Hamburg. Ein Architekt und ein Unternehmensberater wollen Abgabestelle schaffen – „ein Leidenschaftsprojekt“ für „die Mitte der Gesellschaft“.

Der Schritt in die Legalität hat zugleich einen konspirativen Charakter. Keine Werbung an der Tür, keine Hinweisschilder, keine Lichtreklame. Ganz dezent wird es zugehen, erkennbar nur für Eingeweihte. Dort, hinter jenen Türen, wird ein Cannabis-Club eröffnet. Dort gibt es den Stoff, der die einen entspannt – und andere aufregt.

Nicht, weil sie ihn konsumiert haben und der Blutdruck exorbitant steigen könnte. Sondern weil sie ein Problem damit haben, dass ein pflanzliches Produkt, das in Deutschland lange als illegale Droge galt, nun erlaubt sein soll.

Cannabis Hamburg: „Leidenschaft fürs Produkt“ – Duo auf dem Weg zum Social Club

An der Legalisierung von Cannabis, die noch in diesem Jahr wirksam werden soll, scheiden sich die Geister. Die einen warnen eindringlich vor Gefahren, die die neue Gesetzgebung bergen könnte, gesundheitliche Risiken etwa und gesteigerten Konsum. Andere sehen Vorteile, beispielsweise eine Entkriminalisierung, die lange überfällig sei.

Zu der zweiten Gruppe gehören Konstantin G. und Florian B., zwei Hamburger, die demnächst einen Cannabis Social Club betreiben wollen. Sie nennen ihr Vorhaben ein „Leidenschaftsprojekt“.

Cannabis-Clubs: Was erlaubt ist und was nicht

Dieser Ausdruck fällt mehrfach in dem Gespräch, das das Abendblatt mit den Unternehmern in spe führt. Es ist eine Leidenschaft, die die beiden Männer mit ihren Fulltime-Jobs vereinbaren wollen. Konstantin G., 38, ist Architekt in Hamburg. Der 42-jährige Florian B. ist als Unternehmensberater viel unterwegs, auch im Ausland. Zwei Männer also, die beruflich engagiert und erfolgreich sind – und sich darüber hinaus einem weiteren Vorhaben widmen wollen, das sie für überzeugend halten.

Die Möglichkeit, Cannabis-Clubs zu gründen, ist Teil des kürzlich verabschiedeten Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis. Es sieht vor, dass Erwachsene ab 18 Jahren bis zu 25 Gramm Cannabis zum eigenen Verbrauch bei sich haben dürfen. Zu Hause dürfen insgesamt bis zu 50 Gramm aufbewahrt werden, sofern sie aus dem Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen oder eben von Cannabis-Klubs stammen.

Auch der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen wird legalisiert. Diese Anbauvereinigungen heißen dann Cannabis Social Clubs. Eine Erlaubnis für deren Einrichtung ist mit etlichen Vorgaben verknüpft, beispielsweise eine begrenzte Mitgliederzahl, eine ausreichende Sicherung der Räume – und dass für die Clubs nicht geworben wird.

Hamburger Betreiber wollen Alternative zum Schwarzmarkt bieten

All das haben Florian B. und Konstantin G. in das Konzept für ihren Cannabis-Club einkalkuliert, erzählen sie. Sie sind überzeugt von ihren Plänen, haben die Kosten berechnet, Verträge vorbereitet, sich ausgiebig mit allem vertraut gemacht, was sie für wichtig halten, damit ihr Vorhaben Erfolg hat. Und Erfolg definieren Konstantin G., der Architekt aus Hamburg, und Florian B., Unternehmensberater mit Wohnsitz im Speckgürtel, so: „Wir wollen den verantwortungsbewussten Konsum für Menschen ermöglichen, die mitten im Leben stehen.“ So solle den Konsumenten eine Alternative zum Schwarzmarkt geboten werden.

