Kiel. Werner Schwarz ist Landwirt – und jetzt im Kabinett von Daniel Günther. Aus dem Nichts soll er eine Behörde schaffen. Was er vorhat.
An seinem ersten Arbeitstag gab es – nichts. Keine Mitarbeiter, kein Büro, keine Rechner. Werner Schwarz ist der neue Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Er musste vor vier Wochen bei null anfangen, eine Behörde aus dem „Boden zu stampfen“. Zuletzt lag die Zuständigkeit für das Thema beim Umweltminister.
Jetzt lösen Schwarz und sein Stab 200 Fachleute aus drei Ministerien heraus und bringen sie im Landwirtschaftsministerium neu zusammen. Wie das funktioniert und welche Prioritäten er setzen will, erzählt der gelernte Landwirt und langjährige Bauernpräsident von Schleswig-Holstein im Abendblatt.
Hamburger Abendblatt: In den Niederlanden blockieren Bauern Autobahnen. Sie protestieren seit Wochen gegen neue Umweltauflagen, mit denen der Eintrag von Stickstoff reduziert werden soll. Fürchten Sie ähnliche Proteste auch bei uns?
Werner Schwarz: Ganz auszuschließen sind solche Proteste bei uns nicht. Aber das Potenzial ist in Deutschland lange nicht so hoch. Unsere Kürzungen sind nicht so drastisch. Es hat bei uns also nicht die Dramatik wie in den Niederlanden.
Aber das Bündnis „Landwirtschaft verbindet Deutschland” hat Widerstand auch bei uns angekündigt. Man fürchtet, dass strengere Vorgaben in Holland zeitversetzt auch in Deutschland umgesetzt werden.
Schwarz: Es geht darum, lange bestehendes europäisches Recht überall umzusetzen. Die Auswirkungen bei uns werden nicht so drastisch sein wie in den Niederlanden. Aber auch bei uns wird es zu Änderungen kommen. Kurzfristig geht es um eine neue Düngeverordnung, langfristig steht zum Beispiel eine neue EU-Rahmenrichtlinie zum Wasserschutz aus. Das wird Folgen haben.
Sie sollen eine Behörde aufbauen, die es vorher nicht gab. Wie funktioniert das?
Schwarz: Es ist eine logistische Herausforderung: Wir lösen aus drei Ministerien Abteilungen heraus und müssen das neu angemietete Gebäude für die neuen Kolleginnen und Kollegen vorbereiten und ausstatten.
Für die Arbeit in Ihrem Haus werden rund 200 Fachleute aus dem Umwelt-, Innen- und Justizministerium abgezogen. Wie lange dauert es, bis Sie alle am neuen Standort versammelt haben?
Schwarz: Wir gehen davon aus, dass Ende des Jahres die Umzüge abgeschlossen sind. Bis dahin müssen wir über die Distanzen hinweg arbeiten, die in Kiel glücklicherweise nicht besonders groß sind. Kein Mensch wartet darauf, dass das Landwirtschaftsministerium endlich an einem Standort versammelt ist. Das heißt: Wir können die Agrarpolitik nicht bis zu dem Zeitpunkt schleifen lassen.
Das bedeutet, dass Sie auch digitale Formate wie Videokonferenzen nutzen?
Schwarz: Am Anfang standen Antrittsbesuche in den Abteilungen auf meiner Agenda. Dann gab es Personalversammlungen mit allen Beschäftigten. Jetzt folgen persönliche Gespräche. Und parallel nutzen wir die Ferienzeit, die Infrastruktur – auch die digitale – im neuen Gebäude herzustellen.
Wie viele Menschen arbeiten dort bereits?
Schwarz: Wir sind aktuell ein kleines Team. Die Leitungsebene und die ersten Kolleginnen und Kollegen, die den Aufbau der Behörde organisieren, sind schon da.
In Politikkreisen war damit gerechnet worden, dass Daniel Günther die Zuständigkeit für Landwirtschaft nicht länger den Grünen überlässt. Sollen Sie die CDU-nahe Klientel ruhigstellen?
Schwarz: Das ist nicht mein Ziel. Ich will mit meinen Kolleginnen und Kollegen die Rahmenbedingungen für eine gute Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein gestalten.
Sitzen Sie als Landwirt, langjähriger Bauernpräsident und jetzt Minister nicht „zwischen den Stühlen“?
