Hamburg. Die Signa Real Estate plant den drittgrößten Wolkenkratzer Deutschlands – und hat für die Stadt noch viele weitere Pläne.
Es war die letzte große Pressekonferenz des scheidenden Bürgermeisters. Bei der Präsentation am 8. Februar 2018 im Kaisersaal des Rathauses war Olaf Scholz schon designierter Bundesfinanzminister, aber diesen Auftritt wollte er sich nicht nehmen lassen. Nach sieben Jahren als Hamburger Bürgermeister stellte er sein Vermächtnis vor – den Wolkenkratzer Elbtower an den Elbbrücken. Geradezu euphorisch lobte der eher zu Nüchternheit neigende SPD-Politiker den himmelstürmenden Plan, Scholz sprach von einem ganz besonderen Tag für Hamburg, einem Bau, der „nicht extravagant, sondern elegant und gleichzeitig raffiniert“ sei. Der Elbtower, so versprach Scholz, wird Teil des „Kunstwerks Hamburg“.
Torben Vogelgesang, seit zwei Jahren Standortleiter bei der Signa Real Estate und seit Juni 2018 Projektleiter Elbtower Hamburg, muss das Kunststück vollbringen, dieses Kunstwerk vom Plan in die Wirklichkeit zu übertragen. „Ich lebe mit dem Thema Olaf-Scholz-Tower, es war seine Idee, aber nun wird es der Elbtower“, sagt er im Podcast „Was wird aus Hamburg“ über das Scholz-Vermächtnis. In der Einschätzung gibt er dem SPD-Politiker recht: „Dieser Turm mit der Architektur von David Chipperfield ist einzigartig. Er wird sich in die HafenCity einfügen. Im Vergleich zu vielen anderen Hochhäusern, die quadratisch, praktisch, gut sind, wird der Elbtower sich bis nach oben verändern und in jedem Geschoss einzigartig werden.“
Hamburger Elbtower soll 2025 oder 2026 kommen
Vogelgesang glaubt an die Fertigstellung des Prestigebaus im Jahr 2025 oder 2026. Und er kommt ins Erzählen, entwickelt eine Vision, wie es dereinst am Endpunkt der HafenCity aussehen könnte, er nähert sich dem Bau vom S-Bahnhof Elbbrücken. „Direkt aus der Station können Sie den Weg in die Empfangshalle wählen – dort finden Sie viele publikumsbezogene Nutzungen.“ Die Lobby sei attraktiv für die Benutzer des Hauses wie für Besucher und Touristen. Vogelgesang spricht von einer „multifunktionalen Halle: Von dort gelangen die Beschäftigten in die Büros, die Gäste in das Nobu-Hotel oder Touristen mit den Fahrstühlen auf die Besucherplattform im 55. Stock.
Die Nutzungsmischung in der Lobby soll den Reiz des Bauwerks ausmachen. „In ein klassisches Büro traut sich ein Passant von der Straße meist gar nicht hinein – das wird hier anders sein. Wir wollen, dass der Sockel belebt ist.“ In der Halle seien Veranstaltungen möglich, zudem ist ein Restaurant zum Oberhafenkanal geplant. Vogelgesang rechnet mit 4000 bis 5000 festen Nutzern im Haus, hinzu kommen die Hotelgäste und die Besucher. „Da wird ein reges Treiben herrschen.“ Die Erschließung des Wolkenkratzers setzt auf den öffentlichen Nahverkehr und Fahrradfahrer. Allein 800 Velostellplätze sind im Haus geplant, hinzu kommen 470 Autoparkplätze in der Tiefgarage.
Besonders wichtig war Signa die Wahl des Hotelbetreibers. Schließlich fiel sie auf die internationale Gruppe Nobu Hotels, die nun erstmals nach Deutschland kommt. Sie plant in dem sechsgeschossigen Sockel des Elbtowers 191 Zimmer und Suiten, ein Restaurant mit 200 Sitzplätzen, eine Terrassenbar im sechsten Stock und eine Lounge mit Blick auf die Elbe.
