Hamburg. 77-Jährige lokalisiert via iPad ihr Smartphone. Doch Beamte haben keine rechtliche Grundlage für eine Durchsuchung. Kein Einzelfall.

  • Anne Kirsten R. wird der Wagen aufgebrochen, als sie ihre Enkelin vom Kindergarten abholen will
  • Dank der Ortungsfunktion kann sie ihr dabei gestohlenes iPhone aufspüren
  • Doch die Polizei Hamburg greift trotzdem nicht ein – und das hat seine Gründe

Diesen Tag wird Anne Kirsten R. nicht vergessen. Drei Tage vor Weihnachten wurde ihr Auto aufgebrochen. Tasche, Geldbörse, Handy, alles war weg. Danach konnte die 77-Jährige fast einen ganzen Tag lang beobachten, wo ihr gestohlenes iPhone war. Zurück bekam sie es nicht. Die eingeschaltete Polizei war trotz der Ortung machtlos.

„Ich wollte zwei meiner Enkel am Nachmittag aus dem Kindergarten abholen“, erzählt die Frau. Mit dem Auto fuhr sie zum Kindergarten Alte Forst im Stadtteil Eißendorf. „Ich habe den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Schützenverein abgestellt. Meine Tasche habe ich im Wagen gelassen, weil ich dachte, dass ich vielleicht noch ein paar Bastelarbeiten der Kinder tragen muss.“

Polizei Hamburg: iPhone-Dieb schlug Scheiben vom Auto ein

Als die 77-Jährige mit ihren beiden Enkeln zurück zum Wagen kam, dachte sie, dass sie vergessen hätte, die Seitenscheibe hochzufahren. Dann sah sie: Die Scheibe war eingeschlagen. „Überall lagen Splitter. Ich war echt geplättet“, sagt die 77-Jährige. „Ich bin dann schnell zurück zum Kindergarten und habe geschildert, was passiert war. Von dort wurde die Polizei gerufen.“ Erst hieß es, dass kein Peterwagen frei sei. Dann, nach einem zweiten Anruf, kam eine Streifenwagenbesatzung. Das waren, so erinnert sich Anne Kirsten R., zwei „plietsche“ Beamte, die die Anzeige aufnahmen, Fotos machten und auch in der Gegend die Büsche absuchten. Dass das Handy geortet werden kann, so heißt es von der Polizei, habe die Frau den Beamten nicht gesagt.

„Ich hatte danach den Wagen zu Mercedes gebracht, von wo aus mich meine Schwiegertochter abholte“, sagt die 77-Jährige. Die brachte sie erst auf die Idee mit der Ortung. Gesagt, getan. Zu Hause in Heimfeld machte Anne Kirsten R. ihr iPad und die Ortung an. Da war es etwa 18.30 Uhr. „Ich dachte, ich seh nicht richtig“, sagt die 77-Jährige. Das gestohlene Handy wurde angezeigt – in der Wilstorfer Straße im berüchtigten Phoenix-Viertel. Offenbar befand sich das iPhone in einem Haus. „Ich war richtig aufgeregt und total nervös. So eine Situation habe ich ja noch nie gehabt“, sagt Anne Kirsten R.

Geschädigte erfuhr: Ohne Durchsuchungsbeschluss geht nichts

Noch vor 19 Uhr dann ihr Anruf bei der Polizei. „Man fragte mich nach dem Aktenzeichen, sagte mir aber dann, dass man da nicht einfach hinfahren kann, sondern einen Durchsuchungsbeschluss brauche“, erinnert sich die Frau. So konnte sie nur weiter den Standort des gestohlenen Gerätes beobachten.

Das kam in Bewegung. Gegen 20 Uhr wechselte der Standort in ein anderes Gebäude. Gegen 20.30 Uhr war es dann offenbar im nahen Einkaufszentrum. Um 21.30 Uhr befand sich das Gerät wieder in der Wilstorfer Straße, um dann gegen 23 Uhr in der Reinholdstraße angezeigt zu werden.

„Mir wurde gesagt, dass man Wichtigeres zu tun habe.“

„Ich habe mehrfach bei der Polizei angerufen“, sagt die 77-Jährige. Los fährt die Polizei trotzdem nicht. Mal, so erinnert sich die Frau, habe man ihr gesagt, dass in dem Einkaufszentrum zu viel los sei, um es lokalisieren zu können. Dann wusste der Beamte am Telefon nichts von dem Fall. „Mir wurde auch gesagt, dass man Wichtigeres zu tun habe“, so die 77-Jährige.

Dann, nach 23 Uhr, kam noch einmal die Polizei bei der Frau in Heimfeld vorbei. „Ich hatte schon die Jacke an und mein iPad unter dem Arm, weil ich dachte, dass wir zum angezeigten Standort fahren. Aber auch der Zahn wurde mir gezogen. Am nächsten Morgen wurde der Standort des iPhone wieder in der Wilstorfer Straße angezeigt, da, wo es schon einmal war.“

