Hamburg. Rückgang geht weiter, aber Flotte wird modernisiert, 18 neue Stationen in Hamburg geplant. CDU spricht von einer „düsteren Bilanz“.
- Immer mehr StadtRäder in Hamburg, aber weniger Ausleihen
- Neue Zahlen belegen Trend auch für dieses Jahr
- CDU: StadtRad unter Rot-Grün unattraktiv für Hamburgs Bürger geworden
Es war ein Erfolgsmodell aus Hamburg, das bundesweit Maßstäbe setzte. Seit 2009 gehören die roten StadtRäder zum Straßenbild der Metropole – und es kommen immer neue Stationen dazu. Auch für dieses Jahr sind weitere StadtRad-Stationen geplant; die Flotte der Räder wird derzeit modernisiert; die Zahl der Räder wuchs von zu Beginn 800 auf jetzt 3892. Die Begeisterung der Hamburgerinnen und Hamburger allerdings wuchs nicht im gleichen Maße mit – im Gegenteil: Die Nachfrage nach dem Leihfahrradsystem, das die Deutsche Bahn (DB) für die Stadt betreibt, ist noch weiter rückläufig. Das zeigen neue Zahlen aus dem laufenden Jahr.
So hat sich die Zahl der StadtRad-Ausleihen seit dem Spitzenjahr 2016 halbiert, wie aus den Senatsantworten auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker und Dennis Thering hervorgeht. Damals wurde erstmals die Drei-Millionen-Marke geknackt; die Betreiber konnten nach einem kontinierlichen Anstieg in den Vorjahren 3.044.000 Ausleihvorgänge registrieren.
StadtRad Hamburg: Zahl der Ausleihen hat sich halbiert
Danach sanken die Zahlen, im Januar 2019 kam ein umrüstungsbedingter Systemstillstand dazu, 2020 wurde eine neue App eingeführt. In diesem ersten Corona-Jahr wurden die StadtRäder noch 2.215.184-mal ausgeliehen. Im abgelaufenen Jahr 2023 sind es nunmehr nur noch insgesamt 1.510.185 Ausleihen – knapp halb so viele wie 2016. Dennoch wurden allein in den ersten Monaten dieses Jahres bereits vier neue Ausleihstationen eingerichtet, weitere 18 sind 2023 in Planung, wie der Senat mitteilt.
Die CDU sieht das kritisch. Zwar nimmt sie für sich in Anspruch, das StadtRad-System zu Recht in Hamburg eingeführt zu haben; 2009 regierte ein schwarz-grüner Senat unter Bürgermeister Ole von Beust (CDU) die Stadt. Es sei als „erfolgreiches Fahrrad-Ausleihmodell bis weit über die Grenzen Hamburgs bekannt geworden und war Vorreiter für viele andere Projekte im Bereich der Fahrradmobilität“, so die CDU in ihrer Anfrage. Allerdings hätten sich die Zeiten geändert, die Ausleihzahlen gingen stark zurück. „Insofern erscheint die Senatsstrategie des stetigen Ausweitens des StadtRad-Netzes fragwürdig.“
CDU: „StadtRad unter Rot-Grün unattraktiv geworden“
Die ursprünglich gute Idee reihe „sich unter Rot-Grün leider immer mehr in die lange Reihe gescheiterter Verkehrsprojekte ein“, sagt Richard Seelmaecker, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Er verweist nicht nur auf die Halbierung der Ausleihvorgänge seit 2016. „Im Vergleich zu 2019 ist es ein Rückgang um 43 Prozent, während der allgemeine Fahrradverkehr laut Senatsangaben im gleichen Zeitraum von 2019 bis 2023 um 28 Prozent gestiegen ist. Dies belegt leider klar: Das StadtRad ist unter Rot-Grün völlig unattraktiv für Hamburgs Bürger geworden“, so Seelmaecker.
Die ersten Daten für 2024 bestätigen diesen Trend, wie eine weitere aktuelle Senatsantwort auf eine CDU-Anfrage zeigt. Ende April 2024 waren demnach rund 245.100 Nutzerinnen und Nutzer auf der Leihplattform registriert, Ende Dezember 2023 waren es noch rund 240.600.
Neue Zahlen: Noch mal weniger Ausleihen im Frühjahr 2024
Wie aus der Senatsantwort weiter hervorgeht, wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres 402.461 Ausleihen der roten Räder registriert. Von Anfang Januar bis Ende April 2023 waren es 422.810 Ausleihen. Das entspricht einem Rückgang von 4,8 Prozent. Viele Menschen, die bei Stadtrad Hamburg registriert sind, nutzen das System den Zahlen zufolge nicht aktiv: Der Anteil der aktiven Nutzer schwankte im ersten Quartal 2024 laut Senat monatlich zwischen sechs und zwölf Prozent.
Auch die Anzahl der registrierten Nutzer hat sich im langfristigen Trend massiv verringert: Heute gebe es über 50 Prozent weniger registrierte Kunden als noch im Jahr 2019. Zwar sind nach Senatsangaben aktuell 242.593 Nutzerinnen und Nutzer über StadtRad Hamburg angemeldet. Von ihnen haben aber nur 44 Prozent tatsächlich mindestens einmal eines der roten Räder ausgeliehen.
Für Seelmaecker ist die „Entwicklung also eindeutig: Die Nutzung sinkt dramatisch, doch der Senat hält stur an seinem falschen Kurs fest“. Es werde weiter in das System investiert. „Eine strategische Neuausrichtung des StadtRads ist nicht zu erkennen.“ Gut möglich, dass auch die Einführung der flexibleren E-Scooter dem StadtRad Konkurrenz macht.
