Hamburg. Fotos erst 20 Monate nach Messerangriff veröffentlicht. CDU spricht von „Skandal“. Hamburger Justiz zieht nun erste Konsequenzen.
Die späte Öffentlichkeitsfahndung nach einem versuchten Tötungsdelikt, bei dem Mitte Mai 2022 ein 31 Jahre alter Mann auf St. Pauli durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt wurde, hat ein internes Nachspiel. Laut Hamburger Senat gibt es eine „staatsanwaltschaftsinterne Überprüfung seitens der Generalstaatsanwaltschaft“. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Dennis Gladiator (CDU) hervor. Das Ergebnis der Untersuchung stehe noch aus. Gladiator nennt den Fall bereits jetzt einen „Skandal“. Die Bilder der Verdächtigen waren erst 20 Monate nach der Tat veröffentlicht worden. Das Abendblatt hatte exklusiv berichtet.
Polizei Hamburg wollte bereits im September 2022 öffentlich fahnden
Die Antwort auf die Anfrage bestätigt, was das Abendblatt bereits Mitte Januar veröffentlichte. Die Polizei soll bereits im September 2022 eine Öffentlichkeitsfahndung gegenüber der Staatsanwaltschaft angeregt haben. Damals hatte sich die Staatsanwaltschaft um eine Antwort herumgedrückt. Jetzt wurde offiziell mitgeteilt, dass die Anregung einer Öffentlichkeitsfahndung in dem Fall bereits am 28. September 2022 seitens der Polizei vorlag. Bis zum 27. Oktober 2022 habe man anschließend auf die Ergebnisse einer noch ausstehenden kriminaltechnischen Untersuchung gewartet. „Anschließend wurden in diesem Ermittlungsverfahren bis zur Stellung des Antrages auf Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung keine weiteren Maßnahmen veranlasst“, heißt es in der Antwort des Senats.
Mit der Situation ist man bei der Justiz offenbar nicht zufrieden. Und zieht jetzt schon einmal Konsequenzen. „Unabhängig“ von dem noch ausstehenden Ergebnis der internen Untersuchung in diesem speziellen Fall solle die Polizei, wenn bei einer Öffentlichkeitsfahndung längere Zeit nichts passiert – nach einer Erinnerung – „unverzüglich die zuständige Abteilungsleitung bei der Staatsanwaltschaft“ unterrichten. Sprich: die Vorgesetzten einschalten.
Fotos der Gesuchten lag bereits frühzeitig Hamburgs Ermittlungsbehörden vor
„Es ist gut, dass intern nun geprüft wird, wie es zu solch einer schwerwiegenden Panne kommen konnte, denn das darf sich nicht wiederholen“, so Gladiator. Die erfolgreiche Arbeit der Polizei werde ad absurdum geführt, wenn die Justiz wichtige Zeit verstreichen lässt, bevor sie tätig werde. Gladiator: „Das gefährdet das Vertrauen in den Rechtsstaat erheblich. Ein solches Handeln der Justiz ist ja schon beinahe als Täterschutz zu bezeichnen.“
Die Antwort auf eine erste Kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten hatte bereits gezeigt, wie langwierig, auch ohne vorherige Verzögerungen, es sein kann, bis eine Öffentlichkeitsfahndung umgesetzt ist. So wurde das ungewöhnlich gute Bildmaterial, das vier Männer offenbar kurz nach der Tat zeigt, „umgehend gesichert, ausgewertet und für die polizeiinterne Fahndung genutzt“. Als es dann aber mit großer Verzögerung für eine öffentliche Fahndung genutzt werden sollte, dauerte es noch einmal knapp drei Wochen, bis die Bilder veröffentlicht wurden.
Späteres Opfer griff ein, um 21-Jährigen bei Überfall zu schützen
Am 3. Januar dieses Jahres hatte die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeitsfahndung beantragt. Am 11. Januar erließ das zuständige Gericht einen entsprechenden Beschluss. Am 23. Januar wurden zahlreichen Fotos, die vier gesuchte Männer aus verschiedenen Perspektiven zeigen, im Rahmen einer Pressemitteilung der Polizei veröffentlicht.
Bislang ist die Öffentlichkeitsfahndung nicht zurückgenommen worden. Das wäre passiert, wenn die Tatverdächtigen identifiziert und festgenommen worden wären. Ob es bereits Teilerfolge durch die öffentliche Fahndung mit den Bildern gegeben hat, wurde nicht bekannt.
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Die Tat selbst hatte 2022 einen eigentlich couragierten Mann getroffen. Er hatte damals eingegriffen, als ein 21-Jähriger in der Talstraße von einer Gruppe überfallen wurde. Der 31-Jährige, der unbeteiligt gewesen sei, sei auf die Tat aufmerksam geworden und habe eingegriffen. Daraufhin sei aus der Gruppe heraus angegriffen und durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt worden. Die Täter konnten mit ihrer Beute entkommen. Es handelte sich um ein Smartphone.