Hamburg. Elbtower, Überseequartier, Holsten-Areal: Opposition kritisiert Stadtentwicklungspolitik. Was die zuständige Senatorin Karen Pein sagt.

„Denk ich an die Stadtentwicklung in der Nacht, bin ich oft um den Schlaf gebracht“ – mit dieser Abwandlung eines Ausspruchs von Heinrich Heine begann die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann am Mittwoch die von ihrer Fraktion angemeldete Debatte in der Aktuellen Stunde. Elbtower, XXL-Einkaufszentrum im Überseequartier und Holstenareal – wie es bei diesen Hamburger Großprojekten laufe, das sollte auch den Regierungsfraktionen von SPD und Grünen einige schlaflose Nächte bereiten, fuhr Sudmann in der Bürgerschaft fort.

Die rot-grüne Maxime, die Stadt „sehr gern mit Investoren“ zu entwickeln, sei ein Irrweg. Die Initiative „Recht auf Stadt“ habe schon 2009 zutreffend erklärt: „Eine Stadt ist keine Marke. Eine Stadt ist auch kein Unternehmen. Eine Stadt ist Gemeinwesen.“ Doch das hätten die CDU- und die SPD-geführten Senate vergessen. „Wir sehen beim Elbtower, wohin das führt“, sagte Sudmann. Da feierten „die Großmannssucht eines Olaf Scholz und die Profitgier eines windigen Investors René Benko fröhliche Urständ“.

Stadentwicklungspolitik: Geht Rot-Grün fragwürdigen Investoren auf den Leim?

Zum Hintergrund: Auf der Elbtower-Baustelle herrscht seit sechs Monaten Stillstand. Das Gebäude ist bei gut 100 Meter Höhe stehen geblieben – ob und bis wann die geplanten 245 Meter erreicht werden, ist unklar. Grund für den Baustopp sind ausstehende Zahlungen des Bauherrn, der Signa-Immobiliengruppe. Deren Gründer, der österreichische Unternehmer René Benko, hat inzwischen einen Insolvenzantrag als Privatunternehmer gestellt.

Das XXL-Einkaufsviertel Westfield Hamburg-Überseequartier in der HafenCity sollte eigentlich in dieser Woche eröffnen, geplant war ein Konzert der Sängerin Rita Ora mit mehr als 4000 Gästen. Doch daraus wurde nichts: Das Spektakel ist auf Ende August verschoben worden. In einem Teil des Untergeschosses sei es zu einem Eintritt von Grundwasser im Bereich einer zentralen technischen Anlage gekommen, so der Bauherr, das französische Immobilien- und Investmentunternehmen Unibail-Rodamco-Westfield. Heike Sudmann kritisiert hier allerdings in erster Linie, dass die Ansiedlung des Viertels in der HafenCity zulasten der Geschäfte an einem anderen Ort gehe: „Die Innenstadt wird dabei draufgehen“, sagte sie.

Beim Holsten-Areal verzichtete Rot-Grün auf ein Vorkaufsrecht

Immer noch brach liegt das Holsten-Areal. Dort sollen eigentlich 1300 Wohnungen, Büros und mehr entstehen. Doch der Investor, die Adler-Immobiliengruppe, ist angeschlagen, will verkaufen. Dazu hielt Sudmann SPD und Grünen vor: „Sie haben bewusst auf das Vorkaufsrecht verzichtet. Sie lassen sich lieber von Konzernen diktieren, was die wollen, als zu gucken, was brauchen die Hamburger und Hamburgerinnen.“

SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf machte am Mittwoch nicht den Eindruck, als würden ihn Sudmanns Ausführungen um den Schlaf bringen. Er wies einen Großteil ihrer Kritik zurück. Es sei richtig, Projekte wie den Elbtower und das Westfield-Überseequartier nicht zulasten der Steuerzahler zu finanzieren. „Dort gehen keine öffentlichen Gelder rein, das sind privatwirtschaftliche Vorhaben, und durch den Verkauf des Elbtower-Grundstücks haben wir noch mehr als 120 Millionen Euro gekriegt“, sagte Kienscherf.

