Hamburg. Dem BUND ist die Umweltpolitik in Hamburg nicht konsequent genug – unter anderem, wenn es um die Bedürfnisse von Autofahrern geht.
Ihre Organisation hat in Hamburg etwa doppelt so viele Mitglieder wie die Grünen, nämlich mehr als 11.000 – und die Zahl wächst immer weiter. Woran liegt das? Was macht der Bund für Umwelt und Naturschutz anders (besser) als etwa die Parteien? Und wieso ist der Kampf um die Demokratie im Kampf gegen den Klimawandel so wichtig? Darüber spricht Sabine Sommer, Jahrgang 1975, in unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ (zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider). Das sagt die erste hauptamtliche Vorsitzende des BUND Hamburg über …
… ihren Ruf als „Öko“, den sie schon in der Schule hatte: „Ich bin im Hochtaunus-Kreis zur Schule gegangen, dem reichsten Landkreis Deutschlands. Mindestens zwei Drittel meiner Mitschülerinnen, ich war auf einer reinen Mädchenschule, hatten mit 18 ein eigenes Auto. Ich hatte das nicht, und ich wollte es auch nicht. Ich bin mit dem Bus gefahren. Ich war auch ganz vorn dabei, als es zum Beispiel ums Mülltrennen ging. Ich habe für den Natur- und den Umweltschutz schon immer sehr gebrannt und das auch bei jeder Gelegenheit deutlich gemacht. Ich weiß gar nicht, woher das kam, aber es steckte und steckt tief in mir. Alle haben damals gesagt, dass ich sicher später im Berufsleben etwas mit Umweltschutz machen würde. Tatsächlich habe ich aber erst einmal Literaturwissenschaft studiert …“
… Naturschutzverbände, die anders als die meisten Parteien in den vergangenen Jahren Mitglieder gewonnen haben, und die Gründe dafür: „Zum einen haben wir den praktischen Naturschutz, bei dem man zum Beispiel Bäume aus dem Moor entfernt. Das lockt viele Menschen an, die durch diese Arbeit wirklich das Gefühl haben können, ganz konkret etwas für die Umwelt getan zu haben. Zum anderen kann man bei uns zwar für eine Vielzahl von Problemen Lösungen entwickeln, konzentriert sich dabei aber auf die Themen Natur und Umwelt – und muss sich nicht auch noch mit anderen Themen wie etwa Bildung oder Innere Sicherheit beschäftigen. Die Kombination macht aus meiner Sicht ein Engagement in einem Umweltschutzverband wie dem BUND attraktiv.“
… die Aufgaben des BUND: „Wir machen das nicht für uns, dafür, dass der BUND gut dasteht und seine Ziele durchsetzt. Es geht um unser aller Lebensgrundlage und um die Frage, wie wir das bewahren können, was uns ausmacht. Uns ist doch allen klar, dass Klimaschutz kommen muss und dass wir Fossilfreiheit erreichen müssen. Darüber gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, und trotzdem wird über den Weg dorthin so viel gestritten. Wir als Umweltverbände haben die Aufgabe, Klima- und Naturschutz erlebbar zu machen, auch in kleinen Schritten. Wir müssen den Menschen zeigen, warum wir das machen, was wir machen, und wo das hinführen kann. Ein Problem unseres Gehirns ist ja, dass wir nicht ständig daran denken, was in zwanzig Jahren passiert, sondern dass wir darauf gepolt sind, auf Gefahren zu reagieren, die konkret und akut sind – und der Klimawandel ist für viele Menschen noch ein abstraktes Phänomen. Dabei muss man sich nur ansehen, wie viele Waldbrände es im vergangenen Jahr nur in Europa gegeben hat …“
… die Inkonsequenz der Politik: „Die Politik ist in Sachen Umweltschutz nicht konsequent, und das treibt uns als BUND-Mitglieder auf die Palme. Man denke nur an den Neubau der A 26-Ost – ich könnte aus dem Stehgreif zehn Gründe aufzählen, die gegen den Bau dieser Autobahn sprechen. Ich frage mich schon, warum man im Jahr 2024 noch eine Autobahn bauen muss.“
… die Frage, ob demokratische oder autoritäre Systeme im Kampf gegen den Klimawandel erfolgreicher sein können: „Demokratische Systeme sind zwar langsamer, auch wenn es um den Kampf gegen den Klimawandel geht, kommen aber in der Regel zu sehr guten Ergebnissen. Was daran liegt, dass wir einen Perspektivenreichtum in den Diskussionen erleben, dass Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen und Meinungen sich einbringen können. Das geht so nur in einer Demokratie. Wir rufen deshalb gerade auch zu den Demonstrationen gegen Extremismus in unserem Land auf, weil es für den BUND und seine Anliegen ein Riesenproblem wäre, wenn wir nicht in einer Demokratie leben würden. Dann würden die Themen, über die wir sprechen und die für unsere Gesellschaft existenziell sind, nämlich nicht mehr verhandelt. Wir kämpfen sehr für den Erhalt der Demokratie und brauchen trotzdem einen Umbau zu mehr Klimaschutz, der aber sozial gedacht werden muss. Das eine gegen das andere auszuspielen, wäre fatal, weil ich dann eine schon bestehende Spaltung in der Gesellschaft verstärke und Widerstände produziere, die gar nichts bringen.“
Entscheider treffen Haider
- Mona Harry: „Das beste Publikum ist das auf dem Dorf“
- Jürgen Hunke: „Die Reichen müssen ihre Rolle überdenken“
- Julia-Niharika Sen: „Mit 16 bin ich ausgezogen“
… die Frage, was sie Leuten erwidert, die sagen, dass sie im Moment keinen Kopf dafür haben, sich um Klimathemen zu kümmern: „Natürlich habe ich Verständnis für Menschen, die gerade angesichts der vielen Krisen, die wir gerade erleben, sagen, dass sie im Moment andere Themen haben als den Klima- oder Naturschutz. Trotzdem müssen wir an die Zukunft denken, und deshalb freue ich mich über jeden Menschen, der mitmacht. Oft sind die Menschen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, übrigens gar nicht die großen Verursacher. Im Verkehr in Hamburg und anderen Großstädten sieht man das besonders gut: Wer wohnt eigentlich an den Hauptverkehrsstraßen? Das sind nicht die, die unbedingt ein Auto besitzen.“