Hamburg. Die CDU hat die Innere Sicherheit zum Top-Wahlkampfthema erklärt und sagt, was sich am Hauptbahnhof ändern muss. Ein Kommentar.
Das altehrwürdige Rathaus von Zürich aus dem Jahr 1698 und das rund 200 Jahre jüngere Hamburger Rathaus liegen 871 Kilometer voneinander entfernt. Geografisch. Gefühlt lagen das hübsche Gebäude der Architectura recreationis und der schöne Bau im historistischen Stil der norddeutschen Neorenaissance zumindest am Donnerstagvormittag sehr viel dichter beieinander. Denn als die Hamburger CDU am Donnerstag ihre Pläne zur Inneren Sicherheit in der Hansestadt in eben jenem Hamburger Rathaus vorgestellt hat, war auch immer wieder von der 420.000-Einwohner-Stadt in der Schweiz und den Entscheidungen im dortigen Rathaus die Rede.
In Kurzform sagten Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering und Dennis Gladiator, der innenpolitische Sprecher, dass Zürich für Hamburg eine Art Vorbild sein kann, sein sollte. Der Hintergrund: Die größte Stadt in der Schweiz habe in den vergangenen Jahren das hinbekommen, woran sich der Hamburger Senat seit Wochen, Monaten und sogar Jahren die Zähne ausbeißt. Anders als hier sei der einst so verrufene Hauptbahnhof dort mittlerweile überwiegend drogen- und gewaltfrei – oder in nur einem Wort: sicher.
Die Hamburger CDU will sich in Sachen Hauptbahnhof an Zürich orientieren
Hamburg und der Hauptbahnhof. Über kaum ein politisches Thema wurde in den vergangenen Monaten hier so viel berichtet. Die CDU bezeichnete den Hauptbahnhof bereits als „Angstraum“ oder „No-go-Area“ und machte ihn zu einer Art Sicherheits-Blaupause für die ganze Stadt. Eine der CDU-Sofortideen: Hamburg muss von Zürich lernen.
Bleibt nur die Frage, ob Zürich wirklich zum Vorbild für Hamburg taugt.
Anfang der Neunziger galt Zürich mit 5000 Abhängigen als Problemstadt
Tatsächlich gab es in der Eidgenossen-Metropole in den Neunzigern eine offene Drogenszene mit bis zu 5000 Abhängigen, Obdachlosencamps, Schießereien. Dann wurde Mitte der Neunziger die Drogengesetzgebung liberalisiert und drei Konsumräume dezentral über die Stadt verteilt, die bis heute morgens bis abends geöffnet sind. Zudem sind 50 Sozialarbeiter im Einsatz.
Natürlich gibt es auch heute noch Drogenabhängige in Zürich, dafür aber kaum Obdachlose. Der Drogenkonsum im öffentlichen Raum ist extrem zurückgegangen, was zu einem subjektiv größeren Sicherheitsempfinden führt.
Doch subjektiv und objektiv sind bekanntlich zwei Paar Schuhe. Hamburg hat den gefährlichsten Hauptbahnhof Deutschlands, sagt beispielsweise die CDU. In den Top Ten von Deutschlands Großstädten würde Hamburg eher auf den hinteren Rängen rangieren, hält die SPD dagegen. Und recht haben beide.
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Denn als Deutschlands größter Bahnhof mit täglich rund 540.000 Reisenden gibt es in Hamburg natürlich mehr Delikte als in Meppen, Stade oder Flensburg. Aber prozentual steht Hamburg eben gar nicht so schlecht da, wie manchmal angenommen.
Doch die innere Sicherheit interessiert jeden. Mit ihr kann man Wahlen gewinnen. Das weiß die CDU. Und das wusste auch schon die Schill-Partei, die 2001 mit einem monothematischen Wahlkampf mehr als 19 Prozent der Stimmen bekommen hat.
Man darf das Thema der Inneren Sicherheit nicht der AfD überlassen
Wer es aber ernst mit der inneren Sicherheit meint, der sollte den schillschen Populismus aus der Debatte lassen. Es ist gut, dass die CDU den Finger in die Wunde hält und das Topthema nicht alleine der AfD überlässt. Aber die CDU muss auch plausibel erklären, wie sie ihre Forderungen von mehr Polizisten, mehr Justizbeamten und mehr Videoüberwachung finanzieren will.
Und Zürich? Da ist die Welt in Wahrheit auch nicht rosarot. Nicht einmal zwei Wochen ist es her, dass in der „Neuen Zürcher Zeitung“ in einer großen Reportage stand: „In diesem Sommer ist die Drogenszene in Zürich aus der Balance geraten.“