Hamburg. Extremisten drohen, den Protest zu kapern. Was die Bauern dazu sagen und inwiefern die Situation einem St.-Pauli-Spiel ähnelt.

Die Bauern sind auf Zinne. Seit die Bundesregierung angekündigt hat, den Landwirten Subventionen für Agrardiesel und die Befreiung von der Kfz-Steuer zu streichen, machen sie ihrem Ärger im ganzen Land mit großen Protestzügen Luft. Am 8. Januar werden besonders heftige Demonstrationen erwartet. Am Montag dürfte auf Hamburgs Straßen wenig rollen – abgesehen von Landmaschinen.

Mit Treckerblockaden hatten sich die Bauern bereits in den vergangenen Jahren immer wieder Aufmerksamkeit für ihre politischen Interessen erkämpft. In diesem Jahr sind die Proteste der Landwirte aber auch deshalb heiß diskutiert, weil die Befürchtung besteht, dass Extremisten oder Akteure aus dem rechten Spektrum die Demos unterwandern könnten. Neonazi-Gruppierungen wie der „Dritte Weg“, aber auch die Partei AfD bekunden, jetzt an der Seite der Bauern zu stehen und sich für ihre Interessen starkzumachen.

Bauernproteste in Hamburg: Landwirte distanzieren sich von Extremisten

Unterstützung auf die der Bauernverband Hamburg offenbar lieber verzichten würde. Die Vertreter des Berufsstandes distanzieren sich klar von extremen politischen Meinungen und Protestformen, beispielsweise der kürzlichen Blockade einer Fähre, auf der sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befand. 250 wütende Landwirte hatten den Grünen-Politiker im Ort Schüttsiel daran gehindert, das Wasserfahrzeug zu verlassen.

Solche Gewalt auf Demonstrationen sei am 8. Januar unerwünscht: „Wir setzen uns für friedliche und demokratische Proteste ein, bei denen unterschiedliche Meinungen respektiert und diskutiert werden können“, heißt es vom Hamburger Bauernverband.

Hamburger Bauern-Präsident: „Das ist wie ein Spiel zwischen St. Pauli und Hansa Rostock“

Aggressionen würden dem Anliegen der Hamburger Bauern letztlich eher schaden. Deshalb ruft der Verband die Teilnehmer der Demonstration am Montag dringlich dazu auf, demokratisch zu handeln und gewaltfrei für ihre Interessen zu kämpfen. Reichsbürger, Demokratiefeinde und Lügenpresse-Rufende, „die an allem zweifeln, was in unserem Staat passiert, die wird es immer geben. Die gibt es auch in allen Berufsgruppen“, sagt Verbandspräsident Martin Lüdeke, „aber wir können alles dafür tun und alle ermahnen, sich an die demokratischen Spielregeln zu halten.“

Verhindern könne man die Teilnahme von Extremisten an der Demo aber nicht, so Lüdeke: „Sie müssen sich das vorstellen, wie bei einem Spiel zwischen St. Pauli und Hansa Rostock“, sagt er. „Da lässt sich nicht ausschließen, dass Rechtsradikale oder Linksradikale kommen, die dann im Stadion eine Stimmung auslösen, die vorher nicht absehbar war.“

Martin Lüdeke, hier in seinem Kuhstall, ist der Präsident des Hamburger Bauernverbands.
Martin Lüdeke, hier in seinem Kuhstall, ist der Präsident des Hamburger Bauernverbands. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Deutscher Bauernverband will Demos nicht von Schwachköpfen kapern lassen

Auch der Dachverband positioniert sich klar gegen eine Instrumentalisierung der Proteste durch Akteure aus dem rechten Spektrum. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, teilt anlässlich des Fährenvorfalls in Schüttsiel mit: ,,Blockaden dieser Art sind ein No-Go. Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt.“ Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigungen oder Gewalt seien nicht vertretbar.

Mit „Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen, die unsere Aktionswoche kapern und unseren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen“, mache der Verband keine gemeinsame Sache, so ein Instagram-Post des DBV.

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Einer jener, der sich mit den Bauern solidarisiert, ist der Hamburger AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. Er teilt mit: „Die AfD Hamburg steht fest an der Seite der Bauern und Arbeitnehmer, die unser Land am Laufen halten und die für ihre legitimen wirtschaftlichen Interessen kämpfen.“ Eine „linksgrüne Politikerkaste“, zu der auch Robert Habeck zähle, entferne sich von der Bevölkerung und ihren realen Problemen. „Schluss mit unsinnigen linksgrünen Ideologieprojekten“, fordert der AfD-Mann.

Die jüngsten Proteste gegen Vizekanzler Habeck seien Nockemann zufolge zwar zu weit gegangen, jedoch auch „Ausdruck der Verzweiflung und der Wut auf die katastrophale Ampelpolitik“, so die Sicht der Hamburger AfD.

Polizei Hamburg ist auf heiß diskutierte Bauernproteste vorbereitet

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte erst kürzlich vor einer Unterwanderung der Bauernproteste durch Extremisten gewarnt. Wie ein Sprecher der Ministerin mitteilte, sei davon auszugehen, dass diese versuchen würden, die Bauernaufmärsche zu missbrauchen und für ihre eigenen Interessen zu instrumentalisieren. Eine klare Distanzierung, wie sie etwa der Bauernverband Hamburg per Statement klarmacht, sei daher wichtig.

Die Polizei in Hamburg ist nach Angaben ihres Sprechers Thilo Marxsen auf die heiß diskutierten Aufzüge und Versammlungen der Bauern eingestellt. „Wir werden die Entwicklung am Montag aufmerksam verfolgen und treffen mit unseren Einsatzkräften lageangepasst die jeweils erforderlichen Maßnahmen“, so Marxsen. Genaueres wollen die Beamten aus strategischen Gründen nicht öffentlich machen.