Florian B. ist Vater von drei kleinen Kindern im Grundschulalter und erzählt, dass er selbst seit circa 20 Jahren regelmäßig abends kiffe, „soweit es gut mit dem Job und dem Familienalltag vereinbar ist“. Der Joint diene hauptsächlich zum „Abschalten, Entspannen und Belohnen nach dem stressigen Arbeitstag“. Auch Konstantin G. raucht „regelmäßig, wenn es mein Alltag erlaubt“, wie der 38-Jährige sagt. „Einen Entspannungsjoint am Abend genieße ich sehr.“

Cannabis-Freigabe: „Wir wollen ein Produkt, das wir alle gern mögen“

„Cannabis soll raus aus der Schmuddelecke“, ist das Credo der beiden Freunde. „Ziel ist eine eigene Marke, also ein Produkt, das wir alle gern mögen“, sagt Konstantin G. Entscheidend sei es, den Produktionsprozess zu kennen und steuern zu können, – „wo man viel näher dran ist und genau weiß, was drin ist“. Die Qualität sei entscheidend. Deshalb setzen die beiden Freunde ganz bewusst auf „Klasse statt Masse“, wie sie es nennen.

Das bedeutet nach ihrer Lesart, dass sie unter anderem ausschließlich mit Bio-Dünger arbeiten wollen. „Da geht es viel um Reinheit, um ein hochwertiges Produkt zu erzielen“, erklärt Konstantin G. Die Pflanze solle vor äußeren Einflüssen geschützt und in ihrem Wachstumsprozess unterstützt werden, „ohne chemische Keule, mit konstanter Temperatur und Luftfeuchte“. Und Florian B. spricht von der „Leidenschaft fürs Produkt“. Er vergleicht ihr Vorhaben mit einer Manufaktur. „Der zu Hause zubereitete Burger schmeckt doch auch viel besser als der von McDonald’s.“

Eine Halle für den Anbau ist in Aussicht, auch ein Raum für die Abgabe

Ihr Club soll „urbs.ociety“ heißen, ein Wortspiel aus „Urban“ (städtisch) und „Herbs“, dem jamaikanischen Begriff für Gras. 100 Mitglieder haben sich bereits für ihren Club registrieren lassen, mehr als 200 wollen sie vorerst nicht aufnehmen, obwohl laut Gesetz 500 erlaubt wären. „Aber wir wollen für alle eine Qualität des Produkts garantieren können. Deshalb starten wir mit weniger Mitgliedern“, erklärt Konstantin G.

Für den Anbau haben sie einen Vorvertrag für eine 700-Quadratmeter-Halle im Umland. Unterschrieben werden soll er dann, wenn sichergestellt sei, dass die Clubs auch wirklich ihren Betrieb aufnehmen dürfen. Das sollte nach dem Willen der Regierung am 1. Juli so weit sein, wird sich aber nach einer Intervention des Bundesrates vermutlich verzögern.

Cannabis-Abgabe: Mindestabstand zu Schulen und Kitas ist erforderlich

Wenn der Termin feststeht, wollen Florian B. und Konstantin G. ebenso einen Mietvertrag für einen Verkaufsraum ihres Cannabis unterschreiben. Dieser soll vorzugsweise in Altona, auf St. Pauli oder im Schanzenviertel liegen. Einige Gebäude, die infrage kommen, haben sie sich bereits angesehen. Pläne für die vom Gesetzgeber geforderten Sicherheitsmaßnahmen wie einbruchssichere Türen und Fenster sowie Zugangsmöglichkeiten ausschließlich für Mitglieder seien erstellt. „Das Konzept ist da, aber noch nicht unter Dach und Fach“, erzählt Konstantin G.

Einen Ort zu finden, der sich für die Ausgabe eignet, ist unter anderem deshalb eine Herausforderung, weil das Gesetz einen Mindestabstand nicht nur der Clubs, sondern auch des Konsums von 100 Metern unter anderem zu Schulen und Kitas und Sportstätten vorsieht. „Es haben sich in den Bezirken kleine Inseln gebildet, wo die Abgabe möglich ist“, sagt Florian B. „Daran muss man sich orientieren.“ Der Jugendschutz sei ihnen wichtig, betont das zukünftige Unternehmer-Duo. Unter anderem müsse man „über Risiken aufklären und offen in der Gruppe darüber reden, darf da nicht verherrlichend rangehen“.

