Hamburg. Nach dem Aus für sechs Standorte werden nun 135 Millionen Euro in die verbliebenen 15 Schulen investiert. Was im Einzelnen geplant ist.

Es war ein Kahlschlag, der durchaus existenzbedrohend wirkte: Im Januar 2018 verkündete das Erzbistum die Schließung von acht der 21 katholischen Schulen. Zwei Gründe waren ausschlaggebend: der damals überraschend prognostizierte dramatische Anstieg der Überschuldung des Erzbistums von 80 auf bis zu 350 Millionen Euro bis 2021 und der enorme Sanierungsbedarf etlicher Standorte, die nach den Kriterien der Unternehmensberater von Ernst & Young als „wirtschaftlich nicht tragbar“ galten. Trotz massiver Proteste von Eltern, Lehrkräften, Politik und Öffentlichkeit: Erzbischof Stefan Heße blieb hart. Auch wenn letztlich „nur“ sechs Schulen geschlossen wurden – dieser Rückzug aus der Fläche traf das in Hamburg etablierte katholische Schulsystem ins Mark.

Gut sechs Jahre danach ist Zuversicht zurückgekehrt. Zwar werden im Sommer 2025 die letzten beiden Schulen – das Niels-Stensen-Gymnasium in Harburg und der Stadtteilschulzweig der Katholischen Schule Harburg – endgültig geschlossen, aber andererseits wurde vor einer Woche der Grundstein für den Neubau der geretteten Sophienschule in Barmbek gelegt – ein 25-Millionen-Euro-Projekt auch dank der Unterstützung durch eine private Millionenspende. „Ich nehme insgesamt eine große Aufbruchbewegung wahr“, sagt Christopher Haep, der Leiter der Abteilung Schule und Hochschule im Generalvikariat des Erzbistums Hamburg, im Gespräch mit dem Abendblatt.

Neben zwei Neubauprojekten geht es vor allem um Sanierung und Modernisierung des Bestandes

Das Erzbistum will in den kommenden Jahren rund 135 Millionen Euro in die 15 verbliebenen Schulen investieren. Neben der Sophienschule, die in der Rechnung bereits enthalten ist, wird es ein weiteres großes Neubauprojekt geben: Die Bonifatiusschule in Wilhelmsburg erhält einen 2600 Quadratmeter umfassenden Neubau mit einem Klassen- und Fachraumtrakt sowie eine neue Sporthalle. Ein Teil der geplanten 30 Millionen Euro für die Grund- und Stadtteilschule auf der Elbinsel fließt in eine umfassende Sanierung der bestehenden Gebäude.

Schwerpunkt der Investitionen in die sogenannte äußere Schulentwicklung insgesamt sind Sanierungen der vorhandenen Gebäude, die nach jetziger Planung etwa 55 Prozent der Gesamtsumme umfassen werden. „Wir haben alle 15 Standorte noch einmal sehr gründlich durchdekliniert und uns jedes Gebäude sehr genau angesehen“, erläutert Haep das Vorgehen. Dabei kam heraus, dass manches alte Schulgebäude auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten doch noch zu retten ist und eine Modernisierung für die Zwecke eines zeitgemäßen Schulbetriebs möglich ist.

Drei katholische Schulen liegen in Gebieten mit dem niedrigen Sozialindex 2

Ein Beispiel liefert die Katholische Grundschule Bergedorf. „Die dortige Einfeldsporthalle war ein klassisches Abrissprojekt“, sagt Haep. Doch nach intensiven Beratungen mit den Immobilienexperten des Erzbistums sei es gelungen, eine neue Perspektive für den Altbau zu eröffnen. „Jetzt wird die Einfeldsporthalle saniert und modernisiert und um einen Gymnastikraum ergänzt“, sagt der Leiter der Schulabteilung.

Das Klassenhaus und die Sporthalle der Katholischen Schule Hammer Kirche werden von Sommer an saniert. Die Modernisierung schließt eine neue Aufteilung der Funktionsräume mit ein, sodass zum Beispiel angemessene Lehrerarbeitsplätze geschaffen werden. Die einst geteerte Schulhoffläche ist bereits neu gestaltet worden. Die Vor- und Grundschule in Hamm liegt wie die Standorte in Billstedt und Wilhelmsburg in einem Gebiet mit dem niedrigen Sozialindex 2 der sechsstufigen Hamburger Skala. Aus Sicht von Haep ist es wichtig, dass katholische Schulen auch in sozial benachteiligten Stadtteilen vertreten sind.

