Hamburg. Aufzug gegen G20-Prozess wird als „gewaltfrei“ eingestuft – trotz Böllern, Schlagstockeinsatz und einer verletzten Beamtin.

Vermummung, Böller- und Flaschenwürfe, Gerangel mit Beamten. Trotzdem wurde die Protestveranstaltung der linken Szene an diesem Wochenende mit dem Tenor „Gemeinschaftlicher Widerstand“, der im Zusammenhang mit dem laufenden Prozess gegen G20-Demonstranten wegen schweren Landfriedensbruchs steht, von der Polizei in einer Pressemitteilung als „gewaltfrei“ bezeichnet.

„Das ist eine von sehr hoher Toleranz geprägte Aussage“, sagt Thomas Jungfern, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Hätten sich beispielsweise Bauern bei ihren Demonstrationen auch nur annähernd vergleichbar verhalten, wäre nach seiner Einschätzung die Entrüstung groß gewesen.

Polizei Hamburg: Gewaltfrei? Bei Demo der linken Szene wird Nachsicht geübt

„Es werden bei der Einstufung von Demonstrationen schon unterschiedliche Maßstäbe angesetzt“, glaubt Jungfer. „In Hamburg ist man da traditionell auf dem linken Auge blind. Wir haben bei der Demonstration auch eine verletzte Polizistin zu verzeichnen. Sie hat ein Knalltrauma durch die Böllerwürfe erlitten.“

Wie gewaltbereit die Szene eingeschätzt wird, zeige auch der hohe Kräfteansatz der Polizei. Rund 1200 Beamte, so viele wie Demonstranten, waren im Einsatz. 135 Beamte waren aus anderen Bundesländern geholt worden. „Das ist auch nötig“, so Jungfer. „Die Szene testet ganz bewusst aus, was geht und wie die Polizei einschreitet.“

Großaufgebot der Hamburger Polizei musste Aufzug begleiten

So hatten bereits kurz nach Beginn des Aufzugs Teilnehmer Vermummung angelegt. Dazu wurden verbotene Transparente gezeigt. Erst nachdem die Einsatzkräfte den Demonstrationszug stoppten, wurde – so die Polizei – die Vermummung abgelegt. Danach kam es, so schreibt die Polizei in einer Mitteilung, „vereinzelt zu Flaschen- und Böllerwürfen auf Polizeibeamte, zum Abbrennen weiterer pyrotechnischer Gegenstände und dem Anlegen von Vermummungsgegenständen“.

Dabei gingen die Teilnehmer der Demonstration offenbar koordiniert vor. Damit die Täter nicht identifiziert oder die Taten dokumentiert werden konnten, spannten Demonstranten Regenschirme als Sichtschutz auf.

Polizei musste „unmittelbaren Zwang“ gegen Demonstranten einsetzen

Am Schulterblatt im Schanzenviertel musste laut Polizei „unmittelbarer Zwang“ eingesetzt werden, nachdem mit Schirmen nach Polizisten geschlagen wurde. „Unmittelbarer Zwang“ bedeutet Schlagstockeinsatz durch die Einsatzkräfte.

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„Es kommt nicht von ungefähr, dass bei Aufzügen der linken Szene in Hamburg ein hoher Kräfteansatz gefahren wird und im Fall der Demonstration am Sonnabend der Führungsstab der Polizei den Einsatz leitet“, so Jungfer. „Wir mussten die komplette Bereitschaftspolizei und mehrere Alarmhundertschaften einsetzen. Das ist ein Ausfluss aus jahrelangen Erfahrungen, die wir hier in Hamburg gemacht haben. Würden wir das nicht tun, würde nach meiner Einschätzung deutlich mehr Gewalt von solchen Demonstrationen ausgehen.“