Hamburg. Polizist: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ 37 Jahre alter Hamburger bekam Cannabis zur Schmerztherapie. Welche Straftaten er beging.
„Ich wusste selber nicht, was ich da mache.“ Wenn Amir N. (Name geändert) heute darüber nachdenkt, wie er damals ausrastete, wie er andere gefährdete, beleidigend und aggressiv wurde, kann der 37-Jährige das kaum fassen. Er war mit dem Auto viel zu schnell unterwegs, stand unter dem Einfluss von Cannabis und Alkohol – und hatte keinen Führerschein. In diesem Zustand verursachte er Unfälle und randalierte gegen Polizisten. Einer der betroffenen Beamten sagt dazu: „Dass jemand so massiven Widerstand leistet, habe ich im Dienst noch nie erlebt.“
Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Alkohol und Drogen am Steuer sowie tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte – all das wird dem Hamburger am Mittwoch in einem Prozess vor dem Amtsgericht vorgeworfen. Der Anklage zufolge verstieß der Mann sowohl im Februar 2022 als auch zwei Jahre zuvor gegen etliche Straßenverkehrsregeln. Unter anderem soll er mit 1,2 Promille und unter dem Einfluss von Cannabis viel zu schnell gefahren, von der Fahrbahn abgekommen und mit einem Metallzaun kollidiert sein. Anschließend soll er beim Zurücksetzen absichtlich ein Polizeifahrzeug gerammt haben. Und bei einer geplanten Festnahme habe er sich aggressiv gegenüber den Polizeibeamten verhalten und sie beleidigt, so die Anklage.
Prozess Hamburg: Angeklagter sagt, er schäme sich
An vieles, was damals geschehen sein soll, könne er sich nicht erinnern, sagt der Angeklagte, ein Mann mit leiser Stimme und offenem Blick. Doch er gehe davon aus, dass sich alles so ereignet habe, wie es in der Anklage dargestellt werde. „Ich schäme mich auch dafür.“
Er leide an einer speziellen Form von ADHS und werde – seit er zwei Bandscheibenvorfälle erlitten habe – als Schmerzpatient mit Cannabis versorgt. Heute komme er mit 30 bis 40 Gramm monatlich aus, aber früher habe er jeden Monat 110 Gramm erhalten. „Außerdem hatte ich ein Alkoholproblem. Ich habe Sachen gemacht, die ich in normalem Zustand nicht machen würde.“ Seit acht Monaten rühre er keinen Alkohol mehr an. „Ich will das auch nicht mehr.“
Hamburger Polizist: „Ein Glück, dass nicht noch mehr passiert ist“
Polizisten schildern, wie Amir N. am 6. Februar 2022 unter anderem auf der Möllner Landstraße in Billstedt in einem Auto mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war und – als sie ihn zum Anhalten aufforderten – weiter beschleunigt habe. „Ein Glück, dass nicht mehr passiert ist“, sagt ein Beamter.
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Andere Zeugen berichten von Amir N.s aggressivem Verhalten: Er habe in Richtung einer Beamtin gespuckt und versucht, die Polizisten zu treten. Zudem seien mehrere beleidigende Äußerungen gefallen.
Bei jedem der Zeugen entschuldigt der Angeklagte sich ausdrücklich für sein damaliges Verhalten. „Ich bin außerdem froh, dass Ihnen und auch anderen nichts passiert ist“, sagt er im Gericht zu einem Beamten. In einen solchen Ausnahmezustand wolle er nicht mehr geraten. Deshalb sei er seit Längerem in einer Psychotherapie, erzählt der Hamburger. „Ich schätze mich jetzt stabiler ein.“
Amtsgericht Hamburg: Prozess zu wilder Verfolgungsjagd in reinem Wohngebiet
Die Staatsanwältin moniert in ihrem Plädoyer, dass sich Amir N. unter anderem mit der Polizei eine „wilde Verfolgungsjagd in einem reinen Wohngebiet“ geliefert habe. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll, sowie eine weitere Sperrfrist des Führerscheins ebenfalls für 18 Monate. Das Schöffengericht erkennt schließlich auf eine 15-monatige Bewährungsstrafe und verhängt die von der Staatsanwaltschaft beantragte Führerscheinsperrfrist.
„Was Sie gemacht haben, geht gar nicht“, redet die Vorsitzende dem Angeklagten ins Gewissen. „Es ist gravierend, was passiert ist.“ Amir N. müsse klar sein, dass er ohne Führerschein nicht Auto fahren dürfe – und schon gar nicht, wenn er Alkohol und Drogen konsumiert habe. „Sie dürfen nicht so ausrasten.“