Hamburg. Krankenhaus Groß-Sand verliert Zusage über 20 Millionen Euro. Hat sich das Erzbistum beim Verkauf der drei Kliniken verzockt?

Seit mehr als zwei Jahren dreht sich das Verkaufspoker um die Hamburger Krankenhäuser des katholischen Erzbistums. Mehrfach wurde versichert, die Übernahme des Marienkrankenhauses, des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift und der Klinik Groß-Sand in Wilhelmsburg durch eine Bietergemeinschaft aus Immanuel Albertinen Diakonie und St. Franziskus-Stiftung (Münster) stehe unmittelbar bevor.

Nun stellt sich heraus, dass die vom Hamburger Senat für die dringend benötigte Modernisierung von Groß-Sand versprochenen 20 Millionen Euro vorerst nicht zur Verfügung stehen.

Krankenhaus Hamburg: Verkaufspoker um katholische Kliniken hat finanzielle Folgen

Nach Abendblatt-Informationen läuft die Abruffrist für die große Finanzspritze zum Jahresende aus. Die Sozialbehörde von Melanie Schlotzhauer (SPD) bestätigte, dass sich die neuen Eigentümer nach einem Kauf dann erneut um das Geld bewerben könnten. Die Bundesländer sind für die Investitionen in ihre Krankenhäuser verantwortlich.

Reparaturen und Ähnliches würden immer finanziert, heißt es aus der Schlotzhauer-Behörde. Aber das Geld für den Umbau in Groß-Sand aus dem Krankenhaus-Fonds kann der Käufer erst einmal nicht einplanen.

Krankenhaus Hamburg: Verkauf der katholischen Kliniken lahmt

Das ist misslich für die Zukunft der kleinen Klinik auf der Elbinsel. Mehrere Versuche sind in den vergangenen Jahren gescheitert, das Haus zu retten. Es gab Wechsel in der Ärzteschaft und im Management. Der immer wieder ins Spiel gebrachte Umbau zu einem Medizinischen Versorgungszentrum mit Notaufnahme, Innerer Medizin und Chirurgie sowie einer engeren Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten scheint vorerst abgeblasen.

Die Wilhelmsburger fühlen sich angesichts geringer Arztdichte in ihrem wachsenden Stadtteil von der Erreichbarkeit und der medizinischen Qualität im Rest Hamburgs abgehängt. Ob und wie sich das bei den Bezirkswahlen 2024 zeigt, bleibt abzuwarten.

Poker um Marienkrankenhaus, Wilhelmstift und Groß-Sand

Lokale Krankenhäuser sind ein sensibles politisches Thema. Das muss auch Erzbischof Stefan Heße bewusst sein, dessen Team sich mit den potenziellen Käufern offenbar nicht über Kaufpreis und weitere Konditionen verständigen kann. Dass die Verhandlungen sogar längere Zeit ganz auf Eis lagen, wollte ein Bistumssprecher nicht bestätigen: „Die Gespräche mit der Bietergemeinschaft haben auch in der jüngsten Zeit stattgefunden und werden auch weiter stattfinden.“ Es gebe eine Fülle von Einzelfragen. Außerdem spiele die geplante Krankenhausreform dabei eine große Rolle.

Und hier stockt es seit Monaten. Die Bundesländer – allen voran auch Schlotzhauer als eine der Hauptverhandlerinnen – können sich mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht darauf einigen, wie genau die Bezahlung der Krankenhaus-Behandlungen in Zukunft aussehen soll und wer den Übergang finanziert. Dabei wird es sicher Klinikschließungen und Zusammenlegungen geben. Hamburg dürfte davon nicht verschont bleiben.

Krankenhäuser zu schließen ist politisch heikel

Im Osten Deutschlands wird diese Reform noch kritischer beäugt, weil jede mutmaßliche Veränderung oder Verschlechterung der ländlichen Versorgung auf das politische Konto der AfD einzahlt. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird 2024 gewählt.

In Hamburg hat das Erzbistum den eigentlich schon als Erfolg vermeldeten Verkauf des Marienkrankenhauses Lübeck an das Uni-Klinikum Schleswig-Holstein ebenfalls noch nicht perfekt gemacht. Der Bistumssprecher sagte: „Der Prozess ist so gut wie abgeschlossen. Die Verantwortung liegt bereits beim UKSH. Es müssen lediglich noch kleine Einzelschritte gegangen werden.“ In Lübeck hatte es Mahnwachen für den Erhalt des Marienkrankenhauses am Standort und Proteste gegeben – auch von Ärzten.

In Hamburg könnte ein neuer Krankenhaus-Riese entstehen

In Hamburg rumort es ebenfalls, weil insgesamt rund 3500 Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte und Verwaltungsmitarbeiter von dem Verkaufspoker betroffen sind. Unter ihnen heißt es: Das Erzbistum hat sich beim Verkauf verzockt. Mit dem Albertinen (rund 4200 Arbeitsplätze) zusammen entstünde ein neuer Krankenhaus-Riese neben Asklepios (15.900) und UKE (14.400). Aus dem Bistum hieß es: „Die Klage der Mitarbeitenden ist verständlich. Zwischen der Bietergemeinschaft und uns ist Vertraulichkeit über die laufenden Verhandlungen vereinbart worden. Das schränkt auch unsere Möglichkeiten ein, die Mitarbeitenden zu informieren.“

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Wie es weiter hieß, investiere man „in Abstimmung mit der Stadt und bei Bedarf mit der Bietergemeinschaft“ weiter in die Krankenhäuser.

Patienten-Ansturm auf Wilhelmstift und Marienkrankenhaus

Das Kinderkrankenhaus Wilhelmstift hatte sich zuletzt in der Welle an Atemwegserkrankungen bei einem „Massenanfall“ von Patienten als leistungsstark erwiesen. Dennoch wurde klar, dass die Kapazität dort endlich ist. Und da im östlichen Umland Hamburgs die medizinischen Kapazitäten eher schrumpfen, dürfte der Ansturm an kleinen Patienten nicht abreißen.

Ähnlich sieht es im Hamburger Marienkrankenhaus aus. Hier wurden neue Konzepte für die Notaufnahme entwickelt, die sogar große Beachtung bei Minister Lauterbach fanden. Wenn diese Entwicklung durch das Übernahmepoker beeinträchtigt würde, wäre nicht nur der Frust der Mitarbeiterschaft programmiert. Um sich für die Krankenhausreform und die möglichen Käufer zu wappnen, muss das Haus seine Vorzüge polieren.

Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft hat ihre Mitglieder schon einmal auf raue Zeiten eingeschworen. Der neu gewählte Erste Vorsitzende Jörn Wessel (Agaplesion): sagte: „Wir wollen einen geordneten Strukturwandel in der Krankenhausreform und uns in diesen Prozess intensiv einbringen. Daher muss die in Hamburg bestehende Kosten-/Erlöslücke von 250 Millionen Euro kurzfristig durch eine außerordentliche Erhöhung des Landesbasisfallwerts von mindestens vier Prozent geschlossen werden.“