„Über Risiken aufklären und nicht verherrlichend rangehen“

Die insbesondere von Medizinern geäußerten Bedenken, dass die Gehirnentwicklung erst im Alter von Mitte 20 abgeschlossen sei, Cannabis die Gehirnentwicklung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen beeinträchtigen und psychische Erkrankungen wie Psychosen begünstigen könne, „nehmen wir natürlich ernst“, betont Konstantin G. „Es ist wichtig, diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen und in die Aufklärung und Präventionsarbeit einzubeziehen.“

Eine wichtige Dimension bei der Festlegung der Altersgrenze für den Cannabiskonsum sei seines Erachtens „der Schutz junger Erwachsener vor den Risiken des Schwarzmarktes“, sagt der 38-Jährige. Die Produkte vom Schwarzmarkt könnten wegen fehlender Kontrollen mit Schadstoffen oder anderen Drogen verunreinigt sein, was ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstelle. Demgegenüber könnten staatlich überwachte Verkaufsstellen beziehungsweise Social Clubs „sicherstellen, dass Konsumentinnen und Konsumenten Zugang zu Produkten von geprüfter Qualität haben“.

Mehr zum Thema

Zudem sei es wichtig, die Konsequenzen einer zu hoch angesetzten Altersgrenze zu bedenken. „Wird die Altersgrenze deutlich über 18 Jahre festgelegt, könnte dies unbeabsichtigt junge Erwachsene weiter in den illegalen Markt drängen, da sie durch die gesetzlichen Einschränkungen vom legalen Erwerb ausgeschlossen wären.“

Sie selbst hätten entschieden, erzählen Konstantin G. und Florian B., das Mindestalter für ihren Club nicht, wie vom Gesetzgeber gefordert, auf 18 festzulegen, sondern auf 21. „Wir wollen dadurch einen für uns adäquaten Kompromiss finden und werden natürlich auch im weiteren Verlauf der zukünftigen Evaluationen diesem Thema unsere Aufmerksamkeit widmen.“

Cannabis-Club: Maximal 200 Mitglieder aus der „Mitte der Gesellschaft“

Interessant sei in dem Zusammenhang, dass viele derjenigen, die sich in ihrem zukünftigen Club bereits angemeldet haben, älter als 40 seien. „Da sind zum Beispiel 44-Jährige dabei, 59-Jährige, 64-Jährige. Und nur ganz wenige 20- bis 30-Jährige.“ Jetzt, wo absehbar sei, dass die Abgabe „nicht mehr kriminalisiert“ werde, würden sich auch mehr Menschen „aus der Mitte der Gesellschaft“ für ihren Club interessieren und als Mitglieder registrieren lassen wollen. „Das sind Leute, die normal im Beruf stehen und Familien haben.“

Dass die per Gesetz maximal zugelassenen Abgabemengen von 25 Gramm am Tag sowie von 50 Gramm im Monat pro Mitglied nicht überschritten werden, dafür wird bei „urbs.ociety“ von Konstantin G. und Florian B. eine Clubsoftware sorgen, über die die Mitglieder ihre gewünschte Ware bestellen können.

Drogen Hamburg: „Man klingelt, es gibt eine Kontrolle, man geht wieder“

Die App dokumentiere die jeweilige Menge, so werde jeder Bezug von Cannabis erfasst und zudem eine Abholzeit gebucht. Auch wenn das Cannabis mitgenommen werde, müssten sich die Mitglieder jeweils ausweisen. „Man klingelt, es gibt eine Kontrolle, man geht wieder“, schildert Florian B. den Ablauf. „Es gibt in der Abgabestelle keinen Raum, in dem konsumiert wird.“

Das müssen diejenigen, die die Joints rauchen wollen, dann auf eigene Verantwortung in ihrem Umfeld machen, gegebenenfalls in den eigenen vier Wänden. „Es geht um den verantwortungsbewussten Konsum von Menschen, die mitten im Leben stehen. So wie wir das tun“, betonen Florian B. und Konstantin G. Die Motivation, den Cannabis-Club zu leiten, sei nicht etwa finanziell motiviert. Bezahlt werden soll, wie vom Gesetzgeber gefordert, allein über Mitgliedsbeiträge. „Die Vereine sollen nicht gewinnorientiert arbeiten. Es ist nichts zum Reichwerden“, sagt Florian B. „Es geht um das Produkt an sich. Für uns und für Gleichgesinnte.“