Hamburg. Verletzte Demonstrantinnen schließen Vergleich nach Schlagstock-Attacke nahe der Alster. Hamburger Gericht rügt Unverhältnismäßigkeit.
Fast sieben Jahre nach dem G20-Gipfel 2017 in Hamburg haben drei Demonstrantinnen in einem Vergleich wegen Verletzungen, die sie bei einem Polizeieinsatz unweit der Alster in Hohenfelde erlitten, einen Schadenersatz zugesprochen bekommen. Dem Vergleich haben die Klägerinnen, die Stadt Hamburg und die Polizei zugestimmt. Insgesamt wurden 1600 Euro für dokumentierte Verletzungen gezahlt. Das Verwaltungsgericht bestätigte dem Abendblatt den Vergleich, der auf Anregung des Gerichtes erzielt wurde.
Eine der Klägerinnen sagte dem Abendblatt, sie sei am 7. Juli 2017 bei einer Demonstration rund um den G20-Gipfel, die sie in der Gruppe der Globalisierungskritiker von Attac mitgemacht habe, von einem Polizisten von hinten auf den Kopf geschlagen worden. Sie sei verletzt zu Boden gefallen und habe eine mehrere Zentimeter lange Platzwunde erlitten. „Mir ist es nicht so sehr um den Schadenersatz gegangen, sondern darum, dass der Polizeieinsatz unverhältnismäßig war.“
G20 in Hamburg vor sieben Jahren: Vergleich und Schadenersatz für Demonstrantinnen
Das hat das Verwaltungsgericht Hamburg bestätigt. In einem Schreiben an den Anwalt der Klägerinnen heißt es: Nach einer „vorläufigen Würdigung der Sach- und Rechtslage“ bei einem Termin im Dezember gebe es „erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Polizeibeamte der Beklagten gegenüber Teilnehmern der Protestaktion“. Das Gericht hatte auch Videoaufnahmen des Polizeieinsatzes ausgewertet. Dennoch sei die Demo verboten und damit „aufzulösen“ gewesen, so das Gericht. Als zwei Frauen und ein Mann von Polizisten verletzt wurden, sei die Auflösung jedoch noch nicht bekannt gemacht worden.
Und: Die Polizisten hätten zwar auch mit Gewalt verhindern dürfen, dass die Demonstranten zur „Protokollstrecke“ an der Alster gelangen, wo zum Beispiel der damalige US-Präsident Donald Trump in seinem Konvoi zu den Messehallen unterwegs war. Doch der konkrete Einsatz gegen die Klägerinnen sei unverhältnismäßig gewesen. Die Richter schrieben der Polizeiführung „Mängel und Versäumnisse“ in der Einsatzplanung ins Stammbuch. Sie hätten auf die von Attac vorher im Internet beworbene Protestaktion besser eingestellt sein können.
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Das Gericht schrieb: „Offenbar wurden erst kurz vor bzw. kurz nach 7 Uhr überhaupt Kräfte in diese Gegend gerufen, und das – wie aus den auch im Erörterungstermin in Augenschein genommenen Filmaufnahmen ersichtlich ist – in völlig unzureichender Zahl und Ausstattung.“ Man verstehe, dass die „Vielzahl von Gefahrenlagen“ am ersten Tag des G20-Gipfels für Konfusion gesorgt habe. Die Zahl und selbst die Ausstattung der Beamten habe in einem „Missverhältnis“ zur Bedeutung der Strecke an der Alster gestanden.