Hamburg. 63-Jähriger muss sich vor Amtsgericht verantworten. Beschuldigt wird er von einem Mann, der als „notorischer Hochstapler“ gilt.

Vier Jahrzehnte im Knast: Fritz A. (Name geändert) hält in Hamburg einen wohl einsamen Rekord, um den ihn kaum jemand beneiden wird. Er gilt als der Häftling, der die längste Zeit ununterbrochen im Gefängnis sitzt. Für zwei Morde wurde der 63-Jährige verurteilt; theoretisch könnte er bis an sein Lebensende hinter Gittern bleiben.

Ein Mann mit seiner Vita hat im berüchtigten Gefängnis „Santa Fu“ in Hamburg viele Mitgefangene erlebt, die ebenfalls schwerste Straftaten begangen haben. Mörder, Totschläger, Serienvergewaltiger, Geiselnehmer. Doch es ist wohl ein anderer Mann, der dem Rekord-Knacki nachhaltig im Gedächtnis bleiben wird: Jacob R. (Name geändert), 26 Jahre alt und nicht gerade das, was man im Gefängnis-Jargon einen „richtig schweren Jungen“ nennt.

Prozess Hamburg: Kaufte Rekord-Häftling und zweifacher Mörder im Knast Drogen?

Der junge Mann wurde vielmehr als „Hamburgs dreistester Hochstapler“ tituliert und hat als notorischer Betrüger mehrere Jahre in „Santa Fu“ zugebracht. Und es sieht so aus, als könnte ausgerechnet dieser Jacob R. dem Langzeithäftling Fritz A. bei dessen Zukunftsplänen in die Quere kommen. Fritz A. hofft nämlich auf ein paar letzte Jahre in Freiheit.

Doch dann wandte sich Jacob R. an die Behörden und berichtete, er habe im Sommer 2022 nach genehmigten Urlauben aus dem Knast für mehrere Mitgefangene Haschisch ins Gefängnis eingeschmuggelt. Einer seiner Abnehmer sei Fritz A. gewesen. Es geht um insgesamt gut 60 Gramm, die der Langzeit-Häftling erworben haben soll. Deshalb steht Fritz A. jetzt als Angeklagter vor dem Amtsgericht.

Zeuge behauptet, der 63-Jährige habe „zwei Wochen durchgekifft“

So ein Vorwurf könnte für einen zweifachen Mörder eine Petitesse sein. Doch der 63-Jährige ist in Sorge, ob eine etwaige neue Verurteilung seine Vollzugslockerungen gefährden könnte. Er habe in den vergangenen Jahren keine Drogen gekauft, beteuert der Angeklagte, ein großer Mann mit kantigem Gesicht. Demgegenüber hat Jacob R. als Zeuge im Prozess bekundet, dass Fritz A. Haschisch von ihm entgegengenommen und wie er dafür bezahlt habe. Fritz A. habe seinerzeit „zwei Wochen durchgekifft“. Jedenfalls habe der 63-Jährige mehrfach die Drogen konsumiert.

Die Frage ist: Kann man diesem Zeugen glauben? Einem Mann, der sich immer wieder unter anderem Luxusreisen ergaunert hat, dem seine Lügen schon mehrere Jahre Gefängnis eingebracht haben? Nein, sagt Tim Burkert, Verteidiger von Fritz A., mit Nachdruck. Jacob R. sei ein Mensch mit einer Persönlichkeitsstörung, dem es in erster Linie darum gehe, Aufmerksamkeit zu bekommen. „Dafür macht er eine Riesenwelle.“ So mache er sich jetzt als „Kronzeuge“ wichtig und posaune auf TikTok heraus, dass er vor Gericht aussagen werde.

„Den machen wir platt“, kündigten die Männer in „Santa Fu“ an

Außerdem, so Burkert: Wenn Fritz A. wirklich zwei Wochen lang regelmäßig unter Drogen gestanden hätte, dann wäre das garantiert in der Haftanstalt jemandem aufgefallen. „Er soll zwei Wochen durchgekifft haben“, fragt Burkert. „Und zwei Wochen hat niemand was gemerkt oder gerochen?“

Vielen von denen, die mit Fritz A. in der Haft zu tun haben, kennen den Häftling seit Langem. Sie wissen von den Taten, die ihn in den Knast gebracht haben. Sein erstes „lebenslänglich“ hatte er 1984 für einen Mord erhalten und war dafür in „Santa Fu“ gelandet. Dort, hinter Gittern, tötete er erneut. Opfer war ein Mithäftling, den Fritz A. in dessen Zelle gemeinsam mit einem weiteren Gefangenen umgebracht hatte. „Den machen wir platt“, hatten Fritz A. und sein Komplize nach Überzeugung des Gerichts schon Tage vor dem Mord angekündigt. Sie hatten dem 51-Jährigen Geld geraubt und dann den geschundenen Leichnam mit einer Decke zugedeckt.

Hamburgs Rekord-Häftling sitzt mit „besonderer Schwere der Schuld“

Das Opfer war erschlagen, erdrosselt sowie erstochen worden. Das Gericht stellte damals neben der lebenslangen Haftstrafe die „besondere Schwere der Schuld“ fest. „Mit größter Brutalität“, so hieß es damals in der Urteilsverkündung, seien die beiden Männer gegen das Opfer vorgegangen.

Von solchen Taten scheint Fritz A. mittlerweile weit entfernt. Fachleute im Strafvollzug bescheinigen ihm, dass bei ihm „eine positive Entwicklung“ festzustellen sei. Die ersten Ausgänge in Begleitung hat der 63-Jährige absolviert. Jüngste Drogentests fielen negativ aus. Eine „behutsame, schrittweise Resozialisierung“, heißt es in einer Bescheinigung, sei „möglich“.

Prozess Hamburg: Jetzt bekommt der Häftling eine Geldstrafe

Doch das muss bis auf Weiteres warten. Erst mal kommt für Fritz A. eine weitere Verurteilung hinzu: Der Amtsrichter kommt zu der Überzeugung, dass sich Fritz A. wegen Drogenerwerbs schuldig gemacht habe. Er verhängt eine Geldstrafe von 220 Tagessätzen zu zwei Euro gegen den 63-Jährigen, insgesamt 440 Euro. Zwar sei die Aussage eines Zeugen, der so problematisch sei wie Jacob R., „sehr kritisch zu hinterfragen“, betont der Richter. Allerdings seien die Schilderungen des Zeugen „keine Aussagen, die man erwartet, wenn sich jemand eine Geschichte ausdenkt“. Mehrere Besonderheiten seien zudem von der Polizei verifiziert worden.

Fritz A. will gegen das Urteil in Berufung gehen und in der zweiten Instanz möglichst doch noch einen Freispruch erreichen. Und dann irgendwann in Freiheit kommen.