SPD-Fraktionschef: Aus Fehlern haben wir Konsequenzen gezogen

Was das Holsten-Areal angehe, gelte allerdings: „Das war aus heutiger Sicht ein Fehler.“ Aber daraus habe Rot-Grün „Konsequenzen gezogen“, sagte Kienscherf und verwies darauf, dass die Bürgerschaft 2019 auf Antrag des Senats eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik beschlossen habe. „Wir wollen, dass die Stadt weiterhin maßgeblich für die Flächenentwicklung zuständig ist und nicht die Konzerne.“ Rot-Grün wolle keine Spekulanten. „Wir haben auch ein kritisches Verhältnis zu Herrn Benko“, sagte Kienscherf auf einen Einwurf Sudmanns hin. Aber: „Privatwirtschaftliches Engagement werden wir weiter zulassen.“

Grünen-Fraktionscherf: „Da muss man Verträge besser machen“

Teilweise ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. „Holstenquartier – das muss uns eine Mahnung sein“, sagte er. „Da muss man die Verträge besser machen. Dass so ein Grundstück immer weitergereicht wird und am Ende dort gar nichts passiert, das ist nicht gut gelungen.“ Das werde nicht mehr passieren.

„Fatal“ nannte Lorenzen, was beim Elbtower passiert sei. „Da haben wir auf den falschen Anbieter gesetzt.“ Damals habe es „viele unseriöse Akteure“ gegeben. Diese würden „hoffentlich vom Markt verschwinden“, sagte Lorenzen. Stattdessen sollten die vielen konstruktiven, leistungsfähigen Akteure in der Finanzwirtschaft und im Wohnungsmarkt zum Zuge kommen „und mit uns Stadtentwicklung machen“, sagte Lorenzen. Die Stadt setze die Rahmenbedingungen. „Aber wir brauchen doch auch die Partner.“

CDU wirft Olaf Scholz „Eitelkeit und Selbstüberschätzung“ vor

Von „Fehlentscheidungen“ bei den von Rot-Grün hervorgehobenen Rahmenbedingungen sprach die CDU-Abgeordnete Anke Frieling. Dabei gebe es einen roten Faden: „Die Eitelkeit und Selbstüberschätzung von Olaf Scholz, der als Altlinker gern ein Mann der Wirtschaft wäre.“ Der Elbtower sei von Rot-Grün an einen „schon zum Zeitpunkt der Entscheidung umstrittenen Investor gegangen“, sagte Frieling. „Es gab Warnungen.“

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Zu Recht drehe sich die Aktuelle Stunde um „ein Versagen von Rot-Grün“, sagte Alexander Wolf von der AfD. Die Forderung der Linken nach mehr Staat gehe allerdings in die falsche Richtung. „Diese Projekte laufen verkehrt wegen zu viel staatlicher Einmischung, Gängelung und Vorgaben“, sagte Wolf. „Nur Großinvestoren können diese rot-grünen Wünschbarkeiten akzeptieren.“

FDP spricht von „investorenfeindlicher Baubürokratie“

SPD und Grüne verhedderten sich mit „schlecht ausgewählten Projektpartnern, investorenfeindlicher Baubürokratie und überzogenen Umweltauflagen“, sagte Anna von Treuenfels-Frowein von der FDP. „Stadtentwicklungspolitik braucht Freiraum und Respekt vor Marktregeln.“

Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) wehrte sich: Festzustellen sei, „dass es nur wenige Projekte dieser Art gibt, über die wir uns ärgern“, sagte sie. Ihr zufolge überwiegen viele erfolgreiche Projekte. Der Vertrag zum Verkauf des Elbtower-Grundstücks stelle sicher, dass den Steuerzahlern kein Schaden entstehe. „Ich kenne keinen anderen Vertrag, der so hart und so knüppelig ist wie dieser“, sagte Pein. „Das ist maximale Sicherheit für diese Stadt.“