Hamburg. Warnung vor zu wenig Praxen, vier Bezirke dagegen überversorgt. Zahnarzt-MVZ werden von Steueroasen aus gemanagt.

Diese Entwicklung ist unumkehrbar und trifft jetzt die Hamburger Zahnärzte sowie ihre Patientinnen und Patienten im Besonderen: Es gibt deutlich weniger Praxen als in den vergangenen Jahren, und selbst in den offiziellen Statistiken gelten drei Hamburger Bezirke mittlerweile als „unterversorgt“. Das ist das Ergebnis einer schriftlichen Kleinen Anfrage der Linken-Gesundheitspolitikerin Olga Fritzsche.

Allerdings sieht der Hamburger Senat das anders. Es zeichne sich nach Auskunft der Kassenzahnärztlichen Vereinigung keine Unterversorgung ab. Fritzsche jedoch verweist auf die Zahlen, die auch der Senat liefert:

Demnach

  • sank die Zahl der Einzelpraxen von 863 auf 842 innerhalb des Zeitraums von 2020 bis 2022
  • ging auch die Zahl der Berufsausübungsgemeinschaften von 182 auf 168 zurück, also von Zusammenschlüssen einzelner selbstständiger Zahnärzte in einer Praxis
  • gab es Ende September 2023 insgesamt 35 Zahnmedizinische Versorgungszentren (Z-MVZ) in Hamburg an 47 Standorten, fünf mehr als noch eineinhalb Jahre zuvor
  • wuchs deshalb die Zahl der angestellten Zahnärzte von 424 auf 471 (von 2020 bis 2022).

Zahnarzt in Hamburg: Sind diese Bezirke unterversorgt?

Die Versorgungszahlen belegen, dass in den Bezirken Wandsbek (98 %), Bergedorf (88 %) und Harburg (91 %) der Versorgungsgrad unter 100 Prozent liegt. Das ist ungewöhnlich für die Medizinmetropole Hamburg, in der nach bundesweiten Vergleichszahlen in fast allen Arztbereichen Versorgungsgrade von deutlich mehr als 100 Prozent statistisch notorisch sind. Hamburg versorgt erhebliche Teile des Umlands mit. Das ist zum Beispiel der Grund dafür, dass gerade in der Krankenhausreform Hamburg einen Zuschlag für seine Kliniken fordert. Den höchsten Versorgungsgrad an Zahnärzten gibt es in Eimsbüttel (117 Prozent) vor Mitte (113), Nord (110) und Altona (192).

Das Problem an den Zahnmedizinischen Versorgungszentren sehen Kritiker darin, dass sie oft von Finanzinvestoren betrieben werden, denen die Rendite wichtiger sei als eine bedarfsgerechte Versorgung. Das bemängelt auch Linken-Politikerin Fritzsche. Die Betreiber der MVZ und Zahn-MVZ verweisen auf schnelle Terminvergabe und verlässliche Behandlung. Das Abendblatt hatte mehrfach über den Trend zu großen MVZ in Hamburg berichtet, wobei man wissen muss, dass er den Ärztinnen und Ärzten entgegenkommt, die sich in einer Praxis lieber anstellen lassen wollen, als das wirtschaftliche Risiko zu tragen.

Hamburger Eigentümer von Zahnarztpraxen sitzen in Steueroasen

Die Bundeszahnärztekammer hat bereits gewarnt, es sei zu befürchten, dass „in absehbarer Zeit die zahnmedizinische Versorgung zu einem großen Teil aus renditeorientierten Gesundheitsfabriken besteht“. Das „fremde“ Kapital im Gesundheitswesen führe zu einem „Umsatzdruck, Über- und Fehlversorgung und somit Qualitätsverlust“. Die MVZ würden „deutlich höhere Abrechnungszahlen produzieren“. Die Betreiber Medizinischer Versorgungszentren halten dagegen, dass „alle Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung“, also MVZ genauso wie selbstständige niedergelassene Ärzte, demselben Vergütungssystem mit festgelegten Preisen unterlägen.

Die Zahnärztekammer belegte, dass MVZ zum Teil in der Hand von Private-Equity-Firmen seien, die ihren Sitz in Steueroasen hätten wie auf den Cayman Islands. Linken-Politikerin Fritzsche verwies in ihrer Anfrage bereits auf Eigentümer Hamburger Zahnarztpraxen auf den Bahamas und in Luxemburg.

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Praxisschilder sollen Besitzverhältnisse zeigen

Sie sagt: „Für Patientinnen und Patienten ist es dann überhaupt nicht erkennbar, ob eine Behandlung womöglich nur mit einem wirtschaftlichen Ziel angeboten wird. Die Linksfraktion fordert deshalb in einem ersten Schritt ein Transparenzregister über Eigentumsstrukturen im Gesundheitswesen und dann Regelungen, um Gewinnausschüttungen an Dritte zu verbieten.“

Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg hatte bereits vor Jahren gefordert, dass in einem ersten Schritt zu mehr Offenheit auf Praxisschildern zu lesen sein müsse, wer die Eigentümer seien. Immerhin kann der Senat in seiner Antwort an die Linken-Gesundheitspolitikerin Fritzsche erklären, dass er bereits bundespolitisch tätig geworden sei. „Der Bundesrat hat auch auf Initiative Hamburgs den Bundesgesetzgebenden zum Erlass eines Medizinische-Versorgungszentren-Regulierungsgesetzes aufgefordert.“ Es solle eine flächendeckende Versorgung „in einer sich verändernden“ Landschaft von Leistungserbringern sicherstellen und gleichzeitig Transparenz über die Besitzverhältnisse in MVZ schaffen.