Elbtower: Hamburg Commercial Bank wird Ankermieter
„Nobu Hotels haben gezeigt, dass sie in den Elbtower wollen. Das ist ein richtiger Gewinn für uns“, sagt Vogelgesang. Robert de Niro als einer der Eigentümer der Nobu-Gruppe schwärmte damals in bestem PR-Deutsch: „Der Elbtower selbst ist ein Projekt von Weltklasse, in der großartigen Stadt Hamburg.“
Ein weiterer Ankermieter wird die Hamburg Commercial Bank, die rund 13.000 Quadratmeter anmieten will und als Bank einen eigenen Eingang erhält. „Damit ist der Sockel schon fast vollständig vermietet.“ Je weiter es nach oben geht, umso attraktiver und teurer werden die Flächen. Im Durchschnitt bieten die Geschosse im oberen Bereich knapp 1000 Quadratmeter, im unteren Bereich sind sie größer und verfügen sogar über Terrassen. Die Preisvorstellungen der Signa verschweigt Vogelgesang nicht: „Wir haben in Hamburg Spitzenmieten von 30 Euro – da werden wir sicher drüberliegen.“
Der Elbtower – immerhin nach dem Europaturm und der Commerzbank in Frankfurt das dann dritthöchste Gebäude Deutschlands – verändert die Wahrnehmung der Stadt bei internationalen Investoren. „Damit wird Hamburg für Unternehmen interessant, die nach Hochhäusern schauen. Bisher hat Hamburg ihnen kaum Immobilien mit mehr als zehn Geschossen bieten können. Wir schaffen also einen Markt, den es bislang nicht gab.“
Elbtower politisch und architektonisch umstritten
Im Vergleich zu internationalen Hochhäusern ist der Elbtower klein, für Hamburg hingegen ein neuer Maßstab. Vogelgesang betont, dass der Turm die klassische Silhouette der Stadt nicht beeinträchtigen wird. „Daran haben wir sehr lange auch mit dem Oberbaudirektor gearbeitet. Auf der Lombardsbrücke sehen sie den Elbtower fast nicht!“ Einst legte die Stadt fest, dass sich die Höhe von Gebäuden innerhalb des Wallringes dem Umfeld anpassen muss und das Panorama der Stadt mit ihren Kirchtürmen und Blickachsen nicht verändert werden darf.
Aber der Wolkenkratzer ist in der Stadt umstritten. Manche Mitglieder der rot-grünen Koalition grummeln über das Scholz’sche „Danaergeschenk“. Der Architekturkritiker Dirk Meyhöfer bezeichnete den Wolkenkratzer gar als „städtebauliches Monster“. Vogelgesang kontert: „Das ist seine Meinung. Wir werden es nie schaffen, jeden zur Zustimmung zu bewegen. Aber der Elbtower steht dort genau richtig“.
Doch ist ein Hochhaus von 244,8 Meter noch zeitgemäß und ökologisch sinnvoll? „Tatsächlich stoßen Hochhäuser an Effizienzgrenzen, weil das Verhältnis von Konstruktionsfläche zu Nutzflächen mit wachsender Höhe schlechter wird – und damit teurer“, sagt Vogelgesang. Zugleich aber ist der Flächenverbrauch viel geringer. „Im Betrieb wird der Elbtower nachhaltig und CO2-neutral“, verspricht der Signa-Niederlassungsleiter. Zudem sei der Wolkenkratzer so konzipiert, dass er sehr lange stehen kann und sehr flexibel ist. „Theoretisch könnte das Haus sogar zu einem Wohnturm umgewandelt werden.“ Derzeit ist dies aus Lärmgründen an den Elbbrücken unmöglich – sollten aber die Eisenbahnbrücken saniert werden und die Autos elektrisch fahren, könnte sich das ändern.
Signa will Hamburgs Innenstadt zu neuer Blüte verhelfen
Auch die zusätzliche Mietfläche von 77.000 Quadratmetern sei für den Hamburger Markt nicht zu viel, glaubt Vogelgesang: „Wir schaffen einen neuen Markt. Zugleich verlangen die Mieter immer mehr moderne Flächen – und alte Büroflächen fliegen aus dem Markt.“ Der finanzielle Rahmen ist mit geschätzten Baukosten von 700 Millionen Euro gesteckt und soll nicht gesprengt werden. „Wir kalkulieren immer Kostensteigerungen ein, die aktuellen Preiszuwächse machen uns keine Sorgen. Es gibt zudem eine rege Nachfrage von Bauunternehmern, die hier bauen möchten.“
Der Gründer der Signa-Gruppe, René Benko, informiere sich regelmäßig über den Fortschritt der Planungen in Hamburg. „Er ist begeistert von dem Turm und bringt selbst Ideen ein – der Kontakt zu Nobu Hotel kam über ihn.“ Mitte/Ende 2022 soll die Grundsteinlegung erfolgen. Einen Eindruck der Fassade lässt sich schon heute an den Elbbrücken gewinnen: Dort steht ein Musterbau, wie der Elbtower einmal aussehen wird.
