Hamburg. Hamburg gilt als Drehscheibe für den Kokainhandel. Die kriminellen Geschäfte florieren – auch weil Hafenmitarbeiter zu Komplizen werden.

Hamburgs Hafen gilt neben Rotterdam und Antwerpen als Drehscheibe im europäischen Kokainschmuggel. Experten gehen davon aus, dass über die Terminals von HHLA und Eurogate jährlich Kokain im Wert von bis zu 16 Milliarden Euro Straßenverkaufswert umgeschlagen wird. Tendenz steigend. Das kriminelle Geschäft floriert im großen Stil – auch, weil es den organisierten Drogenbanden gelingt, Mitarbeiter von Hafenfirmen und -behörden zu Komplizen zu machen.

Die Hamburger Polizei kennt eine zweistellige Zahl von Angestellten von Terminals oder Reedereien, die sich haben bestechen lassen. Auch hier ist die Dunkelziffer exponentiell höher. Mit einer neuen Präventionskampagne will die Stadt jetzt gegen die „Innentäter“ mobil machen. Bürgermeister Peter Tschentscher, Innensenator Andy Grote (beide SPD), Polizeipräsident Falk Schnabel, LKA-Chef Jan Hieber und Ulfert Cornelius vom Unternehmensverband Hafen Hamburg haben am Montag Details der Kampagne vorgestellt.

Hamburg: Hafen-Mitarbeiter werden zu Komplizen

Tschentscher warnte die Hafenbeschäftigten, sich korrumpieren zu lassen. „Wer organisierten Drogenkartellen den kleinen Finger reicht, riskiert nicht nur die Hand, sondern das Leben der gesamten Familie.“ Europa sei der attraktivste Markt überhaupt für den weltweiten Kokainhandel, sagte Innensenator Grote. „Und so nimmt der Druck durch die hochprofessionellen Akteure der Organisierten Kriminalität auf Hamburg deutlich zu.“ Er sprach von einer „sehr gefährlichen Bedrohung“ für die Stadt. Wer im Hafen arbeite, und sich auf die scheinbaren Verlockungen der Drogenmafia einlasse, gerate in ein Geflecht von Gewalt, Druck und Abhängigkeit, warnte Grote Hafenbeschäftigte.

LKA-Chef Jan Hieber weiß von Fällen, in denen es mit einer kleinen Gefälligkeit und oder einem harmlos anmutenden Hinweis begann. Was folgte, war ein Albtraum aus Drohung und Gewalt. Für diese Gefahr zu sensibilisieren, dafür diene die Kampagne. Plakate, Postkarten und Flyer werden großflächig nicht nur im Hafen aufgehängt und verteilt. Mit einem Video und in Schulungen in den Unternehmen will die Polizei potenzielle Innentäter warnen. Das LKA versucht zudem, Aussteigern eine Tür zu öffnen. Die können sich jetzt anonym auf einer neu entwickelten Seite im Netz (www.polizei.hamburg/hafen) identitätsgeschützt offenbaren oder Hinweise geben. „Wir können auch Zeugenschutzmaßnahmen ergreifen“, sagte Hieber.

Drogen in Häfen: Hamburger Zollfahnder stellen 35 Tonnen Kokain sicher

Das Zollfahndungsamt Hamburg hatte im vergangenen Jahr die Rekordmenge von rund 35 Tonnen Kokain in den deutschen Seehäfen sichergestellt. Allein bei einer Aktion im Sommer 2023 entdeckten die Fahnder mehr als zehn Tonnen Kokain im Hafen. Und das Dunkelfeld ist groß: Aus dem Verkehr werden nach Schätzungen gerade einmal zwischen zehn und 20 Prozent der Drogen gezogen, die über den Hafen geschmuggelt werden. „Wir sind nach Rotterdam und Antwerpen der drittgrößte europäische Seehafen. Wir müssen wachsam sein und vorbeugen“, sagte Schnabel im Abendblatt-Interview Anfang des Jahres.

