Neustadt. Fritz A. gilt in Santa Fu als Rekord-Häftling, bekam zweimal lebenslänglich. Jetzt stand er wieder vor Gericht
Drei Jahre vielleicht. So lange wird es wahrscheinlich noch dauern, bis Fritz A. (Name geändert) darauf hoffen kann, wieder in Freiheit zu kommen. Für die allermeisten Häftlinge wäre das eine gefühlt unendlich lange Zeit. Doch dieser Gefangene ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer, und mit noch drei Jahren hätte der 57-Jährige fast schon die Ziellinie seiner langen Zeit im Knast erreicht. Seit 34 Jahren sitzt der Mann in „Santa Fu“, ein Rekord-Häftling. Ein Schwerkrimineller, der das Leben zweier Menschen brutal ausgelöscht hat.
Jetzt vor dem Amtsgericht, wo sich Fritz A. nach einer Auseinandersetzung im Gefängnis unter anderem wegen Körperverletzung verantworten muss, sitzt ein Mann, der vor der Zeit gealtert wirkt. Tiefe Falten, müde Augen, der graue Haarkranz ist millimeterkurz rasiert, das Gesicht von krankhafter Blässe. Optisch erinnert wenig an den drahtigen, nur mühsam beherrscht wirkenden Angeklagten, der sich vor 23 Jahren wegen Mordes vor dem Schwurgericht verantworten musste. Damals wurde Fritz A. zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er mit einem Mitgefangenen einen weiteren Häftling in dessen Zelle getötet hatte, um ihm Geld und Schmuck zu rauben. Die Täter waren dabei mit äußerster Brutalität vorgegangen, hatten das Opfer stranguliert, auf den 51-Jährigen eingestochen, unter anderem in sein Herz, und immer wieder wuchtig mit einer Bettstrebe auf dessen Kopf eingeschlagen. In der Rechtsmedizin wurden damals gleich drei Todesursachen festgestellt. Es schien wie völlig entfesselte, gnadenlose Gewalt.
Und dabei hatte der damals 34-Jährige schon „lebenslänglich“. Seinen ersten Mord hatte der gelernte Schäfer im Alter von 22 Jahren begangen, in der damaligen DDR, wo er einen Mann erwürgt und ihm 24.800 Ost-Mark geraubt hatte. Nach der Tat war Fritz A. über die innerdeutsche Grenze geflohen und dabei von den Selbstschussanlagen erheblich verletzt worden. Nach einem juristischen Tauziehen zwischen Hamburger Gerichten und den Institutionen der DDR wurde er schließlich in der Hansestadt verurteilt – und sitzt seitdem in Santa Fu.
Mit einem Dauer-Häftling liegt er schon länger im Clinch
Dass jemand mit einer solchen Vita sich selbst als „ganz Vernünftigen“ bezeichnet, wie Fritz A. es jetzt vor dem Amtsgericht zu Prozessbeginn getan hat, irritiert. Doch der 57-Jährige scheint ruhiger geworden, er spricht von seiner langen Zeit im Knast, seinem Job dort als Fensterputzer, davon, dass er Auseinandersetzungen möglichst meide. Doch Santa Fu sei eben ein Umfeld, wo man „sich tagtäglich auch durchsetzen“ müsse. „Es ist eine schwierige Klientel.“ Und natürlich gebe es Mithäftlinge, mit denen man besser auskommt, und andere, die man nicht möge.
Mit einem lag der Dauer-Häftling schon länger im Clinch, als dieser auf seiner Station auftauchte, wo er sich eigentlich nicht hätte aufhalten dürfen. Da wandte sich Fritz A. an einen der Verantwortlichen des Gefängnisses und verlangte: „Sorgen Sie dafür, dass er die Station wechselt, sonst mache ich ihn platt.“ Zudem soll er den Mithäftling beleidigt sowie einen weiteren geschlagen haben. Die Beweisaufnahme ist schwierig, keiner der Zeugen hat einen Angriff wirklich gesehen.
Am Ende verurteilt die Amtsrichterin den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à zwei Euro. Das Verhalten des 57-Jährigen wertet sie als „Entgleisung“. Seit 20 Jahren habe er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen. „Sicherheit und Ordnung“ habe aber auch im Gefängnis „große Bedeutung“, betont die Richterin. „Und alle haben das Recht, hier unbehelligt zu leben. Es ist ihr Lebensraum.“ Für Fritz A. der Lebensraum seit 34 Jahren. Wenn er eines Tages „draußen“ sein wird, wird er die Welt kaum wieder erkennen.