Hamburg. Jetzt ist schon Weihnachten politisch verdächtig: Aber wie will man kultursensibel sein, wenn man die eigene Kultur verleugnet?
Der Siegeszug des identitären Denkens begann harmlos. Angetreten, die Welt zu verbessern, nahmen ihre Kämpfer die Umwelt unter die Lupe – und fanden zuhauf Dinge, die ihrem Weltbild widersprachen. Zunächst in den Kindergärten: Jim Knopf kam auf ihren Index, weil das schwarze Baby angeblich rassistische Stereotypen bedient, Pippi Langstrumpf war ebenso verdächtig wie „Die kleine Hexe“, weil dort die Verfasser einst das N*-Wort verwendet hatten.
Indianerkostüme sind in diesen ideologischen Reinräumen genauso verboten wie Eskimo-Verkleidungen. Und wer „Drei Chinesen mit dem Kontrabass singt“ gilt ohnehin als Rassist. Die grüne Jugend, Sprachpolizei bar jeder Sprachkenntnis, schlug gar vor, das Dorf Negernbötel umzubenennen. Straßen, Denkmäler, historische Figuren – alles kommt vor den Gerichtshof des Zeitgeists.
Kultursensibel kann nur sein, wer die eigene Kultur auch kennt
Nun folgt eine neue Volte im Kulturkampf, die kein Spleen einiger Aktivisten mehr ist, sondern längst einer ideologischen Umerziehung gleicht: In einer Kita in Lokstedt soll der Weihnachtsbaum abgeschafft werden, um kulturell niemanden zu bevormunden.
Das hatten wir schon mal: In der damaligen DDR hieß der Weihnachtsengel Jahresendflügelfigur, Weihnachten wurde zum „Fest“ degradiert. Nur: Wie will man kultursensibel sein, wenn man die eigene Kultur verleugnet, die eigenen Wurzeln kappt?
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Auch wenn die Freundinnen und Freunde der sensiblen Sprache und der maximalen Rücksicht es fraglos gut meinen, sie erreichen oft nur das Gegenteil. Sie schüren Wut, sie machen Menschen heimatlos: Es ist kein Zufall, dass die Heimat des identitären Denkens, die USA, einen Donald Trump hervorgebracht hat.