Hamburg. Zuletzt gab es immer neue Berichte über unhaltbare Zustände für Mitarbeiter. Neue Zahlen zeigen, wo die Arbeit besonders belastend ist.
Mobbing bei der Feuerwehr und in Behörden, immer mehr Arbeit bei fehlendem Personal: Zuletzt gab es immer wieder Berichte über extrem belastende Arbeitssituationen in der Hamburger Verwaltung. Nun hat der Senat offizielle Zahlen zu Mobbing und Überlastung vorgelegt – in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Bürgerschaftsabgeordneten David Stoop.
Demnach gibt es zwar mittlerweile in vielen Behörden und Bezirksämtern Dienstvereinbarungen zum Umgang mit Mobbing, sexuellen Übergriffen oder anderem Fehlverhalten. Allerdings haben diese offenbar keine positive Wirkung auf das Arbeitsklima. Denn laut den offiziellen Zahlen des Senats wurde bis auf eine Ausnahme in keinem Amt und keiner Behörde auch nur ein einziger Konflikt- oder Mobbingfall mithilfe der Vereinbarungen bearbeitet.
Mobbing Hamburg: Ansprechpartner fehlen. Nur eine Behörde nimmt Probleme offenbar ernst
Lediglich in der Schulbehörde scheint man das Thema halbwegs ernst zu nehmen. Hier sind laut Senatsangaben in den vergangenen drei Jahren 20 Fälle von eskalierten Konflikten unter der „Dienstvereinbarung zu fairem Verhalten am Arbeitsplatz“ erfasst und bearbeitet worden – alle in der Beratungsstelle für Krisenbewältigung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung.
Auch gibt es bis heute nicht in allen Behörden offizielle Ansprechpartner für Mobbing und andere schwere Konflikte am Arbeitsplatz. Die Behörde von SPD-Finanzsenator Andreas Dressel, zu der auch die Steuerverwaltung und die Hamburger Münze gehören, hat gar keinen Ansprechpartner benannt. Dort heißt es nebulös, es gebe einen „einzelfallbezogenen Umgang mit Mobbingfällen“ und Mobbingfälle würden durch die Amtsleitung bearbeitet. Das überrascht, spielen doch bisweilen auch Konflikte gerade mit der Leitungsebene eine Rolle bei Mobbingthemen.
Behörden Hamburg: Wo es die meisten offiziellen Mobbingfälle gegeben hat
Extrem gering fällt dementsprechend die Zahl der offiziell vom Senat mitgeteilten Mobbingfälle aus den Jahren 2021, 2022 und dem laufenden Jahr (bis 11. September) aus. Demnach sind in diesen mehr als zweieinhalb Jahren lediglich neun Mobbingfälle in der Hamburger Verwaltung erfasst worden – bei insgesamt rund 78.000 Beschäftigten. Spitzenreiter ist die Justizbehörde von Senatorin Anna Gallina (Grüne) mit zwei Fällen im Jahr 2022 und drei im laufenden Jahr.
Es folgen die Innenbehörde von Senator Andy Grote (SPD) mit zwei Mobbingfällen im vergangenen Jahr, das Bezirksamt Wandsbek mit einem Fall im Jahr 2022 und die Finanzbehörde von SPD-Senator Dressel mit einem Fall im Jahr 2021.
Linke kritisiert: Mechanismen zum Schutz vor Mobbing greifen nicht
„Die Antwort des Senats auf unsere Anfrage zeigt, dass die Mechanismen zur Prävention von Mobbing in den Hamburger Behörden nicht greifen“, sagt Linken-Politiker Stoop. „Dem Senat sind kaum Fälle bekannt, die Dunkelziffer ist hoch. Das ist auch kein Wunder, denn die Ansprechpartner*innen für Mobbingfälle sind oft Teil der Behördenhierarchie. Viele Betroffene trauen sich deshalb nicht, offen über ihre Probleme zu sprechen.“
Dienstvereinbarungen würden so gut wie nie angewendet, kritisiert der gewerkschaftspolitische Sprecher Stoop. „In der Finanzbehörde, wo sich ja ebenfalls Betroffene an die Presse gewandt haben, gibt es überhaupt keine Ansprechperson. Kein Wunder, dass sich Betroffene allein gelassen fühlen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.“
Behörden Hamburg: Hunderte Überlastungsanzeigen zeugen von großem Stress
Der Senat müsse „endlich seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nachkommen und eine wirksame Strategie gegen Überlastung und Mobbing entwickeln“, so Stoop. „Die existierenden Mechanismen sind offensichtlich unzureichend.“
Hinzu kommt: In vielen Bereichen der Hamburger Verwaltung sind auch die Arbeitsbelastung und der Stress weiterhin sehr hoch. Das zeigen die in der Senatsantwort aufgeführten Zahlen zu Überlastungsanzeigen. Mit einer Überlastungsanzeige melden Beschäftige, dass sie angesichts des aktuellen Arbeitsaufkommens nicht mehr in der Lage sind, die ihnen zugewiesenen Aufgaben vollständig und sachgerecht zu erledigen und die Situation sie oder andere gefährdet.
Überlastung: In welchen Behörden die Situation zuletzt am schlimmsten war
Die meisten Überlastungsanzeigen hat es im laufenden Jahr mit 131 Fällen im Bezirksamt Mitte gegeben, an zweiter Stelle findet sich das Bezirksamt Hamburg-Nord mit 100 Anzeigen. Es folgt die Justizbehörde mit 76 Überlastungsanzeigen, von denen allerdings laut Senat 61 von nur einer Person erstattet wurden. Besonders hoch ist der Druck auch in der Umweltbehörde von Senator Jens Kerstan (Grüne) mit schon 35 Überlastungsanzeigen im laufenden Jahr. Es folgen Bezirksamt Altona (27 Anzeigen), Bezirksamt Wandsbek (23), Bezirksamt Eimsbüttel (21) und Innenbehörde (21).
Eine Folge hoher Belastung ist oft ein hoher Krankenstand. Hier liegt laut der Senatsantwort der Landesbetrieb Gebäudereinigung ganz vorne mit einer Fehltagequote von 24,2 Prozent (bezogen auf alle Kalendertage). Es folgen Hamburgische Münze (14,5), Landesbetrieb Verkehr (13,5 Prozent), Bezirksamt Wandsbek (9,9), Bezirksamt Mitte (9,2), Sozialbehörde (7,7) und Innenbehörde (7,7 Prozent Fehlquote).
Mobbing und Stress: „Senat muss seiner Fürsorgepflicht endlich nachkommen“
„Eine strukturelle Ursache von Überlastung ist der weiterhin bestehende Personalmangel, der für viele Beschäftigte zu einer stark belasteten Arbeitssituation führt“, so das Fazit von Linken-Politiker Stoop. „Der Senat muss endlich seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nachkommen und eine wirksame Strategie gegen Überlastung und Mobbing entwickeln. Die existierenden Mechanismen sind offensichtlich unzureichend.“