Schwarz: Sehen Sie es positiv: Ich verfüge über ein gutes Netzwerk. Und die Lage ist eindeutig: Ich bin jetzt dem Parlament verpflichtet und stehe in einer Kabinettsdisziplin. Da kann man keine Lobbypolitik machen. Das werden meine früheren Kolleginnen und Kollegen auch akzeptieren.
Was sind Ihre drei dringlichsten Themen, die Sie als Minister angehen wollen?
Schwarz: Die Koalition hat ein 100-Tage-Programm aufgestellt. Dazu gehört, den Dialogprozess zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein weiterzuführen. Zudem wollen wir ein Kompetenzzentrum für klimaeffiziente Landwirtschaft aufbauen. Wenn wir ein klimaneutrales Industrieland werden wollen, dann muss auch die Landwirtschaft liefern. Und drittens wollen wir eine Bildungsoffensive starten, die die Verbindung zwischen Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung stärkt.
Die Landwirte werden aber auch sehr konkrete Erwartungen haben. Im Koalitionsvertrag steht: Insbesondere unsere Schweinehaltenden, die durch die Afrikanische Schweinepest, die Corona-Pandemie und neue Auflagen vor großen Herausforderungen stehen, brauchen wieder eine Perspektive.“ Wie soll die Unterstützung aussehen?
Schwarz: Das ist eine große Herausforderung. Wir können uns an den Empfehlungen der Borchert-Kommission zur Nutztierhaltung orientieren. Wenn wir die Transformation der Tierhaltung gestalten wollen, muss der Bund das unterstützen. Was das finanziell für Schleswig-Holstein bedeutet, wird sich noch zeigen. Außerdem bieten wir zusammen mit der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein eine Perspektivberatung für Sauenhalter/-innen an. Auch bauen wir für 1,5 Millionen Euro einen Zukunftsstall. Ziel ist, dass die Landwirt/-innen keine Versuche mit neuen Tierhaltungssystemen in ihren Betrieben machen müssen, sondern erprobte Systeme in ihren Ställen übernehmen können.
Die Grünen hatten im Wahlkampf einen deutlich höheren Anteil der Biohöfe gefordert. Er liegt aktuell deutlich unter zehn Prozent. Konnte die CDU das Schlimmste aus Sicht der Bauern verhindern?
Schwarz: Im Koalitionsvertrag haben wir festgehalten, dass wir die Anzahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe bis Ende der Legislaturperiode 2027 verdoppeln wollen. Damit erhöhen wir schon das Tempo gegenüber den Vorjahren und orientieren uns am Machbaren. „Schlimm“ finden den Zuwachs ökologisch wirtschaftender Betriebe weder die Landwirt/-innen noch die Regierungsparteien.
Schafft die Koalition Anreize für den Umstieg auf Ökolandwirtschaft?
Schwarz: Es gibt schon eine Menge Anreize, die wir noch verstärken. So werden die Ökolandbauprämien ab 2023 erhöht und die Mittel für Projektförderungen aufgestockt. Wir dürfen aber nicht nur die Produktion fördern, sondern müssen auch den Absatz im Blick haben. Da sehe ich noch große Potenziale in der Außer-Haus-Verpflegung, also beispielsweise Kantinen und Gastronomie. Dort ist der Anteil an Bio-Lebensmitteln noch deutlich geringer als der Durchschnittsverbrauch.
Landwirte an der Westküste klagen stark über die Belastung durch den Gänsefraß. Die Koalition will jetzt „effektive Lösungen“ entwickeln. Wie können die aussehen?
Schwarz: Gänsefraß stellt eine Herausforderung dar. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, die Nonnengänse aus dem streng geschützten Artenschutz herauszunehmen und in einen weniger geschützten Status zu überführen. Dann wären Maßnahmen zur Populationsbegrenzung möglich. Zuständig für die Umsetzung ist aber das Umweltministerium.
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Die Population der Nonnengänse zu reduzieren, muss von der EU genehmigt werden. Wie wollen Sie die Bauern unterstützen, bis eine Entscheidung vorliegt?
Schwarz: Die Lage für die Landwirte an der Westküste und den Elbmarschen ist schwierig. Die Tiere lassen sich nur schwer verjagen. In der Folge ist in einigen betroffenen Regionen kein Ackerbau mehr möglich. Hier werden bereits Entschädigungen gezahlt.