Hamburg. Angeklagter (33) beschädigt Taxi und fährt durch Schranke. Der Richter urteilt härter als vom Staatsanwalt gefordert. Die Gründe.

Er erinnert sich nicht mehr an das, was geschah. Der Angeklagte R. sitzt am Mittwoch im Verhandlungssaal und muss sich vor dem Amtsgericht Hamburg für eine spektakuläre Unfallfahrt verantworten. Der 33-Jährige soll im vergangenen März am Flughafen Hamburg zuerst einem Taxi aufgefahren, anschließend durch eine Schranke gefahren und kurz danach erneut einen Auffahrunfall begangen haben. Dabei soll er sich in einer paranoiden schizophrenen Episode befunden haben. Dennoch fällt das Urteil hart aus.

Vor Gericht erscheint der 33-Jährige ohne Anwalt. Der Staatsanwalt wirft ihm unerlaubtes Entfernen vom Unfallort in zwei Fällen sowie versuchte Sachbeschädigung vor. Am Ende entstand ein Schaden, der sich beim Taxi auf 1555 Euro und bei einem Tesla auf mehr als 3600 Euro beläuft.

Unfallfahrt vom Flughafen Hamburg: Angeklagter beruft sich auf Panikattacke

Am 11. März vergangenen Jahres machte sich der Angeklagte R. aufgrund paranoider Angstvorstellungen auf den Weg zum Hamburger Flughafen. „Ich war quasi auf der Flucht“, berichtet der 33-Jährige vor Gericht. Dort parkte er im Bereich des Taxistandes seinen Pkw und begab sich nach eigenen Angaben zum Terminal mit der Absicht, zu verreisen.

Als er zurückkam, entdeckte er, dass sein Außenspiegel abgetreten worden sei. Das habe bei ihm eine Panikattacke ausgelöst, wodurch er den folgenden Auffahrunfall nicht mehr wahrgenommen habe.

Gegen 22 Uhr fuhr er auf das dort befindliche Taxi auf. „Ich war im Taxi, als ich plötzlich ein Geräusch hörte. Als ich ausstieg, war der Fahrer schon weggefahren“, berichtet vor Gericht der Zeuge G., Besitzer des angefahrenen Taxis. Anschließend ist R. durch die dort befindliche Schranke gefahren, die aber nicht beschädigt wurde.

Auf der Rückfahrt verwickelt sich Angeklagter in weitere Autounfälle

Nur wenige Minuten später fuhr der 33-Jährige auf der Fuhlsbüttler Straße auf einen weiteren Pkw auf. Der Besitzer des betroffenen Wagens berichtet, dass zuvor der Verkehr zum Erliegen gekommen sei. „Ich bemerkte den Unfall und stieg aus. Daraufhin setzte der Fahrer zurück und fuhr auf der Gegenfahrbahn weiter“, erzählt der Zeuge D. Er identifiziert den Angeklagten R. als den schuldigen Fahrer.

Doch der 33-Jährige beruft sich in Bezug auf die Anklagepunkte auf Erinnerungslücken. Sie seien durch den Druck im Rahmen der seit 2020 diagnostizierten paranoiden Schizophrenie bei ihm entstanden. Ihm sei lediglich bewusst, dass er sowohl auf der Anfahrt nach Hamburg sowie auf der Rückfahrt nach Hause zusätzlich in Autounfälle verwickelt gewesen ist.

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Obwohl die anderen Unfälle nicht vor dem Amtsgericht Hamburg verhandelt werden, sind sie für den Richter trotzdem aussagekräftig im Hinblick auf die Tagesverfassung des Angeklagten. Diese Unfallreise schließt sich an die gehäuften Einträge im Fahreignungsregister der vergangenen beiden Jahre an, in denen es um mehrfache Geschwindigkeitsüberschreitungen und auch den Einfluss von Rauschmitteln beim Fahren geht.

Dabei krönt der jetzige Fahrerlaubnisentzug die vergangenen Delikte. „Ich habe wahrscheinlich dieses typisch deutsche Autofahrer-Gen. Auto bedeutet Freiheit“, erklärt R.

Prozess in Hamburg: Richter geht über Forderung des Staatsanwalts hinaus

Sowohl die zahlreichen Einträge als auch die für den Richter schon beachtliche Schadensumme wirkte sich negativ auf die Höhe der Strafe aus. Obwohl Richter und Staatsanwalt übereinkommen, dass im Rahmen der paranoiden Schizophrenie des Angeklagten von verminderter Schuld gesprochen werden kann, urteilt der Richter härter als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Statt geforderter 90 Tagessätze verurteilt der Richter den Mann zu 110 Tagessätzen à 25 Euro. Dadurch gilt der Angeklagte als vorbestraft. Zudem wird ihm der Führerschein für zwei Jahre entzogen.

Die Unfallreise des 33-Jährigen hebe sich vom Normalfall ab, so der Richter. „Es bestand die Gefahr, dass noch etwas Schlimmeres hätte passieren können.“ Zudem fiel es dem Richter schwer zu glauben, dass die Erinnerungslücken lediglich die Anklagepunkte betreffen. Trotzdem zeigen sich der Richter und der Staatsanwalt angesichts seines aufgeräumten Eindruckes optimistisch, dass der Verurteilte R. wieder Glück im Leben finden könnte. „Sie schaffen das“, gibt ihm der Richter mit auf den Weg.