikerin.

Die Schule wollte sich auf Anfrage des Abendblatts nicht zu dem Vorfall äußern. Laut dem Elternrat sei man jedoch in engem Austausch, die Schule habe sich schockiert gezeigt. Der Elternrat erwarte von der Schulbehörde, Anzeige gegen unbekannt zu erstatten, wolle dies aber nicht selbst tun.