Es gibt nur noch zwei katholische Gymnasien in Hamburg

Bisweilen bedurfte es mehrerer Anläufe, bis ein tragfähiges Konzept für einen Standort gefunden war. So soll im Sommer die Entscheidung darüber fallen, wie es mit der Sankt-Ansgar-Schule in Borgfelde weitergeht, neben der Sophie-Barat-Schule (Rotherbaum) das zweite noch verbleibende katholische Gymnasium. Entstanden ist im dritten Anlauf ein neues Sanierungskonzept für die zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Gebäude.

Christopher Haep ist seit 2016 Leiter der Abteilung Schule und Hochschule im Generalvikariat des Erzbistums Hamburg.
Christopher Haep ist seit 2016 Leiter der Abteilung Schule und Hochschule im Generalvikariat des Erzbistums Hamburg. © Christopher Haep | Christopher Haep

Im Laufe des Planungsprozesses können sich Änderungen ergeben, weil sich rechtliche Vorgaben etwa beim Denkmalschutz oder im Bereich Klimaschutz ergeben. Andererseits können sich die Bedarfe durch veränderte Schwerpunktsetzungen ändern. „Die 135 Millionen Euro sind ein atmendes System. Wenn wir an der einen Stelle eine Million einsparen, können wir sie an einer anderen Stelle ausgeben“, sagt Haep.

Höchstsatz für monatliches Schulgeld wurde von 100 auf 135 Euro erhöht

Dabei ist die Frage naheliegend, warum sich das Erzbistum die bedeutenden Investitionen in das Schulsystem plötzlich leisten kann, nachdem noch vor sechs Jahren eine „horrende Verschuldung“ (der damalige Generalvikar Ansgar Thim) absehbar war. „Es hat erhebliche Gegensteuerungen gegeben“, sagt Schulmann Haep. Verantwortlich für die enorme finanzielle Schieflage des Erzbistums waren vor allem ungedeckte Pensionsverpflichtungen. Mit dem inzwischen aufgelegten und mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestatteten „Ansgarfonds“ sollen die Verpflichtungen nun langfristig bestritten werden können.

Der zweite große Posten war der Investitionsstau, der Schulen wie Pfarreien und die Diözese betraf – weniger Schulden im engeren Sinne, sondern mehr wachsendes Gefährdungsrisiko. Die Schulschließungen, der Verzicht auf andere Gebäude, aber auch das Abspecken der Investitionen an der einen oder anderen Stelle hat für eine gewisse Entlastung gesorgt. Schließlich wurde die Einnahmesituation im Schulbereich verbessert: Die zum 1. August 2023 in Kraft getretene Schulgeldreform hat zu einer Einnahmesteigerung um 1,2 auf 6,2 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr geführt. Das durchschnittlich gezahlte Schulgeld stieg von 65 auf 85 Euro pro Monat. Den von 100 auf 135 Euro erhöhten Höchstsatz zahlen 45 Prozent der Eltern, 55 Prozent der Väter und Mütter einen nach dem Familieneinkommen gestaffelten niedrigeren Betrag (mindestens zehn Euro).

Bilanzielle Überschuldung des Erzbistums betrug 2022 insgesamt 167 Millionen Euro

Haep weist darauf hin, dass die noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit der Schulbehörde über die Ersatzschulfinanzierung zu einem „nennenswerten Fortschritt“ geführt hätten. Schon jetzt sei vereinbart, dass die Stadt „deutlich mehr“ als die bislang gezahlten 69 Prozent der Schülerjahreskosten übernehme. Dennoch gebe es nach wie vor eine Unterdeckung des laufenden Schulbetriebs „im zweistelligen Millionenbereich“. Bereits 2018 war von zehn Millionen Euro pro Jahr die Rede.

Nach wie vor leidet das Erzbistum an einer bilanziellen Überschuldung, wenngleich sie nicht die enormen Höhen erreicht, die Ernst & Young 2017/18 prognostiziert hatten. Nach einem Zwischenhöchststand von 105 Millionen Euro 2020 und einem Absinken auf 53 Millionen Euro im Folgejahr kletterte der Wert auf 167 Millionen Euro 2022, wobei allein 97 Millionen Euro auf gesunkene Zinssätze mit der Folge eines Anstiegs der bilanziell zu bildenden Rückstellungen zurückzuführen sind. Andererseits ergibt sich aus dem Finanzbericht 2022, dass das Erzbistum über liquide Mittel in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro verfügt, die die aktuellen Verpflichtungen übersteigen und somit die Investitionsfähigkeit erhalten.

