Berlin. Wer am Montag mit dem Auto unterwegs ist, bekommt unter Umständen viele Traktoren, aber nicht die Autobahn zu sehen. Tausende Bauern wollen gegen die Agrarpolitik demonstrieren. Ihr Verband mahnt zur Mäßigung.
Viele Pendler müssen sich am Montag wegen Bauernprotesten auf starke Verkehrsbehinderungen einstellen. Geplant sind unter anderem Konvois mit Traktoren und Kundgebungen, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Der Bauernverband appellierte am Wochenende an die Teilnehmer, auf Aktionen vor Wohnungen von Politikern oder persönliche Anfeindungen zu verzichten. Vertreter der Bundesregierung machten deutlich, dass es nach der teilweisen Rücknahme ihrer Sparpläne kein weiteres Entgegenkommen geben könne.
Der Bauernverband plant eine Protestwoche, die am 15. Januar mit einer Demonstration in Berlin gipfeln soll. Bereits für Montag sind zahlreiche Aktionen von Flensburg bis an den Bodensee angekündigt. Protestfahrten sind etwa in den Großräumen Hamburg, Bremen, Potsdam, Magdeburg, Halle sowie im Rhein-Main-Gebiet und im Saarland geplant. Kundgebungen sind unter anderem in München, Erfurt und in Ravensburg im südlichen Baden-Württemberg vorgesehen. In Berlin soll es bereits an diesem Montag auch eine Demonstration mit Traktoren am Brandenburger Tor geben. In NRW sind größere Versammlungen in Köln, Bonn, östlich von Dortmund und in Münster geplant.
Als ein Schwerpunkt der Proteste zeichnen sich Autobahnauffahrten ab. In mehreren Bundesländern kündigten Organisatoren an, diese blockieren zu wollen. Autofahrer müssen sich also auf Staus einrichten. Mehrere Kultusministerien der Länder kündigten an, dass Schüler entschuldigt werden, sollten sie es wegen der Aktionen nicht zum Unterricht schaffen.
Theoretisch könnten auch Bahnfahrgäste Anfang der Woche von Behinderungen betroffen sein. Möglich sind Streiks der Lokführergewerkschaft GDL, weil dann eine selbstauferlegte Weihnachtsruhe im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn endet. Allerdings hat der Deutsche Beamtenbund - in dem die GDL organisiert ist - erklärt, dass es zumindest am Montag und Dienstag keine Arbeitsniederlegungen gibt.
Sparpläne teilweise kassiert
Der Protest der Bauern entzündete sich an Sparplänen der Bundesregierung, die ihre Subventionskürzungen teilweise zurückgenommen hat. So soll die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer für die Agrarindustrie weiter gelten. Die Vergünstigung von Agrardiesel soll nur schrittweise abgeschafft werden. Dem Bauernverband gehen diese Änderungen nicht weit genug. Er argumentiert unter anderem mit dem internationalen Wettbewerb, in dem sich die Landwirte behaupten müssen.
Zugleich rief der Verband die eigenen Anhänger zur Mäßigung auf. „Demo-Symbolik wie Galgen, schwarze Fahnen oder andere Symbole extremistischer Gruppen lehnen wir entschieden ab!“ Man distanziere sich scharf von Personen, die Umsturzfantasien propagierten oder Gewalt verherrlichten, hieß es in dem auf X (früher Twitter) veröffentlichten Appell.
Das gelte auch für rechtsextremistische Kreise und andere radikale Randgruppen - „auch weil diese teilweise unseren Protest für ihre niederträchtigen Anliegen vereinnahmen wollen“. Landwirte seien aufgerufen, nur friedlich zu demonstrieren und nur an angemeldeten und genehmigten Aktionen teilzunehmen.
Habeck konnte nicht von Fähre
Hintergrund des Appells war offenbar eine eskalierte Aktion am Donnerstagabend an der Nordseeküste, als Wirtschaftsminister Robert Habeck von Demonstranten gehindert wurde, auf einer Privatreise eine Fähre zu verlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Auch Politiker von Regierung und Opposition riefen die Landwirte auf, sich an Recht und Gesetz zu halten. „Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren. Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um“, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP). Protest müsse verhältnismäßig und im Rahmen der demokratischen Ordnung erfolgen.
Ähnlich äußerte sich Agrarminister Cem Özdemir (Grüne). Er hatte bereits am Freitagabend im ZDF gesagt: „Wer jetzt glaubt, mit Umsturzfantasien hier irgendwie Eindruck machen zu können, wird sehen, dass die Mehrheit unseres Landes und auch die Politik da sehr klar steht: Wir sind nicht erpressbar.“ Er unterschied dabei zwischen einem legitimen Protest und Aktionen wie gegen Habeck.
Wie Özdemir verteidigte auch Lindner die Politik der Ampel-Regierung. „Gerade eine europäisch und national so hochsubventionierte Branche wird sich nicht jedes Konsolidierungsbeitrags erwehren können“, sagte der FDP-Chef. Man könne nicht auf der einen Seite von der gesenkten Stromsteuer profitieren wollen und zusätzliche Fördermittel für den Stallumbau fordern und auf der anderen Seite an alten Subventionen festhalten.