Durchsuchungsbeschluss muss für einzelne Wohnung begründet werden

Von der Polizei heißt es dazu: „Am Abend des Tattags meldete die Geschädigte sich telefonisch am PK 46 und gab an, ihr gestohlenes Handy orten zu können. Aufgrund der Einsatzlage zu diesem Zeitpunkt war es den Beamten erst zeitverzögert möglich, die Frau in den späten Abendstunden an ihrer Wohnanschrift aufzusuchen. Die von der Geschädigten vorgezeigten Ortungsdaten ihres Handys wiesen darauf hin, dass dieses sich im Bereich von Mehrfamilienhäusern befand. Eine genaue Wohnung, in der das Handy sich mutmaßlich befand, ließ sich anhand der Daten nicht identifizieren. Aus diesem Grund konnten die eingesetzten Beamten auch nicht bei der Staatsanwaltschaft die Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses anregen. Hierfür müsste eine konkrete Auffindevermutung für eine bestimmte Wohnung begründet werden.“

Bevor die Beamten die Geschädigte wieder verließen, vereinbarten sie mit ihr, dass sie sich erneut bei der Polizei melden solle, wenn das gestohlene Handy sich an einem anderen Ort, insbesondere im öffentlichen Raum, bewegt.“

Klingelton sollte den Standort des gestohlenen Smartphones verraten

Am nächsten Morgen war das iPhone wieder in der Wilstorfer Straße, ohne bewegt zu werden. „Gegen 9.15 Uhr meldete sich die Bestohlene wieder beim PK 46 und teilte mit, dass sie ihr Mobiltelefon inzwischen im Bereich der Wilstorfer Straße orten könne. Auch bei dieser Ortung kamen mehrere Hausnummern als möglicher Standort des Handys in Betracht. Neben unterschiedlichen Ladengeschäften im Erdgeschoss der Häuserzeile, unter anderem auch einem Handyladen, befanden sich darüber auch mehrere Wohnungen, sodass erneut keine Beschlussanregung für Durchsuchungsmaßnahmen in Betracht kamen, weil sich das Handy wieder nicht an einer exakten Position, also in genau einem bestimmten Geschäft oder in einer bestimmten Wohnung, orten ließ“, heißt es von der Polizei.

Trotzdem hätten sich Beamte auf den Weg gemacht. „Um die Geschädigte bei der Ortung ihres Telefons zu unterstützen, begab sich dennoch umgehend eine Streifenwagenbesatzung in den Bereich der Wilstorfer Straße, in dem sie ihr Handy geortet hatte. Als die Besatzung vor Ort war, bat sie die Geschädigte telefonisch, ihr gesuchtes Mobilgerät anzurufen, um es möglicherweise aufgrund seines ertönenden Klingeltons genauer lokalisieren zu können. Die Beamten konnten das Klingeln des Telefons in dem von der Geschädigten benannten Bereich nicht hören.“

Opfer macht sich selbst auf den Weg

Am Mittag machte sich Anne Kirsten R. dann selbst auf den Weg zur Wache. „Es gab vorher viel für mich zu telefonieren, wegen der gestohlenen Bankkarten, Versichertenkarte oder Führerschein“, sagt sie.

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Die Polizei: „Gegen 14.30 Uhr erschien die Geschädigte am PK 46 und zeigte erneut Ortungsdaten ihres gestohlenen Handys. Da weiterhin keine konkret für weitere polizeiliche Maßnahmen nutzbare Ortungsdaten vorlagen, wurde seitens des PK 46 von einem weiteren Einsatz einer Streifenwagenbesatzung vor Ort abgesehen.“

Polizei Hamburg: Bestohlene machte sich selbst auf den Weg, um iPhone zurückzubekommen

Deshalb machte sich die Frau selbst auf den Weg in den Laden, in dem sie ihr Handy vermutete. „Ich habe mein iPad auf den Tresen gelegt, auf dem der Standort des Handys angezeigt wird und habe gesagt, dass ich es abholen möchte“, sagt die Frau. Der Mann im Laden habe gestottert, dann behauptet, er würde nur Handys mit Eigentumsnachweis kaufen und die Frau dann abgewimmelt. Eine halbe Stunde später war das Handy nicht mehr zu orten.

Anne Kirsten R. hat ihr iPhone abgeschrieben. „Ich bin auch enttäuscht“, sagt sie. Die Polizei kann ihre Enttäuschung zwar nachvollziehen und habe zwar „den gesetzlichen Auftrag, Maßnahmen zur Aufklärung von Straftaten zu treffen, ist hierbei aber natürlich an geltende rechtliche Voraussetzungen gebunden“, wie sie erklärte.

Die 77-Jährige ist nicht die einzige Enttäuschte. Auch das Handy der Tochter einer Bekannten, das aus dem Umkleideraum einer Turnhalle gestohlen wurde, konnte in einer Wohnunterkunft geortet werden. Ebenfalls konnte die Polizei nicht tätig werden. „Da ist die Situation noch schwieriger, weil jedes Zimmer ein eigener Wohnbereich ist, für den ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt werden müsste“, so ein Beamter. Das Handy war weg.

Wie kompliziert es mit Durchsuchungen ist, zeigt ein anderer Fall im Mai vergangenen Jahres. Die Polizei hatte nach einer Verfolgungsfahrt einen Twingo mit gestohlenen Kennzeichen im Stadtteil Eißendorf gestellt. Aus dem Wagen roch es nach Marihuana. Dann musste die Polizei warten. Um in den Kofferraum schauen zu können, hatten die Beamten, so hieß es vor Ort, erst einen Durchsuchungsbeschluss über die Staatsanwaltschaft erwirken müssen.