Hamburg. Ab sofort ist die Vertretung der russischen Föderation in Alsternähe als Konsequenz des Ukraine-Kriegs geschlossen. Wie geht‘s weiter?
Elena hatte Glück im Unglück. „Man muss ja seinen Pass alle zehn Jahre verlängern. Und meinen habe ich gerade erst vor einigen Monaten im Generalkonsulat in Hamburg verlängert“, sagt die Russin, die mit ihrem mexikanischen Mann Hugo in Altona wohnt. „Als ich jetzt aus den Medien erfahren habe, dass das Hamburger Generalkonsulat geschlossen wurde, dachte ich nur: Gerade noch einmal Glück gehabt.“
So wie Elena erging es in der letzten Woche vielen Russinnen und Russen in Hamburg: Sie haben nur aus der Zeitung erfahren, dass ihre Vertretung auf der Uhlenhorst am Feenteich ab Neujahr geschlossen ist. Der Unterschied: Anders als Elena haben viele andere weniger Glück – und müssen jetzt wegen anliegender Formalitäten zur Botschaft nach Berlin oder ins letzte von ursprünglich fünf in Deutschland verbliebenen Generalkonsulaten nach Bonn.
Neben Hamburg mussten noch drei weitere russische Generalkonsulate schließen
Bereits im Mai des vergangenen Jahres hatte die Bundesregierung den Betrieb von vier russischen Generalkonsulaten in Deutschland untersagt. In einer schriftlichen Antwort an das Abendblatt heißt es sehr formal aus dem Auswärtigen Amt: „Die Liegenschaften der Vertretungen dürfen nicht mehr für hoheitliche Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten im Sinne des WÜK (Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, die Red.) genutzt werden. Es erlöschen für diese Liegenschaften die Vorrechte sowie der Schutz aus dem WÜK.“
Oder in Kurzform zusammengefasst: aus und vorbei für das Hamburger „Russland-Haus“. Auch Marcel Schweitzer, Sprecher des Senats, bestätigt: „Das Generalkonsulat der Russischen Föderation wurde zum 1. Januar 2024 geschlossen. Die konsularische Betreuung von russischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern mit Wohnsitz in Hamburg wurde von der Konsularabteilung der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin übernommen.“
Generalkonsulat in Hamburg war für 125.000 Russen Anlaufstelle
Betroffen sind nicht nur rund 10.000 Hamburger und Hamburgerinnen mit russischen Wurzeln. Sondern insgesamt sogar rund 125.000 russische Staatsbürger aus Norddeutschland, für die das Generalkonsulat in der Nähe der Außenalster der erste Anlaufpunkt war.
Hintergrund der Schließung ist natürlich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Durch die anschließenden diplomatischen Spannungen hatte die russische Regierung im Frühjahr 2023 die deutsche Gesamtpräsenz in Russland auf 350 Personen begrenzt.
Auswärtiges Amt erklärte Entscheidung mit Schließungen in Russland
„Reziprok zur deshalb notwendigen Schließung der deutschen Generalkonsulate in Kaliningrad, Jekaterinburg und Nowosibirsk wurde Russland am 31. Mai 2023 aufgefordert, die Anzahl seiner Generalkonsulate in Deutschland auf eines zu reduzieren und die Abwicklung der vier übrigen Generalkonsulate umgehend zu veranlassen und bis spätestens zum 31. Dezember 2023 abzuschließen“, heißt es in der Erklärung des Auswärtigen Amtes.
Neben Elena sind von der politischen Entscheidung auch Irina K. und ihr Mann Claus K. betroffen. Die russische Irina hat zwar auch erst kürzlich ihren Pass verlängert, aber ihr deutscher Mann musste in den vergangenen Jahren immer wieder zum Generalkonsulat am Feenteich, um ein Visum für Russland zu beantragen. Jetzt müssen sie nach Berlin. Wie Elena haben sie die Nachricht von der Schließung aus den Medien erfahren, benachrichtigt wurden sie nicht. Verständnis haben sie für diese Maßnahme nicht, „weil es immer die Falschen trifft“.
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Tatsächlich ist es fraglich, ob die Entscheidung auch wirklich die russische Regierung trifft. Diese darf auch ohne Konsulatsbetrieb die wertvolle Top-Immobilie nahe der Außenalster behalten. „Eigentümerin der Liegenschaft Feenteich 20 ist die Russische Föderation“, sagt Senatssprecher Schweitzer. „Über die weitere Nutzung kann nur die Eigentümerin Auskunft erteilen.“
Nur ist das mit der Auskunft und Russland so eine Sache. Während die Homepage des Hamburger Generalkonsulats noch immer online (und mit Adresse am Feenteich) ist, scheint die E-Mail-Adresse vom bisherigen Generalkonsul Andrei Sharashkin bereits offline. Wie es mit ihm und dem bisherigen Konsulatspersonal weitergeht, ist unbekannt.
Noch immer schweben Ukraine-Ballons am russischen Generalkonsulat
In der analogen Welt wirkt die Villa am Uhlenhorster Kanal schon jetzt verlassen. Ein paar gelbe und blaue Ukraine-Luftballons an einem Zaun auf der gegenüberliegen Seite erinnern noch an den friedlichen Protest. Am 22. März 2022 wurde sogar die gesamte Immobilie in den ukrainischen Farben von Radio Hamburg angestrahlt, dazu wurde die ukrainische Nationalhymne gespielt. Doch auch die Polizeiwagen, die in den vergangenen Monaten zum Schutz des Generalkonsulats 24 Stunden am Tag vor Ort waren, sind längst abgezogen. Die Herbert-Weichmann-Straße, die viele Monate in diesem Bereich wegen der Polizeipräsenz auf eine Fahrspur verengt war, kann nun wieder zweispurig befahren werden.
Elena hat Verständnis für die politische Entscheidung. Einerseits. Und andererseits erinnert sie daran, dass es auch in Zeiten des Krieges nicht nur Schwarz und Weiß gebe. Seit dem Angriffskrieg am 24. Februar 2022 ist sie sich unsicher, ob sie in Hamburg überhaupt über ihre Nationalität reden kann und sollte. „Wenn mein Mann auf einer Party sagt, dass er aus Mexiko kommt, dann freuen sich alle und stellen viele Fragen. Wenn ich sage, dass ich aus Russland komme, dann herrscht erst einmal Schweigen.“
Auswärtiges Amt: Thematik um Generalkonsulat ist abgeschlossen
Geschwiegen wird nun auch bei der Frage, was aus dem ehemaligen Generalkonsulat in Zukunft werden soll. Nur für das Auswärtige Amt ist die Sachlage klar: „Aus Sicht der Bundesregierung wurde damit die praktische Ausgewogenheit der Präsenzen hergestellt. Damit ist diese Thematik abgeschlossen.“