Hamburg. Immer mehr Objekte wie das russische Konsulat werden rund um die Uhr bewacht. Gewerkschaft klagt: Jede vierte Stelle nicht besetzt.
Die Dauerbewachung gefährdeter Gebäude wird für die Hamburger Polizei zur Belastungsprobe. Intern wird mittlerweile damit gerechnet, dass die Schutzmaßnahmen für das russische und ukrainische Generalkonsulat, die auf der Uhlenhorst nur einige Hundert Meter auseinanderliegen, sich ein halbes Jahr und länger hinziehen werden. Seit seiner Wahl zum Bundeskanzler muss auch die Wohnung von Olaf Scholz in Altona rund um die Uhr bewacht werden. Das Problem: Die der Bereitschaftspolizei angegliederte Einheit mit Angestellten im Polizeidienst, die für Bewachungsaufgaben vorgesehen und ausgebildet sind, ist deutlich unterbesetzt.
Es sind nicht nur die beiden Generalkonsulate Russlands und der Ukraine, die rund um die Uhr beschützt werden: Auch die Visa-Ausgabestelle Russlands, die sich etwa auf halber Strecke zwischen dem russischen Generalkonsulat Am Feenteich und dem ukrainischen Generalkonsulat am Mundsburger Damm an der Kanalstraße befindet, wird bewacht. Die Polizei muss dafür täglich mehr als zwei Dutzend Beamte einsetzen. An einem der Generalkonsulate ist dabei, wegen seiner Lage, auch ein Kleinboot der Wasserschutzpolizei im Einsatz.
Angestellten im Polizeidienst: Mehr als 70 Stellen sind unbesetzt
„Wir sind personell nicht auf die aktuelle Lage eingestellt“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Eher ist das Gegenteil der Fall.“ So seien von 280 Stellen bei den Angestellten im Polizeidienst, die bei der Landesbereitschaftspolizei an der Dienststelle für Objektschutzaufgaben angesiedelt sind, mehr als 70 nicht besetzt (jede vierte).
Den Grund kennt Jungfer: „Viele bewerben sich von dort auf andere Stellen innerhalb der Polizei weg.“ So hat die personelle Aufstockung der Verkehrsdirektion (VD), insbesondere der VD1, bei der zahlreiche Posten für die Auswertung und Abarbeitung von „Blitzerfotos“ geschaffen wurden, oder die „Dienstgruppe lokale Präsenz“ an den Wachen viele Angestellte vom Objektschutz angelockt.
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„Das Arbeiten ist dort für viele Kollegen aus dem Bereich der Angestellten einfach attraktiver“, weiß Jungfer. Zwar hätten die Angestellten etwas weniger Einkommen als beim Objektschutz, weil Extrazahlungen wie die Schichtzulage wegfielen. Dafür ist das Grundgehalt bei der Verkehrsdirektion oder an den Wachen für die Angestellten höher. Jungfer: „Der Unterschied ist dadurch nicht sehr hoch“, sagt Jungfer. Dafür fallen Schichtdienst oder Wochenenddienste weg. Das sehen viele der Angestellten als einen Zugewinn ihrer Lebensqualität.“
Bewachung der Wohnung von Olaf Scholz ist eine „Lebensaufgabe“
Bei der Polizei habe man vor dieser Entwicklung zu lange die Augen verschlossen. „Seit 2020 werden keine neuen Lehrgänge für Objektschutzkräfte mehr durchgeführt“, sagt Jungfer. „Das rächt sich jetzt. Von uns ist es eine ganz klare Forderung, dass solche Lehrgänge regelmäßig durchgeführt werden müssen, um die Abwanderung von Objektschutzkräften in andere Bereiche kompensieren zu können.“ In der jetzigen Situation müssen Ausfälle durch den Einsatz von Polizeibeamten kompensiert werden.
Aktuell werden die Beamten für die Schutzmaßnahmen an den beiden Konsulaten und der Visa-Ausgabestelle von den örtlichen Polizeiwachen gestellt. Zwar liegen alle drei Gebäude im Bereich des Polizeikommissariats 31 an der Oberaltenallee. Für die Aufgabe werden aber Beamter aller Hamburger Polizeiwachen, inklusive der Wasserschutzpolizei, herangezogen. Weil man davon ausgeht, dass die Bewachung eine vorübergehende Aufgabe sein wird, sind in der Berechnung noch keine Stellen für Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen vorgesehen. Dann würde sich der Personalbedarf etwa verdoppeln.
Nicht temporär, sondern eine echte „Lebensaufgabe“ dürfte die Bewachung der Wohnung von Olaf Scholz in Altona sein. Dort stehen rund um die Uhr Beamte vor der Tür. Die Schutzmaßnahme wird auch nicht beendet werden, wenn Scholz einmal nicht mehr Bundeskanzler ist. Das Haus von Altkanzler Helmut Schmidt beispielsweise wurde bis an sein Lebensende bewacht.
Vor dem Generalkonsulat der USA gelten schärfste Sicherheitsmaßnahmen
Zudem sind die Schutzmaßnahmen nicht nur auf die Anwesenheit des Kanzlers in Hamburg oder die Öffnungszeiten der Konsulate und der Visa-Ausgabestelle begrenzt. Weil sie auch Ziel von Farbattacken oder ähnlichem werden könnten, ist dauerhaft Schutz angeordnet. Dass diese Gefahr besteht, zeigte sich am russischen Konsulat, wo ein 60-Jähriger daran gehindert wurde, „Kill Putin“ auf die Fahrbahn vor dem Gebäude zu sprühen. Solche oder größere Gefährdungen gibt es an zahlreichen Stellen in Hamburg.
Vor jüdischen Einrichtungen oder dem Generalkonsulat der USA an der Alster gelten schärfste Sicherheitsmaßnahmen, da auch Terroranschläge befürchtet werden. Die Wohnorte vieler Amtsträger, wie Bürgermeister, Innensenator oder Sozialsenatorin oder Wohnorte hoher Beamter, darunter auch Polizisten, werden ebenfalls als mögliche Ziele von eher symbolträchtigen Attacken, wie Farbschmierereien oder Steinwürfen, gesehen. Auch sie werden von der Polizei bewacht. Welche Schutzmaßnahme im Einzelnen durchgeführt wird, wird per Gefahrenanalyse festgestellt, für die maßgeblich die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts zuständig ist.