Hamburg. Hamburger soll riesige Menge an illegalen Videos und Bildern auf dem PC gehortet haben. Es sind Dokumente des Schreckens.
Vier Ausrufezeichen hinter dem Dateinamen. Mit dieser Kennzeichnung sollte wohl signalisiert werden, dass hier etwas ganz Spezielles zu haben war. „Speziell“ im Sinne von besonders brutal, besonders quälend. Denn tatsächlich verbarg sich hinter dem Video, das Sven G. (Name geändert) da heruntergeladen hatte, unfassbares Leid, das einem wehrlosen Baby zugefügt wurde.
Es war ein Bilddokument von Hunderttausenden, die der 45-Jährige auf seinem Computer hortete. Und sie alle sollen ein Thema gehabt haben: Videos oder Fotos von Kindern, wie sie sexuell misshandelt werden, viele der Opfer noch im Kindergartenalter, manche sogar noch jünger, andere wohl Grundschülerinnen und Jungen im noch zarten Alter.
Kinderpornografie: Der Angeklagte soll Videos getauscht haben
Es sind Dokumente des Schreckens, voller Schmerz und Gewalt und Qual. Und zugleich sind es Bilder und Videos, die viele Abnehmer finden. Sie werden auf einer Tauschbörse gehandelt. Ein florierender Markt des Leides.
Weil Sven G. solche Bilder und Videos anderen Nutzern zur Verfügung gestellt und weitere besessen haben soll, ist der Hamburger jetzt als Angeklagter im Prozess vor dem Schöffengericht. Der Vorwurf unter anderem: öffentliches Zugänglichmachen kinderpornografischer Schriften. An 17 Tagen soll der Angeklagte dies getan haben, in der Zeit zwischen März 2016 und Juli 2020.
Mehr als eine halbe Stunde dauert die Verlesung der Anklage, in der beispielhaft genannt wird, was den Ermittlungen zufolge auf dem Computer von Sven G. zu finden war. Unvorstellbar, wie die Kinder gequält wurden; von Fesselungen ist die Rede, von Missbrauch in allen Variationen, von Folter, der manche ausgesetzt waren.
Ausrufezeichen in Dateinamen als Merkmal ausgesuchter Grausamkeit
Und schon etliche der Dateinamen ließen Rückschlüsse zu auf die brutalen Inhalte, die sich dahinter verbargen. „Hardcore“ hatte jemand ein offenbar von ihm aufgenommenes Video genannt und auf der Tauschbörse zur Verfügung gestellt, wo andere den Film herunterladen konnten. Ein anderes Video hieß beispielsweise „rape and cry“, Vergewaltigung und Schreien. Oder auch: „Daisy’s destruction“, Daisys Zerstörung. Und hin und wieder dann hinter dem Dateinamen die Ausrufezeichen, wohl als Merkmal für ausgesuchte Grausamkeit.
Vor dem Prozess verbirgt der Angeklagte, ein Mann mit Kurzhaarschnitt und in Bermudashorts, sein Gesicht vor den Fotografen. Später, so formuliert es sein Verteidiger für ihn, räumt der 45-Jährige die Vorwürfe „vollumfänglich ein“. Dabei sei zu beachten, sagt der Anwalt, dass sein Mandant mehr als zehn Jahre schwerst drogenabhängig gewesen sei. Aber seit einem Jahr sei er nun clean.
Prozess in Hamburg: Der Angeklagte gesteht die Vorwürfe ein
Was der Angeklagte dann selber vorbringt, klingt indes nicht nach einem Geständnis. Es scheint mehr der Versuch zu sein, seine Taten zu verharmlosen. Er habe im Netz nach eher unverfänglichen Inhalten gesucht, sei dann aber über eine Art Trojaner unbeabsichtigt mit den in der Anklage genannten Fotos und Videos „zugemüllt“ worden. Das habe sich „über die Jahre so angehäuft“.
Der Staatsanwalt findet es merkwürdig, dass Sven G. die Kinderpornos „unbeabsichtigt“ erhalten haben will. „Sie wollen uns sagen, das ist zufällig gewesen? Sie sind einschlägig vorbestraft, das wissen Sie.“ Der Verteidiger modifiziert die Angaben insoweit, dass dieser schon gewusst habe, „was da kommt“, wenn Sven G. bestimmte Dateien getauscht beziehungsweise heruntergeladen habe.
Kinderporno-Tauschbörse: Für die Konsumenten ist es ein Geben und Nehmen
Es werde „nicht in Abrede gestellt“, dass die Suche nach bestimmten Filmen bewusst stattgefunden habe, sagt der Anwalt. Also doch: Sein Mandant gebe die Vorwürfe zu. Zudem sei „das Teilen“ der Videos beziehungsweise Bilder „ein Konstrukt dieses Systems“ gewesen. Für die Konsumenten dieser Filme ist es ein Geben und Nehmen.
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In vergleichbaren Prozessen hatten Sachverständige erläutert, wie die spezielle Tauschbörse funktioniert. „Man bekommt nur das, was man will“, hatte ein Experte gesagt. Sinn der Tauschbörse sei zudem, dass jeder User gleichzeitig auch Dateien zur Verfügung stellen müsse. Das wisse der Nutzer auch.
Kinderpornografie-Experte: „Man bekommt nur das, was man will“
Dass die Dateien, die sich auf dem Rechner von Sven G. befanden, doch recht eindeutige Namen trugen, thematisieren auch der Staatsanwalt und der Richter: „Harry Potter gesucht, Kinderpornografie gefunden“, so eine Argumentation sei doch eher wenig plausibel.
Am Ende verhängt das Schöffengericht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten für den Angeklagten. Dabei wird berücksichtigt, dass er wegen seiner damaligen Drogensucht wohl vermindert schuldfähig gewesen sei. Schwer wiegt indes die Vorstrafe. Denn: Sven G. hat es trotzdem wieder getan.