Hamburg. Das jüngste Meinungsbild sieht SPD und Grüne weiter mit einer stabilen Mehrheit. Olaf Scholz kann nun von Hamburg lernen.
Man kann die jüngste Umfrage des NDR so lesen: Die Sozialdemokraten und die Grünen müssen im Vergleich zur letzten Bürgerschaftswahl kräftige Verluste hinnehmen, die CDU ist im Aufwind, die AfD gewinnt auch in Hamburg dazu. Das ist nicht falsch, letztlich aber ein unscharfes Polaroid-Foto einer dynamischen Lage im Land.
Schaut man genauer hin und durchleuchtet die Daten von Infratest Dimap, ergibt sich ein anderes Bild. Die Hamburger Zahlen erschließen sich erst vor dem Hintergrund der Bundesstimmung: Die drei Parteien der Ampel befinden sich in einem absoluten Stimmungstief und liegen teilweise deutlich unter den Zustimmungsraten zur Zeit der letzten Bürgerschaftswahl.
Gerade die Zahlen für die Grünen sind überraschend gut
Legt man diese Werte als Maßstab an, verschiebt sich das Bild. Die Verluste der SPD bleiben, denn die Sozialdemokraten notierten im Februar 2020 – viele haben das längst vergessen – so schwach wie heute. Die Grünen hingegen erlebten damals mit Umfragewerten von rund 23 Prozent ihr Hoch. Damals landete die Hamburger Öko-Partei mit 24,2 Prozent ziemlich genau auf dem Bundestrend; jetzt lägen sie mit 21 Prozent weit über den 13 Prozent, die bundesweit grün wählen würden.
Neun Prozent für die AfD sind hingegen angesichts des deutschlandweiten Umfragehochs wenig. Auch das Plus der Union schrumpft vor diesem Hintergrund zusammen: Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie lag die CDU bundesweit nur noch bei rund 25 Prozent – heute notieren sie im Umfragen über 30 Prozent. Eine Verbesserung von 11,2 auf 20 Prozent in Hamburg ist daher kein Hexenwerk, sondern eher eine demokratische Normalisierung.
CDU-Spitzenmann Dennis Thering hat eine Chance und ein Problem zugleich
Dennis Thering, der designierte CDU-Spitzenkandidat, hat ein Problem und eine Chance zugleich: Bislang sind seine Sympathiewerte mit 20 Prozent arg überschaubar – selbst die Linken-Spitzenkandidatin Cansu Özdemir kommt auf 26 Prozent. Mehr als jedem zweiten Hamburger ist der Name des CDU-Fraktionschefs kein Begriff. Im besten Sinne sind Therings Werte also ausbaufähig, wenn er in den Wahlkampf einsteigt.
Die Sympathiewerte spielen bei der Bürgerschaftswahl eine entscheidende Rolle: Im letzten Wahlkampf 2020 überraschte Peter Tschentscher als leidenschaftlicher wie aggressiver Wahlkämpfer und vermochte so, auf den letzten Metern die Grünen zu distanzieren. Laut aktueller Umfrage sind 55 Prozent der Hamburger mit der Amtsführung des Bürgermeisters zufrieden oder gar sehr zufrieden, nur ein gutes Drittel ist kritisch. Das sind zwar zwölf Punkte weniger als bei der Bürgerschaftswahl, aber immer noch vergleichsweise gute Zahlen. Katharina Fegebank verliert 14 Prozent und kommt auf 36 Prozent Zufriedenheit
Von den Hamburger Zustimmungswerten kann die Ampel nur träumen
Davon können Ampel-Politiker nur träumen: Die Zufriedenheit mit Olaf Scholz liegt mit 20 Prozent historisch niedrig, bei Klimaminister Robert Habeck – einst Liebling der Wähler – sind es 26 Prozent. Und noch ein Punkt sollte dem Kanzler zu denken geben: In der Hansestadt sind die Wähler der Sozialdemokraten (80 Prozent) und der Grünen (85 Prozent) mit dem Senat sehr zufrieden. Auf Bundesebene bewerten hingegen nur noch Grüne (48 Prozent) die Leistung der Regierung einigermaßen positiv, bei den Sozialdemokraten überwiegt klar die Unzufriedenheit (59:39).
Es ist eine Binse, die seltsamerweise immer wieder vergessen wird: Wahlen werden hierzulande in der Mitte gewonnen – diese Mitte hat Scholz derzeit verloren. Peter Tschentscher hingegen spaßte beim Neujahrsempfang, Christdemokraten würden in Hamburg SPD wählen. Darin liegt mehr als ein Körnchen Wahrheit.
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Noch etwas kann die Spitzen der SPD und der Grünen für den Moment glücklich machen: In keinem Bundesland hätte Rot-Grün derzeit als Duo auch nur den Hauch einer Chance auf die Mehrheit: 51 Prozent in Hamburg sind ein Alleinstellungsmerkmal in der politischen Landschaft.