StadtRad-Flotte wird modernisiert und soll attraktiver werden
Tatsächlich wird die Rad-Flotte derzeit umfangreich modernisiert. Die neuen Leihräder bekommen eine digitale Schlosstechnik und brauchen künftig nicht mehr angeschlossen zu werden – Riegel herunterdrücken, fertig. Aber das sogenannte IoT-Schlosssystem ist nicht die einzige Neuerung. So können Fahrtpausen künftig per App eingelegt werden. Zudem sind die neuen Räder mit Frontkörben ausgestattet, Die neue Schlosstechnik soll nicht nur handlicher, sondern auch weniger reparaturanfällig sein.
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Das ist vermutlich nötig. Laut Senatsantwort auf die Kleine Anfrage der CDU-Fraktion gab es im Jahr 2023 insgesamt 36.255 Reparaturen an den roten Rädern. „In der Fahrradwerkstatt sind aktuell 30 Mitarbeiter:innen und 2 Auszubildende angestellt. Zusätzlich arbeitet die DB Connect GmbH mit Dienstleistungsunternehmen zusammen, um saisonale Schwankungen im Service auszugleichen“, heißt es dazu. Unterm Strich wird im Juni 2024 rund die Hälfte der StadtRad-Flotte modernisiert sein. Die Umrüstung aller Räder soll voraussichtlich bis zum Jahresende abgeschlossen werden.
Behörde: „StadtRad wichtiges Puzzlestück für die erfolgreiche Mobilitätswende“
In der Verkehrsbehörde weist man die Kritik denn auch zurück: „Hamburgs StadtRäder wurden im Jahr 2023 über 1,5 Millionen Mal ausgeliehen und sind damit nach wie vor ein wichtiges Puzzlestück für die erfolgreiche Mobilitätswende“, sagt Behördensprecher Dennis Krämer auf Anfrage. „Derzeit investieren wir vor allem gemeinsam mit der Bahn als Betreiberin in die Modernisierung der Flotte mit dem Ziel, diese noch nutzerfreundlicher zu machen.“ Durch die digitalen Schlosssysteme entfalle der manuelle Auf- und Abschließvorgang, dies geschieht zukünftig per App. „Dadurch wird die Ausleihe noch einfacher und schneller, die Räder können innerhalb von wenigen Sekunden entliehen werden.“
Und der Ausbau geht weiter: Ende 2023 waren in Hamburg 313 StadtRad-Stationen in Betrieb, die meisten in Hamburg-Mitte (92), Hamburg-Nord (69) und Eimsbüttel (48). Vier weitere wurden bereits 2024 in Betrieb genommen (S-Bahnhof Hochkamp, S-Bahnhof Diebsteich, Bundesstraße und Ernst-Bergeest-Weg). Bis zum Ende des Jahres 2024 sollen nach Angaben des Senats voraussichtlich an den 18 folgenden Standorten neue StadtRad-Stationen errichtet werden:
- Danziger Straße / Rostocker Straße
- Carl-Petersen-Straße / Stoeckhardtstraße
- Überseeallee / Magdeburger Brücke
- S-Bahnhof Ottensen / Thomasstraße
- S-Bahnhof Blankenese / Erik-Blumenfeld-Platz
- Nienstedtener Marktplatz / Sophie-Rahel-Jansen-Straße
- August-Kirch-Straße / Max-Schmeling-Straße (temporäre Station zur EM 2024)
- Wendlohstraße / Braunlager Weg
- Tarpenbekstraße / Ernst-Thälmann-Platz
- Alsterkrugchaussee / Preetzer Straße
- Gewerbegebiet Hamburg-Nord / Sportallee
- Erdkampsweg / Hummelsbütteler Landstraße
- Tangstedter Landstraße / Asklepios Klinik Nord
- S-Bahnhof Poppenbüttel / Stormarnplatz
- Wilsonstraße / Gyula-Trebitsch-Platz
- S-Bahnhof Mittlerer Landweg / Mittlerer Landweg
- Hainholzweg / Strucksbarg
- Zum Wachtelkönig / Zaunwickenweg
Als einen Nebeneffekt der neuen digitalen Schlosssysteme nennt Verkehrsbehördensprecher Krämer, „dass wir bei zukünftigen StadtRad-Stationen flexibler und schneller werden“. Denn die neuen Stadträder benötigten keine baulichen Abschließmöglichkeiten. „Dadurch entfällt beim Aufstellen der Stationen der Tiefbau – von der Genehmigung bis zum Start der Station vergeht somit deutlich weniger Zeit. Dies ermöglicht es uns, Stationen schneller auf- und abbauen zu können – und beispielsweise für die Fußball-Europameisterschaft in diesem Jahr auch Pop-up-Stationen zu errichten.“
Geprüft werde derzeit, künftig gemeinsame Abstellflächen für E-Scooter und StadtRäder zu errichten, um den Stadtraum weiter zu sortieren, wie es heißt. „Die Nachfrage nach neuen Stationen aus den Bezirken ist vor diesem Hintergrund nach wie vor groß.“
CDU: „Hamburg mit der Brechstange zur Fahrradstadt umbauen“
CDU-Politiker Seelmaecker hingegen findet die Investitionen angesichts sinkender Ausleihezahlen verkehrt: „Hier wird erneut sehr viel Steuergeld für die fragwürdige Expansion des StadtRads durch den grünen Verkehrssenator in die Hand genommen. Hamburg soll mit der Brechstange zur Fahrradstadt umgebaut werden, ganz egal was die Projekte kosten und ob sie überhaupt etwas nutzen.“