Hamburg. Je nach Alter gelten andere Empfehlungen. Expertin: Eltern sollten nicht nur auf die Dauer der Nutzung gucken. Was daneben wichtig ist.

„Oooch bitte, Papa – nur noch ein Video!“ Wenn Kinder eine Verlängerung am Handy, Tablet oder vor dem Fernseher fordern, folgen häufig Auseinandersetzungen mit den Eltern. Größtes Reizthema ist offenbar das Smartphone: Dieses sorge für Streit in der Familie, sagten fast die Hälfte der mehr als 1200 Mütter und Väter, die für die repräsentative KIM-Studie (Kindheit, Internet, Medien) im Jahr 2022 deutschlandweit befragt wurden.

Fachleute sagen: Eltern tun gut daran, den Umgang des Nachwuchses mit Smartphones & Co. ernst zu nehmen. „Denn die übermäßige Nutzung von Bildschirmmedien kann zu Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Empathieverlust, schlechten Schulleistungen und Computerspielsucht führen“, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Sie hatte 2023 mit diversen weiteren Fachgesellschaften und Organisationen eine neue Leitlinie zum Umgang mit digitalen Geräten und Medien veröffentlicht. Daran beteiligt war auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – deshalb ähneln die Empfehlungen der Fachgesellschaft sehr den Tipps, welche die BZgA selbst im vergangenen Jahr veröffentlichte.

Bildschirmzeit: Wie lange dürfen Schüler täglich digitale Geräte nutzen?

Ratschläge für eine Beschränkung der Bildschirmzeit sind das eine – die Realität sieht anders aus. So ergab die erwähnte KIM-Studie etwa, dass sechs- und siebenjährige Kinder alleine mit ihrer täglichen durchschnittlichen Zeit vor dem Fernseher (59 Minuten) und ihrem täglichen Internetkonsum (17 Minuten) weit über den Empfehlungen der DGKJ liegen, wonach die Bildschirmzeit von Kindern zwischen sechs und neun Jahren „höchstens 30 bis 45 Minuten“ betragen sollte.

Die Empfehlungen der Fachgesellschaft nach Altersgruppen:

  • Babys und Kleinkinder (bis drei Jahre) sollten möglichst überhaupt keine Zeit vor Smartphone, Tablet, Spielkonsole und Fernseher verbringen. Wenn Eltern dringend ein Bildschirmgerät nutzen müssen, etwa um eine E-Mail zu lesen, sollte das Baby oder Kleinkind möglichst nicht dabei sein.
  • Vertretbar für Drei- bis Sechsjährige seien täglich bis zu 30 Minuten Bildschirmzeit, allerdings mit bildschirmfreien Tagen dazwischen. „Lassen Sie Ihr Kind nicht allein vor dem Bildschirm“, rät die Fachgesellschaft. „So lernen kleine Kinder Regeln, die in den kommenden Jahren viel Stress und Streit vermeiden helfen.“ Am Bildschirm vergessen viele Kinder die Zeit. „Eine Sanduhr oder Stoppuhr hilft Ihrem Kind zu begreifen, wie schnell die Zeit vergeht.“
  • Für Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren: höchstens 30 bis 45 Minuten. Diese Empfehlung bezieht sich auf Bildschirmzeit außerhalb der Hausaufgaben, für die Kinder womöglich auf Bitten ihrer Schule schon einen Computer oder ein Tablet nutzen. Bei Arbeiten mit dem Computer daheim für Mathe, Deutsch und weitere Fächer sollten Eltern auf eine „klare Trennung“ achten, rät die Fachgesellschaft: „Macht Ihr Kind gerade tatsächlich Hausaufgaben? Oder schaut es Filme, spielt es am Computer oder am Tablet?“
  • Neun bis zwölf Jahre: höchstens 45 bis 60 Minuten täglich. Eltern sollten Smartphone, Tablet und PC wann möglich immer gemeinsam mit ihren Kindern nutzen und dies im Nachhinein besprechen. Ein eigenes Smartphone mit eingeschränktem Internetzugang sollten Kinder frühestens ab neun Jahren, besser frühestens ab zwölf Jahren bekommen; Internetzugang sollten Eltern nur unter Aufsicht gewähren.
  • Zwölf bis 16 Jahre: maximal ein bis zwei Stunden am Tag, bis spätestens 21 Uhr. Eltern sollten die Alterseinstufungen für Computerspiele von der Einrichtung Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) beachten und wissen, von welchem Alter an Online-Plattformen wie Instagram, YouTube, TikTok und Co. erlaubt sind – Letzteres erläutert etwa „Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht“, eine Initiative des Bundesfamilienministeriums, der beiden öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sowie der Krankenkasse AOK.

Lediglich eine „grobe Orientierung“ bieten die DGKJ-Alterempfehlungen für die Bildschirmzeit nach Ansicht der Erziehungs- und Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Lampert, die am Leibniz-Institut für Medienforschung (Hans-Bredow-Institut) in Hamburg forscht. Eltern sollten Handys & Co. nicht verteufeln, sagt sie, schließlich gehören diese digitalen Geräte und das Internet inzwischen selbstständlich zum Alltag und zur Kommunikation gerade junger Menschen. Im Schulunterrricht in Hamburg dienen Laptops und Tablets längst als ergänzende Instrumente zum Lernen.

„Eltern sollten sehr genau hinschauen, wie ihre Kinder digitale Geräte nutzen und in welchem Verhältnis dies zu anderen Aktivitäten steht“, sagt Lampert. Sind Handy, Tablet & Co. eine Ergänzung, oder dienen sie zur Kompensation? Treibt ein Kind beispielsweise zweimal pro Woche Sport im Verein oder spielt ein Musikinstrument, trifft sich regelmäßig mit Freundinnen und Freunden, dann könne es auch einmal okay sein, wenn die empfohlene Bildschirmzeit leicht überschritten werde, sagt Lampert.

Expertin: Eltern sollten verstehen, warum ihren Kindern Bildschirmzeit wichtig ist

Zieht sich ein Kind zurück, ist nur noch auf sein Handy oder sein Notebook fixiert, hat es keinen sozialen Anschluss mehr, dann sollten Eltern handeln und die Bildschirmzeit stärker beschränken. Apropos: Um Streit zu vermeiden, rät Lampert dazu, dass Eltern verbindliche Regeln für die tägliche Bildschirmzeit aufstellen, diese aber je nach Situation flexibel handhaben. Steht das Kind etwa beim Computerspielen kurz vor dem Ende eines Levels, muss es nicht unbedingt „Stop“ heißen, wenn die vereinbarte tägliche Bildschirmzeit dadurch um zehn Minuten überschritten würde.

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„Warum ist es dem Kind gerade wichtig, seine Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen? Das sollten Eltern verstehen, statt nur auf die Dauer der Nutzung schauen“, sagt Lampert. Klarmachen sollten sich Eltern, dass sie eine Vorbildfunktion haben: Schaffen Mama und Papa keine Handy-Auszeiten, checken E-Mails beim gemeinsamen Mittag- und Abendessen oder während des Spielens mit ihren Kindern, dann müssen sie sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs es ihnen nachmacht.

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