Hamburg. Mehr „blinder Hass“ im Netz: Digitale Sozialarbeiter sollen auch Antisemitismus nach Hamas-Überfall auf Israel entgegenwirken.

Die sozialen Netzwerke im Internet haben in den vergangenen Jahren erkennbar nicht nur zu offeneren politischen Debatten geführt – sondern auch zu einer wachsenden Polarisierung und Radikalisierung der Gesellschaften. Das hat damit zu tun, dass sich auf den einschlägigen Plattformen wie Twitter, Instagram, Facebook, Youtube oder TikTok auch jede Menge Falschbehauptungen, Hass und extremistische Aussagen weitgehend ungehindert und unkontrolliert verbreiten. Vor allem junge Menschen beziehen den Großteil ihrer Informationen über die Welt aus Quellen wie TikTok oder Instagram.

Hamburg will nun gezielt gegen die Radikalisierung im Netz vorgehen – und dafür digitale Sozialarbeiter einsetzen. Das geht aus einem aktuellen Bürgerschaftsantrag von SPD und Grünen hervor. Konkreter Anlass ist die wachsende Polarisierung auch unter jungen Hamburgerinnen und Hamburgern nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober auf Israel.

TikTok und Instagram: Auch Propaganda erreicht junge Menschen ungefiltert

„Vermehrt junge Menschen werden auf Plattformen wie TikTok, Instagram und weiteren mit schockierenden, zum Teil verstörenden Inhalten, Bildern und Videos zum Nahostkonflikt konfrontiert. Nur selten lassen sich die geteilten Inhalte auf ihre Echtheit überprüfen, vielmehr werden Inhalte auch zu propagandistischen Zwecken über diverse Kanäle multipliziert“, heißt es in dem Antrag.

„Gerade Jugendliche präsentieren auch nicht selten ihre Sichtweisen, ohne genügend Fakten zu kennen, und verbreiten antisemitische Inhalte weiter. Je länger Nutzer:innen die Videobeiträge anschauen, umso mehr werden vergleichbare Inhalte durch den Algorithmus in der persönlichen Timeline angezeigt. So erreichen sogenannte Content-Creator:innen und Influencer:innen auch Jugendliche über Smartphones in deren Kinderzimmern. Diese Atmosphäre ist der Nährboden für Radikalisierungspotenziale.“

Instagram und Co.: Digitale Sozialarbeiter sollen Jugendliche im Netz erreichen

Die Antwort auf diese Situation könnte nur „eine vermittelnde Perspektive sein, die in der Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt dem Existenzrecht Israels gerecht wird und Mitgefühl mit den Israelis genauso zulässt wie das Mitgefühl mit Palästinenser:innen“, heißt es in dem Antrag.

„Extremist:innen schüren das Gefühl, Opfer ungerechter Zuschreibungen und Benachteiligungen zu sein. Hier beginnen Radikalisierungsverläufe“, schreibt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Iftikhar Malik. „Bei der Prävention von Antisemitismus und religiösem Extremismus müssen wir auf passgenaue Lösungen bauen und auch neuen Ansätzen eine Chance geben. Digitale Straßensozialarbeit – Digital Streetwork – erreicht junge Menschen im Internet, also dort, wo sie einen großen Teil ihrer Freizeit verbringen und mit extremistischer Propaganda und Falschinformationen konfrontiert sind. Digitale Präventionsarbeit setzt nahe der Quelle an und könnte so zu einer wichtigen Unterstützung werden.“

TikTok und Instagram: Bilder als Nährboden für religiösen Extremismus

Auch Grünen-Religionspolitiker Michael Gwosdz sagte, dass die „emotionale Vielschichtigkeit“ der über die Online-Plattformen transportieren Bilder „schwer zu ertragen“ sei und „einen Nährboden – auch hier bei uns in Deutschland – für religiösen Extremismus bietet, insbesondere bei Jugendlichen“. Hamburg sei zwar „in der Extremismusprävention gut aufgestellt und seit dem 7. Oktober bereits auf vielen Ebenen aktiv“, so Gwosdz. Eine weitere Möglichkeit könnten nun digitale Sozialarbeiter sein, „die Radikalisierungstendenzen von jungen Menschen auf Online-Plattformen entgegentreten“.

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Darüber hinaus sollten Träger der politischen Bildung, Religionsgemeinschaften, Initiativen, Projekte und Netzwerke im Kampf gegen Antisemitismus und Radikalisierung gestärkt werden, so Gwosdz. „Hamburg ist eine starke und vielfältige Stadt, die sich entschlossen und mit Zusammenhalt gegen die schwierigen Folgen dieses Nahostkrieges stellen muss.“ Beschlossen werden soll der rot-grüne Antrag am kommenden Mittwoch in der Bürgerschaft.