Hamburg. Linken-Abgeordnete warnt: Von Verzögerungen betroffene Menschen müssten hungern, wenn sie keine Rücklagen mehr haben.

Mehr als 55.600 Menschen in Hamburg bekommen derzeit Hilfen zum Lebenshaushalt nach SGB XII, also Sozialhilfe oder eine Grundsicherung im Alter. Für die Bearbeitung von Anträgen und für die Auszahlung dieser Hilfen sind die Sozial- und Grundsicherungsämter in Hamburgs Bezirken zuständig. Ob das in allen Behörden reibungslos funktioniert, ist fraglich – darauf deutet zumindest die Senatsantwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Olga Fritzsche hin.

Demnach verzeichnete das Sozial- und Grundsicherungsamt in Hamburg-Mitte im vergangenen Jahr 300 Überlastungsanzeigen von Mitarbeitern. In diesem Jahr gingen dort bereits 80 solcher Meldungen ein. Dagegen gab es 2023 in Altona, Bergedorf und Harburg keine einzige Überlastungsanzeige; im Sozial- und Grundsicherungsamt Hamburg-Nord gab es zwölf Anzeigen, in Eimsbüttel waren es sieben, in Wandsbek gab es zwei Überlastungsanzeigen.

Hamburger Senat: Wegen Personalmangel in Ämtern sind Verzögerungen möglich

Wie aus der Senatsantwort hervorgeht, sollten zum Stichtag 1. Januar 2024 im Sozial- und Grundsicherungsamt in Hamburg-Mitte eigentlich rund 79 Planstellen besetzt sein. Gemessen in sogenannten „Vollzeitäquivalenten“ (VZÄ) waren allerdings nur rund 66 Stellen vergeben. Die durchschnittliche Fehlzeitenquote im ersten Quartal 2024 lag bei 12,2 Prozent – der zweithöchste Wert nach Altona (17,8 Prozent). Am niedrigsten lag die Fehlzeitenquote mit 5,6 Prozent in Bergedorf.

Dem Senat zufolge standen die Sozial- und Grundsicherungsämter in den vergangenen Jahren vor „erheblichen Herausforderungen“, etwa wegen der Einführung des Bundesteilhabegesetzes, wegen der Einführung einer neuen Software und Bewilligungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, bedingt durch viele Geflüchtete aus der Ukraine. Um all das zu bewältigen, seien „umfassende Maßnahmen“ ergriffen worden, so der Senat. Allerdings: „Durch Stellenvakanzen, urlaubs- und krankheitsbedingte, zum Teil längerfristige Abwesenheiten kann es dennoch weiterhin zu Verzögerungen in der Bearbeitung kommen.“

Abgeordnete: Betroffene „müssen hungern, wenn sie keine Rücklagen mehr haben“

Olga Fritzsche von der Linken-Fraktion befürchtet, dass diese Situation schlimme Folgen haben kann. „Besonders dramatisch ist die Lage für die betroffenen Antragstellerinnen und Antragsteller, die in der Regel keine Chance haben, die wochen- und monatelangen Verzögerungen finanziell abzufedern. Sie müssen hungern, wenn sie keine Rücklagen mehr haben.“ Es sei oft auch kaum noch möglich, im Sozialamt mit zuständigen Mitarbeitenden zu sprechen, wenn man Rat oder Hilfe suche. „Das verschärft den Druck und die Verunsicherung der Betroffenen.“

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Gegen die Entscheidung der Sozial- und Grundsicherungsämter können Antragsteller Widerspruch einlegen. Wie oft das geschieht und wie viele Widersprüche erfolgreich sind, wird laut Senat im Sozial- und Grundsicherungsamt in Hamburg-Mitte allerdings nicht erfasst – im Unterschied zu den anderen bezirklichen Ämtern der Stadt, die Statistiken hierzu führen. Nach Einschätzung von Olga Fritzsche ist dies ein weiterer Beleg für die Überlastung in Hamburg-Mitte.

Linke: Ämter haben für zusätzliche Arbeit keine Reserven mehr

„Jahrelang wurde unter Verweis auf die Schuldenbremse Personal abgebaut“, sagt die Linken-Abgeordnete. „Wenn dann noch als Folge von Krisen ein erhöhtes Antragsaufkommen die Arbeit in den Ämtern weiter verdichtet, gibt es keine personelle Reserve mehr, um das abzufangen.“

Der Senat habe eine besondere Verantwortung gegenüber bedürftigen Bürgern und gegenüber seinen besonders belasteten Mitarbeitenden, sagt Fritzsche. Ihre Fraktion fordert eine „nachhaltige Erhöhung des Personalschlüssels, vorrangig in den Ämtern für existenzsichernde Leistungen“.