Hamburg. 75-Jähriger soll von WhatsApp-Bekanntschaft gefordert haben, ihre Kinder zu missbrauchen – und ihm davon Filme zu schicken.
Das Martyrium der Kinder ging über viele Monate. Und es war ausgerechnet die eigene Mutter, die den beiden fünf und neun Jahre alten Mädchen und dem zwölf Jahre alten Jungen so viel Leid zufügte. Immer wieder missbrauchte die 40-Jährige ihre Kinder sexuell, filmte und fotografierte dabei. Dann schickte sie die Aufnahmen an das Handy eines Mannes, den sie nur aus der virtuellen Welt kannte.
Weil sie es so wollte? Oder hat vielmehr er die Frau zu ihren Taten angewiesen – und damit ebenfalls schwere Schuld auf sich geladen? Dies ist der Vorwurf, für den sich seit Donnerstag ein 75 Jahre alter Mann vor dem Landgericht Hamburg verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft wirft Jakob N. (alle Namen geändert) Anstiftung zum Herstellen von kinderpornografischen Schriften sowie Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern vor.
Prozess Hamburg: Das jüngste missbrauchte Kind war fünf Jahre alt
Er soll seine WhatsApp-Bekanntschaft Nicola R. dazu bestimmt haben, dass sie unter anderem ihre kleine Tochter, die noch im Kindergartenalter war, zu sexuellen Handlungen zwang. Das andere Mädchen war zur Tatzeit zwischen Februar 2019 und Januar 2020 neun, der Sohn zwölf Jahre alt. Der Prozess hat schon einmal begonnen, musste aber ausgesetzt werden, weil der Angegklagte schwer erkrankt war.
Wie im ersten Durchgang beteuert der Hamburger jetzt erneut, einen Missbrauch habe er nie gewollt. Im Jahr 2018 sei er über eine Sendung im Privatfernsehen in einer Chatgruppe gelandet, bei der es unter anderem um sadomasochistische Vorlieben ging. Er meldete sich als „Dirk 32“ an, mit einem Foto eines fremden Mannes, der blendend aussieht und rund 40 Jahre jünger ist als Jakob N.
400 bis 500 Personen seien in dem Chat gewesen, er sei mit Sex-Fotos quasi bombardiert worden, auch nachts. „Mir wurde das alles zu viel. Es waren Bilder, die ich nicht haben wollte“, lässt der 75-Jährige über seine Verteidigerin mitteilen. Also habe er die Chat-Gruppe verlassen.
Angeklagter: „Es waren Bilder, die ich nicht haben wollte“
Wie dann die kinderpornografischen Bilder auf sein Handy geraten seien, schildert der Angeklagte so: Er wird über WhatsApp von der dreifachen Mutter angeschrieben, die fragt, ob er Interesse an ihr habe. Nicola R. schickt Fotos, erst von sich, die ihm gut gefallen. Dann sendet sie weitere von sich, beim Sex mit anderen Männern.
Auch Bilder ihrer Kinder seien dabei gewesen, erst ganz harmlos beispielsweise auf dem Fahrrad, später allerdings weitere, die die Mädchen und den Jungen nackt in der Badewanne zeigen und schließlich in eindeutig sexualisierten Posen und während sie missbraucht werden.
„Ich wollte und will das nicht sehen.“ Als er die Fotos bekam, sei er „geplättet und erschrocken“ gewesen, sagt Jakob N. „Ich sagte, lass das sein. Such dir Hilfe“, will der 75-Jährige seiner Bekannten geraten haben. Sie solle „keine Sachen mit Kindern“ machen. „Ich dachte, ich könnte sie abbringen von ihrem Vorhaben.“
Immer energischer will Jakob N. seiner WhatsApp-Bekannten seine Abneigung gegen die Fotos mitgeteilt und ihr schließlich gedroht haben, er werde sie anzeigen. Doch tatsächlich habe er den Weg zur Polizei gescheut, weil er nicht gewusst habe, wie er die Fotos dauerhaft und endgültig von seinem Handy verbannen kann, meint der Angeklagte. Ein Mobiltelefon habe er in seinem Garten vergraben, damit es niemand findet.
„Meine Frau hat immer wieder gesagt: ,Das würde mein Mann nie machen!‘“
„Er weiß, dass es falsch war, keine Anzeige zu erstatten“, betont die Verteidigerin über ihren Mandanten. Es sei Jakob N. bei seinen Aktivitäten auf WhatsApp allein um virtuelle Kontakte mit erwachsenen Frauen gegangen, um die „voyeuristische Komponente“. Und der 75-Jährige selber argumentiert: „Ich und Kinder?“ Das sei überhaupt nichts für ihn. „Meine Frau hat immer wieder gesagt: ,Das würde mein Mann nie machen!‘“
Doch wie gut kennt die Ehefrau ihren Mann? Jakob N. und seine Frau verbrachten sehr viel Zeit getrennt. Er übernachtete üblicherweise in seinem Kleingarten, sie in der Wohnung. Und bis sie ihn jeweils vormittags im Grünen besuchte, sagt der Angeklagte, habe er immer alle Fotos gelöscht.
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Geblieben sind allerdings auch einzelne Wortnachrichten auf dem Mobiltelefon von Jakob N. So konnte eine Mitteilung des Sohnes von Nicole R. gesichert werden, in der dieser von Nacktfotos schreibt und dass dies „eine Aufforderung“ ihres Chatpartners sei. Zu diesem Zeitpunkt nannte sich Jakob N. nicht mehr „Dirk 32“, sondern war als dessen bester Freund „Jürgen“ im Netz unterwegs.
Auch dieser war vermeintlich ein deutlich jüngerer Mann, als der Angeklagte es in Wirklichkeit ist. „Also wusste Ihre WhatsApp-Bekannte bis zum Schluss nicht, wie Sie wirklich aussehen?“, fragte die Vorsitzende Richterin den Angeklagten. Dieser nickt.
Prozess in Hamburg: Mutter der Kinder ist bereits rechtskräftig verurteilt
Die Unwissenheit wird sich spätestens kommende Woche ändern. Dann soll Nicola R. im Prozess als Zeugin gehört werden. Und dann wird sie sehen, dass der Mann, den sie mit Fotos von sich und ihren missbrauchten Kindern versorgt hat, keinen Tag jünger aussieht als die 75 Jahre, die er tatsächlich ist. Sie wird einen Mann erleben, der, nachdem er vor einigen Monaten einen Herzinfarkt erlitt, weiterhin kränklich aussieht, im Rollstuhl in den Verhandlungssaal geschoben und dort von einer Ärztin betreut wird.
Die Mutter der beiden missbrauchten Mädchen und des Jungen wurde wegen der Taten zulasten ihrer Kinder bereits im Jahr 2020 zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die 40-Jährige habe sich des schweren sexuellen Missbrauches von Kindern sowie Herstellung von Kinderpornografie schuldig gemacht, war das zuständige Landgericht Dortmund überzeugt. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die Frau sitzt ihre Strafe bereits ab.
In ihrem Prozess hatte die damals 37 Jahre alte Angeklagte gesagt, dass Jakob N. sie dazu gedrängt habe, sich an ihren Kindern zu vergehen und dies zu filmen und zu fotografieren. Dass sie den Aufforderungen nachgegeben habe, tue ihr inzwischen sehr Leid. Ihre drei Kinder sind in staatlicher Obhut.