Hamburg. Bündnis wächst: Prominente, Gewerkschaften, Sportler und Kirchen rufen zur Demo gegen AfD auf. Warum Udo Lindenberg mitmacht.
Es ist ein breites Bündnis, und es wird stündlich immer breiter: Zahlreiche Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, Wirtschaftsverbände und Vereine sowie viele Prominente rufen für Freitag zu einer großen Demonstration gegen rechts auf dem Rathausmarkt auf. Ihr Motto: „Hamburg steht auf“. Konkret wollen sie gegen die AfD protestieren, die nach den jüngsten Enthüllungen „endgültig von einer rechtspopulistischen zu einer rechtsextremen Partei“ geworden sei.
Zu den zahlreichen prominenten Unterstützern des Protestes zählen mittlerweile immer mehr Hamburger Sportgrößen sowie Politiker. Auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird auf der Kundgebung am Freitag ab 15.30 Uhr auf dem Rathausmarkt sprechen – ebenso wie Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit. Thalia Theater-Intendant Joachim Lux wendet sich ebenfalls an die Demonstranten. Hinter dem Aufruf, den der Deutsche Gewerkschaftsbund zusammen mit den „Unternehmern ohne Grenzen e.V“ gestartet hat, stellen sich nun auch der HSV-Vorstand, FC-St. Pauli-Präsident Oke Göttlich sowie der Footballspieler Patrick Esume.
„Hamburg ist eine internationale und vielfältige Stadt. Unsere Wirtschaft, unsere Kulturszene und unsere Wissenschaft sind weltweit vernetzt. In unserer Stadt leben und arbeiten Menschen verschiedener Herkunft friedlich zusammen. Wir wollen, dass das so bleibt“, heißt es in dem gemeinsamen Aufruf. Seit geraumer Zeit würden diese Werte von rechtsextremistischen Kräften infrage gestellt. Das Bündnis beruft sich dabei ausdrücklich auf die hamburgische Verfassung, wonach sich die Hansestadt „gegen Rassismus und Antisemitismus sowie jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ einsetzt.
„Hamburg steht auf“: Protest gegen radikalisierte AfD und ihren „Masterplan“ geplant
Insbesondere die AfD habe in den vergangenen Jahren eine deutliche Radikalisierung vollzogen. Sie schmiede mit anderen Neonazis und rechtsradikalen Kräften einen sogenannten „Masterplan“, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben. „Die AfD-Strategen und ihre Handlanger nennen es vornehm ,Remigration‘ – dabei geht es um Vertreibung und Deportation. Diese Pläne wollen das grausamste Kapitel deutscher Geschichte wieder aufleben lassen.“
Auch der Musiker und Hamburger Ehrenbürger Udo Lindenberg unterstützt die Kundgebung gegen Rechtsextremismus. Das tue er, „weil ich die konsequent demokratische Grundhaltung jeden Tag lebe, so auch jetzt“, sagte Lindenberg. „Nie Wieder ist heute, das ist in unsere Seelen eintätowiert.“ Er sei „ein totaler Fan unserer Verfassung“. Die politische Lage sei nicht nur derzeit gefährlich. „Das ist schon seit Jahren eine gruselige Entwicklung. Seit Jahren gibt es meine Songs dagegen und meinen Appell zu handeln“, sagte Lindenberg.
Welche Hamburger Prominente den Protest unterstützen
Die Demonstration soll am Freitag um 15.30 Uhr auf dem Hamburger Rathausmarkt beginnen. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs zählen zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie Ehrenbürger John Neumeier. Prof. Mojib Latif, Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, Erzbischof Stefan Heße, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Philipp Stricharz, Özlem Nas (Schura Hamburg), Polarforscher Arved Fuchs und der Meteorologe Frank Böttcher sowie der Kabarettist Kerim Pamuk. Insbesondere viele Kulturschaffende rufen zu dem Protestzug auf, darunter die Intendanten Joachim Lux (Thalia Theater), Karin Beier (Schauspielhaus), Christoph Lieben-Seutter (Elbphilharmonie), Isabella Vértes-Schütter (Ernst Deutsch Theater) und Amelie Deuflhard (Kampnagel). Hinter dem Protest stehen die „Unternehmer ohne Grenzen“, die evangelische Nordkirche sowie diverse Gewerkschaften und die „Omas gegen Rechts“.
Kazim Abaci, Geschäftsführer der „Unternehmer ohne Grenzen“ und SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, rechnet damit, dass „die Kundgebung groß wird“. Der Versammlungsbehörde habe man zunächst 4000 Teilnehmern angegeben. „Aber wir gehen davon aus, dass es mehr werden“, sagt er. In Köln waren bei einem vergleichbaren Protest 1000 Demonstranten angemeldet worden; es kamen aber an die 30.000.
Hamburger Prominente sehen „reale Gefahr für Demokratie“
Zu den Initiatorinnen des Protestes zählt Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs, derzeit auch amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Mit Forderungen nach einer massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund wird eine Grenze überschritten. Spätestens jetzt müssen wir ein starkes Signal aus der Mitte der Gesellschaft gegen Rassismus und Antisemitismus setzen“, sagte sie. „Als Kirchen dürfen wir hier nicht schweigen, denn christlicher Glaube und völkisches Denken passen nicht zusammen“, so Fehrs. „Am Freitag steht Hamburg auf – und ich hoffe, dass überall in unserem Land weitere Zeichen für Vielfalt und Freiheit folgen werden. Die Mehrheit bricht ihr Schweigen, und das wird höchste Zeit!“
Wie Fehrs sehen auch die Prominenten und Verbände im Erstarken der Rechten „eine reale Gefahr für unsere Demokratie, unseren Staat und unsere Verfassung“ und erklären: „Dazu werden wir nicht schweigen. Wer Menschen allein aufgrund ihrer politischen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Prägung aus Deutschland vertreiben will, muss mit unserem entschlossenen Widerstand rechnen.“ Hamburgs Erzbischof Stefan Heße äußerte sich auf der Plattform X (vormals Twitter) tief besorgt. „Die Vorbereitung rechtsextremer Umsturz- und Vertreibungspläne in unserem Land hat ein gefährliches Ausmaß erreicht“, so der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen und Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Großteil der Rathauspolitik unterstützt „Hamburg steht auf“
Auch große Teile der Hamburger Rathauspolitik stellen sich hinter den Protest. So wird er offiziell von dem SPD-Landesverband sowie der SPD-Bürgerschaftsfraktion unterstützt, ebenso wie von Grünen und Linken. Auch CDU-Fraktionschef Dennis Thering nimmt nach Abacis Worten teil.
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Vor einigen Tagen hatte das Recherchenetzwerk „Correctiv“ enthüllt, dass es im November ein Treffen radikaler Rechter in einer Potsdamer Villa gegeben hatte. Daran teilgenommen hatten auch einzelne AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, bestätigte, dass er dort über „Remigration“ gesprochen hatte. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Laut „Correctiv“-Recherche nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“.
„Hamburg steht auf“: Was die AfD zu dem geplanten Protest sagt
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann wies die Kritik als haltlos zurück und distanzierte sich von dem Potsdamer Treffen und den dort diskutierten Zielen. Zum Demo-Aufruf sagte er: „Wer hier von Deportationen spricht, überschreitet Grenzen und verharmlost die NS-Zeit.“ Es habe kein AfD-Geheimtreffen und keine Deportationspläne gegeben. Die AfD fordere, Asylzentren in sicheren Staaten einzurichten, dieses sei mit dem Grundgesetz vereinbar.