Alle katholischen Schulen bieten eine ganztägige Betreuung der Schülerinnen und Schüler an

Angesichts der prekären Finanzsituation ist es allerdings nicht selbstverständlich oder unumstritten, 135 Millionen Euro allein in die Schulen zu investieren, zumal die Einnahmen aus der Kirchensteuer niedriger ausfallen als zuletzt erwartet. „Das Ringen um die Bistumsfinanzen ist zweifelsohne das zentrale Aufgabenfeld“, drückt es Haep diplomatisch aus. Der Leiter der Schulabteilung setzt auf Transparenz und den Beweis der Steuerungsfähigkeit. „Wir können zunehmend deutlich machen, dass die Sicherstellung der Finanzierung gelingt und es keine Gefährdungssituation wie 2017 gibt“, sagt Haep und fügt mit Blick auf die angestrebte langfristige wirtschaftliche Konsolidierung bei gleichzeitigen Investitionen in die Schulen hinzu: „Klar ist aber auch: Das kann auch zukünftig nur mit mäzenatischer Unterstützung gelingen. Die Verwirklichung großer Bauprojekte bleibt auf externe Unterstützerinnen und Unterstützer angewiesen.“

Zentraler Baustein zur zukunftsfähigen Aufstellung des katholischen Schulsystems ist neben dem Schulbau die innere Schulentwicklung. Die Schulabteilung des Erzbistums hat einen umfangreichen Prozess der Profilbildung der einzelnen Standorte angestoßen. Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Inklusion nehmen einen größeren Raum ein. Um wettbewerbsfähig mit der staatlichen Konkurrenz zu sein, bieten auch die katholischen Schulen die ganztägige Betreuung der Schülerinnen und Schüler an.

Alle Schulen sollen nach einer „vorbildlichen christlichen Persönlichkeit“ benannt werden

Zwar stehen die Schulen Gläubigen aller Konfessionen wie auch Konfessionslosen offen, aber die christliche Orientierung prägt die Schulen gleichwohl. Das gilt für tägliche Gebete, die Bedeutung des Religionsunterrichts und die häufig enge Anbindung der Schulen an die katholischen Kirchengemeinden in der Nachbarschaft.

Das gilt auch für die Lehrkräfte, für die die Fortbildungsreihe „Kirche macht Schule“ ein Pflichtangebot ist, soweit sie unbefristet beschäftigt sind. Die Schulabteilung bietet auch Besinnungstage an, während derer sich ein komplettes Kollegium zwei Tage lang zum Beispiel in das Benediktiner-Kloster Nütschau (Kreis Stormarn) zurückziehen kann.

Um ihr Profil zu stärken, sollen alle katholischen Schulen „den Namen einer ausgewählten vorbildlichen christlichen Persönlichkeit“ führen, wie es im „Strategiehandbuch für Schulbau und Schulausstattung“ des Erzbistums heißt. Die Auseinandersetzung mit dem Wirken des Namensgebers soll im Schulprogramm fest verankert werden. Derzeit sind die Schulen häufig nach dem Stadtteil oder der Kirchengemeinde im Einzugsgebiet benannt. Ausnahmen bilden die Sophie-Barat-Schule und die Katharina-von-Siena-Schule in Langenhorn.

Rückgang der Schülerzahlen konnte zuletzt abgebremst werden

Darüber, wie erfolgreich die 15 katholischen Schulen langfristig sein werden, entscheiden nicht zuletzt die Anmeldezahlen für die einzelnen Standorte. Die Schließungen von sechs Schulen haben zu einem kontinuierlichen Rückgang der Schülerzahlen geführt. Besuchten im Schuljahr 2018/19 noch 8354 Jungen und Mädchen eine der katholischen Schulen, so sank deren Zahl über 7388 (2020/21) und 6624 (2022/23) auf 6243 im laufenden Schuljahr.

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Für das kommende Schuljahr liegen 6208 Anmeldungen vor, womit der Abschwung abgebremst wäre. Die rund 100 Schülerinnen und Schüler, die das Schulsystem wegen der auslaufenden beiden Standorte in Harburg verlor, konnten fast ausgeglichen werden. „Das ist ein überaus positives Zeichen für die umfassende Erneuerung unseres katholischen Schulsystems“, sagt Christopher Haep.