Im Kampf gegen organisierte Banden setzt Hamburg auf ein neues Sicherheitszentrum im Hafen. Dort werden von Ende Mai an Polizei, Zoll, Staatsanwaltschaft und Unternehmen unter einem Dach zusammenarbeiten. Die Rede ist von einer „engen Kooperation mit kurzen Wegen“. Mit der Bündelung der Fachleute und mit weiteren Maßnahmen wie der Überwachung durch zusätzliche Drohnen und Kameras soll der Druck auf die Schmugglerszene erhöht werden.

Jan Hieber, Chef des Landeskriminalamts Hamburg (LKA), steht nach der Vorstellung der „Awareness-Kampagne für Hafenbeschäftigte“ neben Bananenkisten und dem Logo des EU-geförderten Projekts „Infiltration der Nordseehäfen durch Strukturen der Organisierten Kriminalität“ (INOK).
Jan Hieber, Chef des Landeskriminalamts Hamburg (LKA), steht nach der Vorstellung der „Awareness-Kampagne für Hafenbeschäftigte“ neben Bananenkisten und dem Logo des EU-geförderten Projekts „Infiltration der Nordseehäfen durch Strukturen der Organisierten Kriminalität“ (INOK). © dpa | Marcus Brandt

Eine potenzielle Gefahr sehen Sicherheitsexperten in Häftlingen, die tagsüber im Hafen arbeiten. Die Polizei hofft, dass keine Freigänger in sensiblen Bereichen einen Job gefunden haben. Nur: Sie weiß es nicht. Sie setzt auf die Kooperationsbereitschaft der Hafenfirmen, die bei der Kampagne mitmachen. Das Interesse der Unternehmen, das Problem anzugehen, sei „wahnsinnig groß“, heißt es beim LKA.

Im vergangenen Sommer hat die Polizei nach und nach 44 Personen auf einem Terminal festgenommen, die innerhalb weniger Wochen dort eingebrochen waren. Die Festgenommenen, überwiegend Holländer, verweigerten jede Aussage. Vermutlich ging es darum, einen bestimmten Container zu identifizieren und die darin transportierten Drogen mit Hilfe aus dem Terminal zu lotsen. Die Festnahme wird von den Einbrechern, die aus prekären Verhältnissen kommen, in Kauf genommen. Die Verlockungen sind groß, die Straferwartung gering. Den Modus Operandi kennt die Polizei aus Rotterdam.

Hamburg, Rotterdam und Antwerpen wollen zusammenarbeiten

Zuletzt hatte bereits Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine verstärkte Kooperation der großen europäischen Hafenstädte bei der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels angekündigt. So sollen Hamburg, Antwerpen und Rotterdam den gemeinsamen Kampf gegen internationale Drogenkartelle forcieren, kündigte die SPD-Politikerin vor wenigen Tagen in Berlin an. „Ein Land allein kann das nicht gut. Wir müssen versuchen, die Gewaltspirale, die mit den Drogen aus Südamerika bei uns ankommt, zu durchbrechen“, so Faeser.

Bürgermeister Peter Tschentscher und Bart de Wever (r.), Bürgermeister von Antwerpen, besuchten im Kampf gegen den Drogenschmuggel im Januar gemeinsam  Kolumbien (hier: Bogota) und Ecuador.
Bürgermeister Peter Tschentscher und Bart de Wever (r.), Bürgermeister von Antwerpen, besuchten im Kampf gegen den Drogenschmuggel im Januar gemeinsam Kolumbien (hier: Bogota) und Ecuador. © dpa | ---

„Der Drogenschmuggel sucht sich immer neue Kanäle, deshalb brauchen wir eine starke Allianz der Häfen und der Nationalregierungen“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Man wolle verhindern, dass Kokainschmuggler Hamburg als leichten Umschlagsort für ihre Drogen begriffen und von Rotterdam oder Antwerpen in die Hansestadt wechselten.

Tschentscher besuchte Kolumbien und Ecuador

Tschentscher und seine Amtskollegen aus Rotterdam und Antwerpen hatten zuletzt bei einer gemeinsamen Reise nach Kolumbien und Ecuador versucht, mit den dortigen Sicherheitsbehörden eine Strategie zu entwickeln, den Drogenexport vor Ort effektiver zu bekämpfen.

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Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe begrüßte eine gemeinsame Initiative der drei großen europäischen Hafenstädte mit dem Bundesinnenministerium: „Die Bekämpfung der Drogenkriminalität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“