Kiew. Nach seinem Überraschungsbesuch in der Hauptstadt Kiew spricht Hamburgs Bürgermeister über seine Eindrücke und die Lehren aus der Reise.

Als erster Chef einer deutschen Landesregierung seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Peter Tschentscher am Montag die kriegsgebeutelte Hauptstadt Kiew besucht. Im Interview mit dem Abendblatt spricht Hamburgs Bürgermeister über seine Eindrücke und die Lehren aus der Reise.

Hamburger Abendblatt: Was nehmen Sie mit von dieser Reise nach Kiew?

Peter Tschentscher: Wir haben für den Städtepakt mit Kiew Spenden gesammelt, Projekte bearbeitet und auf unterschiedlichen Wegen mit unseren Partnern kommuniziert. Nach zwei Jahren war es jetzt wichtig, direkt mit den Menschen vor Ort zu sprechen und die Stadt selbst kennenzulernen.

Und wie ist die so aus Ihrer Wahrnehmung?

Eine interessante Metropole, modern und lebenswert. Es gibt viele Parks, einen großen Fluss durch die Stadt und sogar ein Strandbad. Auf der anderen Seite sind viele Gebäude zerstört oder beschädigt. Das öffentliche Leben läuft, doch man spürt, dass Krieg herrscht. In diesem Kontrast leben die Menschen. Es ist wichtig, die Unterstützung fortzusetzen. Die Spenden fallen in Kiew auf fruchtbaren Boden, wie das Day Care Center zeigt. Wichtig ist nicht nur die militärische Unterstützung, es braucht auch Hilfe für das tägliche Leben.

Tschentscher in der Ukraine: „Niemand denkt daran, aufzugeben“

Wie kann Hamburg jetzt im nächsten Schritt konkret helfen?

Wir haben zum Beispiel ein Krankenhaus besucht, in dem auch Kriegsopfer behandelt werden. Die Behandlungen nach Bomben- oder Minenexplosionen sind oft sehr kompliziert. Dabei können Konsultationen mit Experten in Deutschland helfen. Es gibt den Wunsch, das zu organisieren oder auch Fachärzten aus Kiew spezielle Weiterbildungen zu ermöglichen.

War das ein einmaliger Besuch in Kiew oder Auftakt zu mehr?

Der Solidaritätspakt vor zwei Jahren war bereits der Auftakt. Seitdem hat sich viel entwickelt. Die Unterzeichnung war ein Symbol zur richtigen Zeit. Es hat viele Menschen über Hamburg hinaus motiviert, sich für die Ukraine zu engagieren. Im Moment sind Besuche in Kiew noch riskant und dadurch schwierig. Ich hoffe, dass nach einem Ende des Krieges weitere Kontakte entstehen und sich deutsche Unternehmen verstärkt in der Ukraine engagieren.

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Welche Stimmung und welche Einstellungen haben Sie in Ihren Gesprächen wahrgenommen?

Durch den russischen Angriff ist die Ukraine noch einmal stärker in unsere Nähe gerückt. Ich habe immer wieder gehört, wie positiv Deutschland als Unterstützer der Ukraine gesehen wird. Die Menschen sind entschieden, vor der russischen Aggression nicht zurückzuweichen und ihr Land zu verteidigen. Niemand denkt daran, aufzugeben.

Was kann Hamburg daraus lernen?

Es ist bewundernswert, wie sich eine Stadt wie Kiew unter so schwierigen Bedingungen behauptet und die Versorgung von drei bis vier Millionen Menschen organisiert. Das relativiert vieles, was wir in Hamburg als Problem sehen. Die Menschen in der Ukraine kämpfen mit aller Kraft für ihre Freiheit und den Anschluss an die westlichen Demokratien. Wir sollten das unterstützen und können froh sein, bereits Mitglied in einer starken Gemeinschaft wie der EU und der NATO zu sein.