Hamburg. Feuerwerk kann zu erheblichen Verletzungen führen, warnen Ärzte. Was Kliniken erwarten und warum OPs so schwierig sind.

Die Notaufnahme des UKE am Wochenende: Blinddarmentzündungen, Schlaganfälle, Menschen mit verdächtig hohem Blutdruck, kleine Unfälle. Dieselbe Notaufnahme des UKE am kommenden Sonntag, Silvester 2023, die gefürchtete Hamburger Neujahrsnacht: Blinddarm, Schlaganfall und so weiter – plus Sprengverletzungen, zum Teil abgerissene Finger und schlimmer. Wenn andere feiern und böllern, haben Oberärztin Annika Hättich und ihre Kolleginnen und Kollegen alle Hände voll zu tun.

„Wir sind vorbereitet auf Sprengverletzungen und darauf, dass bei Böller-Unfällen oft die Augen in Mitleidenschaft gezogen werden. Dazu arbeiten Spezialisten in der Silvesternacht in der Notaufnahme, bei den Augenärzten sind wir doppelt besetzt“, sagt Hättich im Gespräch mit dem Abendblatt.

Silvester 2023 in Hamburg: Notaufnahme des UKE stärker besetzt

Patientinnen und Patienten kommen aus fast allen Altersklassen, sozialen Hintergründen und oft mit in Promille messbarem Anteil an Alkohol im Blut. Nachbarn, Freunde oder Familie der Knallopfer sind gerne ebenfalls dabei.

In den vergangenen Jahren gab es Berichte über schnieke Altbaunachbarschaften nicht weit vom Universitätsklinikum in Eppendorf entfernt, in denen sich die rechte Straßenseite mit der linken „Raketenduelle“ lieferte. Hättich sagt nüchtern: „Es kommen nicht nur junge Leute mit Böllerverletzungen. Wir hatten auch schon jemanden, der einen Böller angezündet hatte, der Hund bellte – und dann wurde für eine Sekunde der Böller vergessen. Das kann für die Betroffenen lebenslange Folgen haben.“

Silvester 2023 in der UKE-Notaufnahme wieder im Einsatz: Oberärztin Dr. Annika Hättich.
Silvester 2023 in der UKE-Notaufnahme wieder im Einsatz: Oberärztin Dr. Annika Hättich. © UKE | UKE

Für die Ärzte stellen die Verletzungen, mit denen sie konfrontiert werden, eine Herausforderung dar. Bisweilen fühlen sie sich der Explosionskraft und den Inhaltsstoffen von Raketen und sonstigen Knallern nahezu ohnmächtig ausgesetzt. „Man wünscht sich zum Beispiel bei Handverletzungen, alles zu erhalten oder wiederherzustellen. Doch die Wunden sind aufgrund der Böllerexplosionen so verschmutzt, dass das nicht immer gelingt. Es ist wie ein Puzzle, wenn Teile fehlen.“

UKE-Unfallchirurgin: Hände weg von illegalen Böllern, Mindestabstand einhalten!

In den Rettungsdienst- und Feuerwehrbilanzen des Neujahrstages steht oft „unsachgemäßer Umgang mit Feuerwerkskörpern“ als Grund für zahlreiche Einsätze. Das klingt sachlich. Doch das kann auch bedeuten, dass jemand einen „Polenböller“ in eine Gruppe von Menschen geworfen hat.

„Polenböller“ können im schlimmsten Fall zu Amputationen führen, weiß Unfallchirurgin Hättich. Sie rät: Hände weg von illegalem Knallzeug, Mindestabstand einhalten!

Auch die Fachgesellschaften für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie (DGH) rufen zum achtsamen Feuerwerken auf. Die Ärzte verurteilen, „dass der Silvester-Brauch zunehmend zweckentfremdet wird und Böller sowie Raketen auch als Kampfgerät gegen Rettungskräfte eingesetzt werden“. Das sei auch bei Demonstrationen zuletzt vorgekommen.

Mieterverein zu Hamburg: Das sollte man beim Böllern beachten

„Die Ereignisse aus dem letzten Jahr haben uns persönlich wehgetan und zugesetzt. Gerade in der Silvesternacht versorgen wir Böllerverletzungen rund um die Uhr. Die Notaufnahmekapazitäten weiter unter Druck zu setzen, indem Helfende absichtlich verletzt werden, ist grauenhaft“, sagt Prof. Steffen Ruchholtz, der stellvertretende DGOU-Präsident.

Die Ärzte weisen darauf hin, dass die Böllerei „inzwischen kriegsähnliche Assoziationen“ erzeuge. Das sei angesichts der derzeitigen weltpolitischen Lage unerträglich. Die DGOU erklärte, die meisten Verletzten seien junge Männer im Alter von bis zu 25 Jahren. Danach kämen Männer zwischen 50 und 60 Jahren.

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In Hamburg warnte auch der Mieterverein vor exzessivem Feiern und Böllern. Die Hausordnung gelte auch zu Silvester, so der Vereinsvorsitzende Rolf Bosse. Partypläne sollten rechtzeitig anderen Hausbewohnern mitgeteilt werden. „Am besten ist es, wenn Mieterinnen und Mieter die Interessen ihrer Nachbarinnen und Nachbarn bereits bei der Planung ihrer Silvesterfeier mit in den Blick nehmen und diese möglichst einbeziehen“, so Bosse.

Der Mieterverein rate angesichts der Verletzungsgefahr und des Klimawandels: „Verzichten Sie auf Silvesterknaller und Raketen, und schützen Sie damit sich und die Umwelt!“