Hamburg. 2023 gab es 13.763 Verdächtige unter 21 Jahren, darunter 226 Intensivtäter. Was der Senat unternimmt, was die Opposition fordert.
- 226 Intensivtäter in Hamburg, vier sind jünger als 14 Jahre.
- CDU fordert: Justiz und Polizei müssen gegensteuern.
- Im „Obachtverfahren“ wird das von jungen Gewalttätern ausgehende Risiko bewertet.
Sie zocken Mädchen und Jungen ab, misshandeln Gleichaltrige, stellen die Filme der Demütigungen ins Internet, verbreiten mit Messern Angst und Schrecken: 226 junge Hamburger und Zugereiste hat die Polizei als Intensivtäter erfasst. Darunter sind zehn Mädchen und junge Frauen. Vier der 226 Intensivtäter sind jünger als 14 Jahre. Diese Zahlen nennt der Senat jetzt in Bezug auf eine Große Anfrage der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft.
Demnach ist die Zahl aller Tatverdächtigen, die jünger sind als 21 Jahre, 2023 erneut gestiegen – um 846 oder sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In ihrer Kriminalstatistik für 2023 hat die Hamburger Polizei insgesamt 13.763 Tatverdächtige unter 21 registriert. Von Tatverdächtigen ist die Rede, solange kein Urteil ergangen ist.
Dramatischer Anstieg bei Jugendgewalt: CDU fordert Konsequenzen
Dennis Thering macht die Entwicklung „Sorge. Sie passt leider in das Bild, dass Hamburg unter SPD und Grünen immer unsicherer wird. Gerade bei jungen Ersttätern müssen Justiz und Polizei mit aller Konsequenz gegensteuern, damit diese nicht auf die schiefe Bahn geraten“, sagt der Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU.
Die Gesamtzahl der jungen Verdächtigen ist 2023 genauso gestiegen wie die Zahl der Beschuldigten, die sich vor Jugendgerichten verantworten mussten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Anstieg der Tatverdächtigen unter 21 Jahren mit sieben Prozent in etwa auf dem Niveau aller Altersgruppen liegt. Vergleicht man die Zahlen von 2023 mit denen von 2004, so sank der Anteil der jungen Verdächtigen sogar sehr deutlich um 25,9 Prozent. Auch ist die Zahl der Intensivtäter – die meisten von ihnen haben die deutsche Staatsangehörigkeit (145), gefolgt von Syrien (15), Afghanistan (12) und Marokko (8) sowie Irak (7) – rückläufig.
Stärkster Anstieg in der Gruppe der 14- bis 18-Jährigen
Die 13.763 jungen Tatverdächtigen teilen sich in drei Altersgruppen auf: in Kinder unter 14, Jugendliche unter 18 und Heranwachsende unter 21. Den stärksten Anstieg der Kriminalitätszahlen gab es mit mehr als zehn Prozent unter den Jugendlichen (5676). Die Polizei listet zudem 5273 Verdächtige zwischen 18 und 21 auf. Das entspricht einem Plus von neun Prozent in dieser Altersgruppe.
Lediglich in der Gruppe der tatverdächtigen Kinder ist die Zahl 2023 rückläufig. Die Polizei ordnet 2814 Mädchen und Jungen, die jünger sind als 14, Straftaten zu. Das entspricht einem Minus von 4,4 Prozent. Gesunken ist 2023 auch der Anteil der Kinder ohne deutschen Pass an allen tatverdächtigen Kindern – und zwar von 40,1 im Jahr 2022 auf 36,4 Prozent. Gestiegen gegenüber 2022 ist die Zahl der Ladendiebstähle (+ 65) und leichten Körperverletzungen (+ 51) von Kindern.
