Hamburg. 26 Fälle werden dem Angeklagten Jürgen B. zur Last gelegt. Der Mann aus Bergedorf verteidigt sich: Er habe nur helfen wollen.

Es ist ein unfassbares Leid, was diesen drei Kindern angetan wurde – von ihrer Mutter. Kathrin M. (40) hat ihre Kinder schwer sexuell missbraucht, dabei Fotos gemacht, Videos gedreht und verschickt. Von ihren beiden fünf und neun Jahre alten Töchtern sowie dem zwölfjährigen Sohn verlangte sie Unerträgliches.

Während die Mutter inzwischen in Dortmund verurteilt wurde, stand gestern ein Mann vor der Jugendschutzkammer des Hamburger Landgerichts, der Kathrin M. dazu angestiftet haben soll, solche Kinderpornos herzustellen: Jürgen B. aus Bergedorf. Er ist 74 Jahre alt.

Prozess: Angeklagte führte eine Fernbeziehung mit der Mutter

26 Fälle werden ihm von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, die sich zwischen Februar 2019 und Januar 2020 zugetragen haben sollen, als er mit Kathrin M. eine Art Fernbeziehung via WhatsApp führte. „Wir kommen nicht drumherum, uns die Bilder anzusehen und vier Videos, auf denen die Kinder den Namen Jürgen sagen“, so die Vorsitzende Richterin Dr. Solveig Berghausen. Zu sehen verstörende Szenen von mit Lotion eingeriebenen Brüsten, Oralverkehr und Aufnahmen von kindlichen Geschlechtsteilen – samt Sexspielzeug.

Bei der Bilder-Schau verdeckte Jürgen B. immer wieder seine Augen, guckte ab und an zur Besucherbank, auf der eine ganz in Schwarz gekleidete Frau saß. Er selbst: Ein hagerer Mann in grauem Kapuzen-Sweatshirt, Schnäuzer, grauer Bart, leerer Blick. Er wolle keine weiteren Nachfragen beantworten, ließ er über seine Bergedorfer Strafverteidigerin Vanessa D. Wacker ausrichten. Diese aber las seine schriftliche Erklärung vor: „Sie tat mir leid, ich wollte nur helfen.“

Angeklagter und Frau lernen sich in einer Chatgruppe kennen

Im Jahr 2018 habe er noch gar kein WhatsApp gehabt, sondern sei über eine RTL-Sendung in einer BDSM-Chatgruppe gelandet, so der Angeklagte. (Bei BDSM handelt sich um sexuelle Vorlieben, bei denen sich Dominanz und Unterwerfung abwechseln.) Als „Dirk 32“ habe er sich angemeldet und die Gruppe, in der 400 bis 500 Personen waren, „nach zwei oder drei Wochen wieder verlassen.

Da waren einfach zu viele Bilder, die ich nicht haben wollte, auch nachts“, so der 74-Jährige. Morgens habe er alles gelöscht, „auch weil meine Frau ja immer gegen 9 bis 9.30 Uhr in den Kleingarten kam“. Über diese Chatgruppe aber müsse Kathrin M. seine Nummer bekommen und ihm via WhatsApp Sex angeboten haben. „Das hört sich gut an“, habe er gesagt – und Fotos von der leicht bekleideten Frau erhalten.

Jürgen B. verteidigt sich: Er habe nur helfen wollen

Im Sommer aber habe er das beenden wollen: „Ich habe geschrieben, dass ich krank sei, was mit der Lunge. Dann habe ich mich als seinen besten Freund Jürgen ausgegeben und wöchentlich gesagt, wie es dem Dirk im Krankenhaus geht.“ Nun kamen weiterhin Nacktbilder zu Jürgen B., dazu die Geschichte, ihr Bruder habe sich das Leben genommen, der Vater sei kürzlich verstorben und das Handy des Sohnes sei kaputt. „Wir hatten noch zwei ausrangierte Handys und ich wollte helfen. Meine Frau war eigentlich dagegen, aber ich habe die Handys dann geschickt“, erklärt der Mann.

Sie möge es, wenn ihre Kinder ihr beim Geschlechtsverkehr zuschauen, habe sie gesagt. Jürgen B.: „Ich hab gesagt ,Lass das sein, such dir Hilfe.’ Ich war geplättet und wollte sowas nicht sehen. Sie sollte keine Sachen von ihren Kindern schicken. Ich hab das gelöscht. Sie tat mir einfach leid.“ Letztlich aber habe er Angst gehabt, zur Polizei zu gehen, denn „ich weiß nicht, wie man das alles richtig auf dem Handy löscht, da habe ich es im Hochbeet vergraben“.

Soweit die Erklärung des Angeklagten, der viele Handy-Fotos nicht gelöscht hatte, wie die Richterin gestern feststellte – und weitere sechs Verhandlungstage ansetzte und dabei auch einen IT-Sachverständigen befragen wird.