Hamburg. 350 Gäste bei der 5. Gedenkveranstaltung für die vor sechs Jahren von ihrer Mutter getötete Dreijährige. Straße nach Yagmur benennen?

Die Arche aus Jenfeld ist am Dienstag vor 350 Gästen im Großen Festsaal des Rathauses mit dem Yagmur Erinnerungspreis ausgezeichnet worden. Auf der 5. Gedenkveranstaltung, mit der die Yagmur Gedächtnisstiftung und ihr Gründer Michael Lezius an den gewaltsamen Tod des dreijährigen Mädchens am 18. Dezember 2013 erinnern, hatten zuvor zahlreiche Experten, darunter Hamburgs Justizsenator Till Steffen und Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über einen besseren Kinderschutz in der Justiz, in der Medizin und in der sozialen Arbeit gesprochen. Für viel Stimmung im Rathaus sorgte „The Young ClassX“, der Unterstufenchor der Nelson-Mandela-Schule.

„Dieser Preis ist eine tolle Wertschätzung für unsere vielen Helfer und Mitarbeiter“, sagte Tobias Lucht von der Arche. „Täglich sind wir mit Vernachlässigung und Hoffnungslosigkeit konfrontiert. Dabei ist es nicht schwer, Wertschätzung und Hoffnung in die Herzen der Kinder und Eltern zu pflanzen. Das geschieht durch Beziehungen auf Augenhöhe. Dass dieses mit diesem Preis nun noch mehr gesehen wird, freut mich für unser ganzes Team.“

"Kinder und Familien über Jahre begleiten"

38 Hauptamtliche und 70 Ehrenamtliche kümmern sich in Jenfeld jeden Tag um rund 500 Kinder zwischen vier und 19 Jahren.

Das Besondere an der Arche, so Lucht, sei der langfristige Ansatz. „Wir möchten die Kinder und ihre Familien über viele Jahre begleiten.“ Dabei wird ganz praktisch geholfen: Mittagstisch, Abendessen, Frühstück an der Schule, Kleiderkammer, Nachhilfe, Sport- und Musikförderung, Berufsorientierung für Jugendliche, Erziehungsberatung, Hausbesuche, Feriencamps und Ausflüge.

Auslöser für die Gründung der Arche war der Tod der siebenjährigen Jessica, die im März 2005 in Jenfeld verhungerte und die Lücken im öffentlichen Jugendhilfesystem deutlich machte.

Die Arche hilft Jugendlichen bei ihrem Schulabschluss

„Die Arche wurde im Januar 2006 als Antwort darauf gegründet und ist seitdem Anlaufstelle für viele von Armut betroffene Kinder und ihre Familien“, sagt Lucht. Der Kontakt findet im Kinder- und im Jugendhaus, in Schulprojekten und in der Elternarbeit, in Geflüchteten-Unterkünften und in der zweiten Arche in Billstedt statt: „Auslöser hierfür war ein Hilferuf einer Grundschule und einer Kirchengemeinde, nachdem Yagmur gestorben war.“

Für die Kinder und auch viele Eltern ist die Arche, so Lucht, heute ein Treffpunkt, wo Hilfe geleistet wird und wo sie Freunde treffen können. Wo sie willkommen sind, unabhängig von Herkunft, Religion und Kultur. „Die Kinder hören, dass sie wertvoll sind und etwas erreichen können.“ Kraft für ihre tägliche Arbeit fänden sie in ihrem christlichen Grundansatz: „Dass jeder Mensch von Gott geliebt und gewollt ist.“ Das helfe auch im Umgang mit den Problemen.

Eine Straße nach Yagmur benennen?

„Die Tatsache, dass wir nicht alles lösen und Probleme auch wieder abgeben können, hilft uns, diese Arbeit auf lange Sicht zu tun.“ Ihre größten Erfolge? „Jährlich schaffen 30 bis 35 Jugendliche ihren Schulabschluss mit der Hilfe der Arche, obwohl sie aus schwierigen Verhältnissen kommen und die Förderung zu Hause oft ausbleibt. Toll ist, dass nun zum zweiten Mal 15 Jugendliche ehrenamtlich in Camps oder bei den Hausaufgaben helfen, die früher als Kinder bei uns waren.“ Große Erfolge seien auch Situationen, wenn Eltern und Kinder wieder zusammenfinden „und Beziehung wieder möglich wird“.

Insgesamt, so Lucht, müsse aber noch viel getan werden, damit noch mehr Menschen hinschauen: „Wir erhoffen uns nun noch mal mehr Aufmerksamkeit in Politik, Wirtschaft und unter den Hamburgern für das Thema Kinderschutz.“

Das will auch Michael Lezius: „Wir wollen in Hamburg eine Straße nach Yagmur benennen lassen. Und wir wollen, vielleicht auf dem Platz der Kinderrechte, für die neun getöteten Kinder der letzten 14 Jahre ein Denkmal errichten. Das sind wir ihnen schuldig.“