Etliche Jugendgewalttaten auch am Jungfernstieg
Körperverletzungen, Messerstechereien, Raube: Etliche Gewalttaten am Jungfernstieg gehen auf das Konto von Jugendgruppen. Auf die ausufernde Kriminalität mitten in der Stadt hatte die Polizei im Sommer reagiert und die Soko „Alster“ aufgestellt. Deren Erkenntnisse: Die meisten Verdächtigen zwischen 14 und 20 Jahren hätten Migrationshintergrund – viele kämen aus Afghanistan – und lebten in Folgeunterkünften für Flüchtlinge oder städtischen Jugendwohnungen.
Diese „höhere Kontrolltätigkeit insbesondere im Bereich der Hamburger Innenstadt“ nennt der Senat in der Antwort auf die CDU-Anfrage als Grund für den Anstieg der Gesamtzahlen. Ein „Fallzahlanstieg bedeutet nicht unbedingt, dass es zu mehr Straftaten kam, sondern, dass mehr Taten polizeilich bekannt wurden“, argumentiert der Senat. Für die CDU ist das ein Rechtfertigungsversuch.
Kinderkriminalität in Schleswig-Holstein auf Zehnjahreshoch
Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack hatte vergangenen Donnerstag einen ähnlichen Trend bei der Jugendkriminalität auch für ihr Bundesland öffentlich gemacht. Danach hat die Polizei im nördlichsten Bundesland in allen drei Altersgruppen unter 21 einen Anstieg registriert: Bei den Kindern, den Jugendlichen und den Heranwachsenden.
Die Straftaten aus der Gruppe der Kinder liegen hier sogar auf einem Zehnjahreshoch; die Zahl ist 2023 gegenüber 2022 um fast zehn Prozent auf 3722 gestiegen. Dazu muss man wissen: Jungen und Mädchen unter 14 Jahren sind strafunmündig, ein Kind kann juristisch nicht belangt werden, so wie ein Zwölfjähriger aus Uetersen. Erst vor einer Woche war der erschütternde Fall aus dem Hamburger Umland öffentlich geworden. Der Junge hatte einen Gleichaltrigen geschlagen, gewürgt und gedemütigt. Filmaufnahmen der Misshandlung landeten postwendend im Internet.
Jugendgewalt – was das „Obachtverfahren“ bringt
Zurück nach Hamburg und dem „Obachtverfahren Gewalt unter 21“. Dabei werden die „gewaltauffälligsten Personen unter 21 Jahren unter besondere Beobachtung der zuständigen Behörden“ gestellt, so der Senat. Zuletzt waren das sieben Kinder, 68 Jugendliche und 56 Heranwachsende. Wöchentlich wird das Risiko dieser jungen Gewalttäter neu bewertet und mithilfe eines Ampelsystems eingeordnet. Es kommt zu Fallkonferenzen der beteiligten Behörden. Heißt: Polizei, Bewährungshilfe, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe haben diese Klientel unter ständiger Beobachtung.
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Das Ergebnis beschreibt der Senat so: „Bei einem hohen Anteil der Personen auf der Obachtliste wird … festgestellt, dass sie mindestens ein Jahr lang keine neuen Gewalttaten mehr begangen haben und dementsprechend aus dem Obachtverfahren entlassen werden können.“
CDU: Präventionsunterricht auf Klasse 4 ausweiten
Die Anfrage der CDU an den Senat legt bloß, dass es in den Dienstgruppen des polizeilichen Jugendschutzes zahlreiche offene Stellen gibt. „Dringend notwendig ist die umgehende Besetzung“, sagt CDU-Chef Thering. Er fordert zudem, dass der verpflichtende Präventionsunterricht in den Klassen 5 bis 8 auch tatsächlich flächendeckend angeboten und eine Ausweitung auf die Klassenstufe 4 geprüft werde.
So ist nach Senatsangaben im Schuljahr 2022/2023 an 74 weiterführenden Schulen der Präventionsunterricht ausgefallen, da nicht genügend geschulte Beamte Zeit hatten. Das nennt die CDU „in Anbetracht der steigenden Kinder- und Jugendkriminalität inakzeptabel“.