Hamburg. 46-Jähriger starb nach Messerattacke in Nienburg durch Polizeikugeln. Zuvor hatte er in Harburg vier Bundespolizisten attackiert.
Die Tat am Osterwochenende hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Polizisten haben am Bahnhof Nienburg bei Bremen einen 46 Jahre alten Mann erschossen. Eine Polizistin wurde bei dem Einsatz lebensgefährlich verletzt. Jetzt kommt heraus: Bundespolizei und Staatsanwaltschaft wollten den aus Gambia stammenden Mann nach einem Vorfall am Bahnhof in Hamburg-Harburg aus dem Verkehr ziehen. Doch der zuständige Haftrichter in Hamburg sah keine Haftgründe. So kam der Mann, bei dem möglicherweise ein islamistischer Hintergrund besteht, einen Tag vor den tödlichen Schüssen in Nienburg wieder auf freien Fuß.
Am 28. März hatte der 46-Jährige nach Informationen des Abendblattes Bundespolizisten im Bahnhof Harburg mit einem Messer angegriffen. Der 46-Jährige war zuvor mit auf die Wache genommen worden, weil er als Schwarzfahrer erwischt worden war und sich nicht ausweisen wollte. An der Polizeiwache im Bahnhof eskalierte die Situation. Der Mann zog ein Messer, das er versteckt getragen hatte, und ging auf vier Bundespolizisten los. Dabei versuchte er, auf die Polizisten einzustechen. Dabei solle er auch „Allahu Akbar“, übersetzt „Gott ist groß“, gerufen haben.
Messerattacke Nienburg: Erschossener hatte bereits in Hamburg Bundespolizisten angegriffen
Die Bundespolizisten setzten Schlagstöcke und Pfefferspray ein und brachten den 46-Jährigen so zu Boden. Der Mann blieb in der Zelle. Drei der beteiligten Beamten wurde bei der Auseinandersetzung mit dem Mann verletzt. Einer der Beamten erlitt Schnittverletzungen an der Hand, einem zweiten Polizisten wurde die Schulter ausgekugelt. Dem dritten Beamten wurden Teile eines Schneidezahns ausgeschlagen.
Die Bundespolizei regte einen Haftbefehl – unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, aber auch anderer Delikte – gegen den 46-Jährigen an, der am Tag danach von der Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht beantragt wurde.
Staatsanwaltschaft Hamburg hatte vergeblich gegen den Mann einen Haftbefehl beantragt
„Am vergangenen Donnerstag wurde der Beschuldigte T. am Bahnhof Harburg festgestellt und wegen des Verdachts des Erschleichens von Leistungen, der Bedrohung und des Widerstandes nach Einbeziehung der Staatsanwaltschaft Hamburg der Untersuchungshaftanstalt zugeführt“, so Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering. Am Karfreitag beantragte die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Haftbefehls wegen der genannten Taten. Oechtering: „Das zuständige Amtsgericht lehnte den Erlass eines Haftbefehls jedoch ab, da keine Haftgründe gegeben seien, insbesondere keine Fluchtgefahr.“ In Hamburg war der Mann bis zu dem Zeitpunkt nicht im Zusammenhang mit Straftaten bei der Staatsanwaltschaft aufgefallen.
So kam der 46-Jährige, der nach Informationen des Abendblattes am 3. Januar 2019 nach Deutschland eingereist war und eine Duldung bekam, wieder auf freien Fuß. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaftanstalt ist er zurück nach Nienburg gefahren, wo er gemeldet ist.
Am Tag nach seiner Entlassung aus dem Untersuchungsgefängnis kam es in Nienburg zu den tödlichen Schüssen
Am Tag darauf kam es in Nienburg am Bahnhof zu dem folgenschweren Einsatz. Der 46-Jährige soll zunächst seine Freundin mit einem Messer in einer Wohnung bedroht haben. Die flüchtete auf die Straße und wurde von dem Mann verfolgt.
Dort traf er auf die alarmierten Polizisten. Auch in dem Fall soll der 46-Jährige nach Informationen des Abendblattes „Allahu Akbar“ gerufen und einschreitenden Polizisten gegenüber geäußert haben, dass er keine Angst vor dem Tod habe. Als er mit einem Messer auf einen Polizeihund einstach und das Tier schwer verletzte, setzten die Beamten ihre Schusswaffen ein. Dabei wurde der 46-Jährige getroffen. Eine der Polizeikugeln, die den Mann offenbar verfehlt oder durchschlagen hatte, traf eine eingesetzte Beamtin. Sowohl der 46-Jährige als auch die Polizistin kamen ins Krankenhaus. Dort erlag der Mann aus Gambia seinen Verletzungen.
Messerattacke Nienburg erinnert an Brokstedt
Warum der Mann innerhalb so kurzer Zeit zweimal so extrem ausrastete, ist unklar. So soll geprüft werden, ob er unter Drogen stand, psychisch krank war oder ob er sich radikalisiert hatte und ein islamistischer Hintergrund bei den Taten vorliegt
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Der Fall erinnert an den doppelten Messermord von Brokstedt, bei dem Anfang 2023 ein 34-Jähriger aus Gaza eine 17-Jährige und ihren Freund (19) in einem Regionalzug tötete. Messerstecher Ibrahim A., so wurde nach der Tat bekannt, hatte sich während einer Haftstrafe in Hamburg mit dem Islamisten und Attentäter Anis Amri verglichen, der 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz einen Anschlag verübte, bei dem 13 Menschen starben.
Informationen waren unter den beteiligten Stellen nicht ausreichend ausgetauscht worden. Im Anschluss waren Konsequenzen gefordert und ein bislang zu großen Teilen nicht umgesetztes Zehn-Punkte-Papier vorgestellt worden, dessen Kern eine bessere Kommunikation zwischen Behörden in Bezug auf mögliche Gefährder ist.