Hamburg. Zum Aktionstag tragen Jungen und Mädchen ihre Forderungen zur Sozialbehörde. Andrang bei Standorten der „Arche“ stark gestiegen.
Gegen Kinderarmut und Ausgrenzung: Etwa 20 Kinder versammelten sich heute in der Hamburger Meile zum deutschlandweiten Aktionstag. Organisiert wurde diese Veranstaltung von der Arche Hamburg zusammen mit der Arche in Berlin.
Ein Kinderchor sang Lieder, einige Kinder hielten selbst gemalte Plakate hoch. „Du bist kostbar, nicht wiederholbar, du bist schön!“ war der Songtext eines Liedes, „Ich brauch Bildung!“ war die Aufschrift eines Plakates.
Arche Hamburg: Gegen Armut – Kinder senden Hilferuf an die Politik
Für den Aktionstag wurden vorab deutschlandweit Behördenleitungen und Minister eingeladen, um mithilfe der Kinder die selbst formulierten Forderungen an die Politik zu überreichen. In Hamburg kam Wolfgang Arnold, der Pressesprecher der Sozialbehörde.
„Vertreter der Stadt können schon dafür sorgen, dass bestimmte Stadtteile besser ausgestattet werden, um eine sinnvolle Freizeitgestaltung der Kinder zu ermöglichen“, sagt Tobias Lucht, Leitender Sozialpädagoge der Arche.
Kinderarmut: Hamburgerin fasst ihre Erfahrungen in Gedicht
Nach dem Auftritt des Kinderchors und einer Solistin sowie einer Ansprache von Tobias Lucht überreichte ein Kind Herrn Arnold die Forderungen der Kinder, eingerahmt und deutlich formuliert: Einführung der Kindergrundsicherung, Finanzausgleich für die inflationsbedingten Mehrkosten, Kinderrechte ins Grundgesetz, ein umfassender Kinderschutz, „Chancengleichheit durch Bildung, unabhängig vom Einkommen der Eltern, und an den Bedarf angepasste Schulpolitik“.
„Das sind unsere Forderungen für Ihr Büro. Wir wissen, dass es schwierig ist, jedoch hoffen wir, dass Sie uns bei Ihrer nächsten Haushaltsplanung berücksichtigen,“ appellierte Lucht bei der Übergabe.
Es folgte ein poetischer Beitrag der 21-jährigen Princella, die vortrug: „Arm sein ist nichts zu haben und immer zu begehren, was andere haben. Es ist nichts zu haben und schon gar nicht Hoffnung zu haben:“
Viele Kinder kommen ohne Frühstück zur Schule
Die im Fokus der Aktion stehende und allgemein diskutierte Forderung ist dabei die Kindergrundsicherung: „Sie würde die Kinder besser ausstatten als das Sparflämmchen, das ab 2025 geplant ist“, sagt Lucht. Die Arche fordert eine feste Kindergrundsicherung in Höhe von 600 Euro im Monat. Diese soll unbürokratisch und direkt ausgezahlt werden. Eine Hälfte soll an Kindertagesstätten, Schulen oder freie Träger wie die Arche gehen, um das Potenzial zu fördern und um die Ausbildung zu stärken. Die andere Hälfte soll an die Familien gehen.
Ein Projekt, was die Kindergrundsicherung stärken könnte, fällt Lucht sofort ein: „Ein Schulleiter einer weiterführenden Schule hier in Hamburg kam Anfang des Jahres auf mich zu und berichtete mir, dass etwa 100 von 400 SchülerInnen ohne Frühstück und hungrig in die Schule kämen. Darunter leidet natürlich auch die Konzentration. Er hat dann versucht, so ein Frühstück mithilfe der Bildungsbehörde auf die Beine zu stellen. Das ist ihm bei dieser Menge nicht gelungen, und dann ist er auf uns zugekommen und hat uns um Hilfe gebeten. Jetzt haben wir mit ihm zusammen das Frühstück an dieser Schule für die SchülerInnen organisiert. Solche grundlegenden Dinge könnte die Kindergrundsicherung unterstützen.“ Der Aktionstag solle dazu beitragen, solche Forderungen immer wieder zu adressieren, damit dann auch ein Umdenken passiert.
Kinder leiden noch unter Folgen der Corona-Pandemie
Millionen von Kindern seien in Deutschland von Armut und Ausgrenzung betroffen. Diese Situation wurde durch die allgegenwärtige Inflation mit den steigenden Energie- und Lebensmittelkosten noch weiter verschärft. Etliche Kinder und Jugendliche sind zudem bis heute durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie psychisch stark belastet. Mehr und mehr junge Menschen in Deutschland geraten in eine bedrohliche Lebenslage.
Diese Situation lässt sich auch in der Arche in Hamburg beobachten: „Aktuell haben wir die Situation, dass an allen drei Standorten 30 Prozent mehr Kinder und Jugendliche kommen, die vor allem zu den Mahlzeiten erscheinen, weil die gestiegenen Lebenshaltungskosten viele unserer Familien treffen, sie ins Schlingern geraten und einfach nicht mehr über den Monat kommen. Das merken wir natürlich schon.“
Arche Hamburg gibt täglich Essen aus an 800 Kinder
Die Arche bietet an allen Standorten täglich rund 700 bis 800 Kindern ein Mittag- und Abendessen an sowie eine Lernförderung und Freizeitangebote. Darüber hinaus werden auch Beratungen für Eltern und Hausbesuche durchgeführt. 65 hauptamtliche und 85 ehrenamtliche Mitarbeiter sowie mehrere FSJler unterstützen den freien Träger.
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„Kinder sollten in die Arche kommen, wenn sie Probleme in der Familie oder der Schule haben. Wenn man von seinen Eltern nicht ernst genommen wird, dann kann man in die Arche kommen und mit den Betreuern reden. Die sind wirklich wie eine Therapie und können bei Problemen helfen. Dein Talent wird dort auch gefördert“, erzählt die 16-jährige Hanieh. Sie geht seit zwei Jahren in die Arche, bekommt dort Nachhilfeunterricht und auch Gesangsunterricht. Ihr Können zeigte sie bei ihrem Soloauftritt beim Aktionstag.
„Wir können immer ehrenamtliche Mitarbeiter gebrauchen. Geldspenden, Kinderkleidung und Schulmaterialien sind bei uns auch immer erwünscht. Gerade vor Weihnachten nehmen wir auch gerne haltbare Lebensmittel an, damit wir sie unter den Familien verteilen können. Das Weihnachtsfest feiern wir hier bei uns mit über 1200 Kindern. Es gibt besonderes Essen, und jedes Kind erhält sogar ein Geschenk, dafür sammeln wir bereits monatelang. Wir versuchen für die Kinder ein Highlight am Jahresende zu schaffen“, sagt Lucht.