Hamburg. Großes Thema beim Neujahrsempfang: der Aufstand der Landwirte. Was Politiker aus Hamburg und Schleswig-Holstein sagen.
Sie waren viele, und sie waren laut. Tausende Landwirte haben am Montag dieser Woche den Verkehr in der Hamburger Innenstadt über Stunden weitgehend lahmgelegt, haben Autobahnauffahrten in Schleswig-Holstein blockiert oder sind in Kolonne über die Autobahn 1 getuckert. Der Protest war nicht zu übersehen und zu überhören. „Die Politik hat den Unmut zur Kenntnis genommen“, sagte denn auch Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Am heutigen Donnerstag wird die Politik das erneut können – dann gehen die Proteste der Bauern weiter.
Und so war denn auch der Ärger der Landwirte über die Politik der Ampel-Regierung in Berlin eines der großen Themen beim Neujahrsempfang. Ist der Protest der Bauern gerechtfertigt? Wie weit darf er gehen? Sollte die Bundesregierung die Kürzungen komplett zurücknehmen? Angesichts des massiven Protestes: Sind Maßnahmen mit Nachteilen für Landwirte überhaupt durchsetzbar? Das wollte das Abendblatt von norddeutschen Politikern wissen.
Bauern-Proteste: Das sagt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident
So kann CDU-Politiker Daniel Günther den Protest gegen die Streichung der geringeren Besteuerung von Agrardiesel nachvollziehen. „Für die Branche wäre das eine enorme zusätzliche Belastung, deswegen unterstütze ich die Forderung, sie zurückzunehmen.“ Der Ministerpräsident des immer noch stark landwirtschaftlich geprägten Schleswig-Holsteins spricht von einer „dramatischen Fehlentscheidung“ der „Ampel“, weil sie Kürzungen beschlossen habe, ohne vorab mit dem Berufsstand darüber zu sprechen. Er hoffe, dass der Protest Wirkung zeige und die Bundesregierung mit der Landwirtschaft eine gemeinsame Lösung finde. Günther kritisierte die Blockade einer Fähre mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an Bord scharf, die von Hallig Hooge kam.
Das sagt Hamburgs Bürgermeister
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte, es sei okay, wenn sich Landwirte mal lautstark zu Wort zu meldeten. Proteste seien grundsätzlich legitim und gehörten zur Demokratie. „Sie müssen natürlich im Rahmen bleiben. Es darf nicht zu persönlichen Angriffen kommen wie auf Herrn Habeck.“
Das sagt Hamburgs Landwirtschaftssenator
Im Hamburger Senat ist der Grüne Jens Kerstan für die Landwirtschaft zuständig. Seine Partei hatte in der Bundesregierung die ursprünglich deutlich weitergehenden Kürzungen mitgetragen. Lediglich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen hatte sich zunächst ohne Erfolg auf die Seite der Bauern geschlagen. Kerstan sagte, er könne verstehen, dass vor allem kleine landwirtschaftliche Betriebe von den zunächst geplanten Maßnahmen der Bundesregierung hart getroffen worden wären.
„Man muss aber anerkennen, dass die berechtigte Kritik gehört und entsprechende Kürzungen inzwischen auch relativiert wurden. Statt Konfrontation sollten wir uns wieder auf den Dialog konzentrieren, um gemeinsam diese schwierige Zeit zu meistern.“ Kerstan warnte davor, dass das Anliegen der Bauern instrumentalisiert werde, um die Demokratie zu schwächen.
Das sagt der FDP-Fraktionschef im Kieler Landtag
Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Christopher Vogt würde es begrüßen, wenn die Bauern komplett von Streichungen verschont blieben und der Haushalt an anderer Stelle konsolidiert werde. „Ich sehe zum Beispiel bei der Entwicklungshilfe noch weiteres Einsparpotenzial, weil es mir nicht einleuchtet, dass wir noch immer Wettbewerber wie China oder Indien unterstützen. Die Landwirte, die in einem internationalen Wettbewerb stehen, brauchen faire und verlässliche Perspektiven, damit sie in die Zukunftsfähigkeit ihrer Betriebe investieren können.“
Vogt, dessen Partei mit Christian Lindner den Bundesfinanzminister stellt, forderte einen besseren Dialog mit der Landwirtschaft, bei der sich erkennbar viel Frust angestaut habe. Vorfälle wie die Blockade der Fähre in Schlüttsiel oder das Aufstellen von Galgen nennt der FDP-Politiker „Grenzüberschreitungen, auf die der Rechtsstaat eine sehr konsequente Antwort finden muss. Wie bei den ‚Klima-Klebern‘ lehnen wir es ab, rechtswidrig andere Bürgerinnen und Bürger zu blockieren und zu nötigen.“
Das sagt der Fraktionschef der Grünen im Kieler Landtag
Der Fraktionschef im Kieler Landtag, Lasse Petersdotter, nennt seine Grünen eine „Bewegungspartei“. Er habe auch schon Demonstrationen organisiert. Selbstverständlich sei es vollkommen in Ordnung und wichtig, dass auch die Landwirtinnen und Landwirte für ihre Belange auf die Straße gingen. „Protest muss gewaltfrei verlaufen. Ansonsten sind der Kreativität wenig Grenzen gesetzt, und stören kann der Protest natürlich auch.“
Die Bundesregierung habe die Kürzungen in der Landwirtschaft weitgehend zurückgezogen, sagte Petersdotter. „Ich halte das für ein sehr gutes Angebot.“ Er nannte die angekündigten Kürzungen in der Landwirtschaft einen „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die wirklichen Probleme gehen tiefer, wir müssen der Landwirtschaft eine zuverlässige Perspektive für die Zukunft bieten.“
Das sagt die SPD-Vorsitzende in Schleswig-Holstein
Die neue SPD-Fraktionschefin im Schleswig-Holsteinischen Landtag hält die „Verkürzung der aktuellen Aktionen auf bäuerlichen Protest für problematisch“. Das werde den Bäuerinnen und Bauern nicht gerecht, sagte Serpil Midyatli. Unter die Bauern hätten sich „politische Kräfte, die Interesse an einer Destabilisierung der Lage haben“, gemischt. Midyatlis Partei, die SPD, stellt mit Olaf Scholz den Bundeskanzler und verantwortet die Kürzungen mit.
Dennoch sprach die SPD-Chefin davon, dass ihre Partei eine andere Vorstellung von Haushaltspolitik habe. „Statt mit Kürzungen hätten wir die Finanzierungslücke gerne über höhere Steuern für Superreiche geschlossen. Das war mit der FDP aber nicht zu machen.“ Midyatli sprach von einer Stimmung im Land, die deutlich schlechter sei als die tatsächliche Lage. „Ich habe die Hoffnung, dass sich das im Laufe des Jahres drehen wird.“
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Das sagt der Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein
Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen, ein gebürtiger Däne, teilt die Einschätzung von Ifo-Chef Clemens Fuest, wonach einer sehr kleinen Berufsgruppe eine recht unverhältnismäßige Einsparlast aufgebürdet werde. Den Protest der Landwirtinnen und Landwirte gegen die Streichung der geringeren Besteuerung von Agrardiesel kann er deshalb sehr gut nachvollziehen. Für die Branche wäre das eine enorme zusätzliche Belastung. Madsen ist für deren Rücknahme. Dass die Ampel den Beschluss gefasst habe, ohne mit den Bauern zuvor in den Dialog zu kommen, hält er für eine „dramatische Fehlentscheidung gegen den ländlichen Raum und gegen die Landwirtschaft“.