Im Schatten des Wolkenkratzers, der bislang nur auf dem Papier existiert, hat die österreichische Signa Real Estate mehrere berühmte Immobilien in der Stadt erworben – die Gänsemarkt-Passage, das Alsterhaus, Karstadt an der Mö, das Kaufmannshaus oder die Alsterarkaden gehören dazu. Das Unternehmen setzt auf eine florierende Innenstadt. „Die Verkehrsberuhigung am Jungfernstieg sehen wir sehr positiv. Der Boulevard wird gewinnen, wenn aus dem Provisorium ein fertiger Zustand wird. Weniger Autoverkehr macht Städte attraktiver“, sagt der 45-Jährige. „Schauen Sie auf den Neuen Wall – er ist nun viel belebter als früher.“
Gerhart-Hauptmann-Platz soll umgestaltet werden
Um die Zukunft des Einzelhandels ist ihm nicht bange. Das Problem der Innenstadt sieht er anderswo: „Sie ist nach Geschäftsschluss relativ verwaist – wir haben zu wenige Wohnungen, zu wenige Mischnutzungen“, kritisiert Vogelgesang. „Deshalb müssen wir die Innenstadt beleben.“
Am Gerhart-Hauptmann-Platz plant die Signa gleich mehrere Verbesserungen. „Das ist nicht ganz einfach, weil der Platz denkmalgeschützt ist. Aber wir haben die Möglichkeit, über unsere drei Objekte Mehrwert zu schaffen.“ Derzeit werde ein städtebauliches Konzept erarbeitet, zudem bespiele das Projekt „Mach Platz“ temporär gleich drei zentrale Plätze in der City und zeigt so, was auf den Plätzen möglich ist.
Vogelgesang kann sich dort auf Dauer einiges vorstellen: So sollen die Karstadt-Schaufenster zum Platz hin neu gestaltet werden. „Wir haben das Gebäude erst vor Kurzem erworben und wollen nun die Fassaden sanieren und das Haus zum Platz hin öffnen.“ Das Parkhaus am Alstertor könnte umgenutzt werden. „Perspektivisch gibt es weniger Bedarf an Stellplätzen.“ Der Abriss sei eine Option, ein Umbau eine weitere. Auch das ehemalige HSH-Nordbank-Gebäude mit der Passage „Perle Hamburg“ wird in den kommenden Jahren komplett umgestaltet – entweder saniert oder abgerissen.
- Einkaufszentrum an der Spitalerstraße droht 2026 das Ende
- Nach HafenCity-Aus: Zieht Gruner + Jahr in den Elbtower?
- Neuer Wohnpark mitten im Hamburger Hafen
„Das ist ein Gebäude für einen einzigen Nutzer, so etwas bekommen sie heute nicht mehr an einen Kunden vermietet. Deshalb benötigen wir mehrere Zugänge.“ Die Frage nach der Zukunft des Hochhauses am Gerhart-Hauptmann-Platz stelle sich aber erst nach 2025/2026, wenn die Mieter ausziehen. „Das Haus ist als Stahlbau durchaus geeignet für eine Revitalisierung. Das wird eine Kosten-Nutzen-Abwägung.“ Auf den Erhalt des Gebäudes will er deshalb nicht wetten.
Die Zukunft der Innenstadt sieht Vogelgesang in einem Dreiklang aus mehr Wohnungen, weniger Verkehr und belebteren Plätzen. „Eine zentrale Frage lautet, wie wir den Öffentlichen Personennahverkehr organisieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in die Städte gelangen.“ Und noch eines ist Vogelgesang wichtig: „Wir müssen aufhören, einzelne Gebäude zu betrachten und die Stadt als Ganzes sehen.“