Hamburg. Die genehmigte Kundgebung am Mittwochabend in St. Georg war abgebrochen worden. Danach versammelten sich 400 Menschen unangekündigt.
Mit eher mäßigem Zulauf begann am Mittwoch um 18 Uhr die erste in Hamburg zugelassene pro-palästinensiche Kundgebung der Schura. Rund 800 Personen, darunter viele Frauen und auch Kinder, hatten sich vor der auf der Adenauerallee aufgebauten Bühne versammelt. Viele trugen palästinensische Flaggen oder Palästinensertücher. „Free, free Palästina“, skandierten die Teilnehmer. Auch „Gott ist groß“ wurde auf Arabisch gerufen. Auf Plakaten wurde gefordert, keine Waffen an Israel zu liefern.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Wasserwerfer standen in Bereitstellung. Verstärkt wurde die Hamburger Polizei durch Einsatzkräfte aus Schleswig-Holstein. Wie brisant die Situation war, zeigte sich gleich zu Beginn, als der Veranstalter nicht zugelassene Parolen unterbinden musste, die Teilnehmer skandierten.
Probleme gab es für den Veranstalter mit einer größeren Gruppe, die immer wieder offenbar nicht abgesprochene Parolen skandierte. Von der Bühne aus drohte ein Verantwortlicher, die Gruppe auszuschließen.
Pro-Palästina-Demo in Hamburg abgebrochen: Schura gibt Technikprobleme als Grund an
Kurz vor 18.30 Uhr hatten sich bereits mehr als 300 Teilnehmer versammelt. Der Zulauf stieg, weil in den Moscheen um 18.15 Uhr die Gebete beendet waren. Es wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Deutsche Staatsraison tötet“ hochgehalten. Nach 50 Minuten beendete der Veranstalter die Versammlung, weil Teile der Teilnehmer nicht in den Griff zu bekommen waren. Es wurde weiter skandiert. Der Veranstalter forderte immer wieder auf: „Geht nach Hause.“
Die Schura, der Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, machte am Donnerstag Technikprobleme verantwortlich. „Wir bedauern es sehr, dass uns durch die technischen Störungen der Lautsprecheranlage eine gute Versammlungsleitung nicht möglich war“, sagte der Vorsitzende Fatih Yildiz.
Als Veranstalter habe die Schura der Versammlungsbehörde zugesagt, strenge Auflagen zu erfüllen, sagte Yildiz. „Unsere Hinweise auf nicht genehmigte Parolen und Plakate konnten nicht ausreichend Gehör finden, so dass wir die Kundgebung leider auflösen mussten.“ Zugleich bedankte er sich bei den Teilnehmern, die friedlich ihre Stimmen für Palästina erhoben hätten, und bei der Stadt Hamburg und insbesondere bei der Polizei für ihr Vertrauen und die gute Kooperation. „Wir begrüßen es sehr, dass es endlich möglich war, eine Kundgebung durchzuführen.“
400 Menschen unangekündigt am Steintorplatz: Polizei löst Ansammlung auf
Nach Auflösung der Kundgebung bildete sich ein Aufzug mit 400 Personen, wie die Polizei anschließend bekannt gab. Dieser wurde auf der Adenauerallee zunächst gestoppt und anschließend aufgelöst. Am Steintorplatz wurden die Passanten aufgefordert, sich von der Demonstration fernzuhalten. Gegen 19.24 Uhr wurde hier die Versammlung von der Polizei aufgelöst.
Polizei Hamburg hat die Allgemeinverfügung verlängert
Um die Demonstration war lange gerungen worden. Zwar wurde die Allgemeinverfügung, die pro-palästinensische Versammlungen generell verbietet, welche zur Unterstützung der Terrororganisation Hamas und deren Angriffe auf Israel durchgeführt werden, verlängert.
Bei der Schura, in der unter anderem 39 Moscheen organisiert sind, liegt der Fall aus Sicht der Behörden anders. „Mit in die Bewertung eingeflossen ist auch der Umstand, dass der Vorstand der Schura der jüdischen Gemeinde Hamburg unmittelbar nach dem Angriff der Hamas auf Israel einen Besuch abgestattet und dabei seine Solidarität zum Ausdruck gebracht hatte“, so Polizeisprecher Florian Abbenseth. Der Vorsitzende der Schura habe zudem erst kürzlich öffentlich das Befürworten des Terrors durch die Hamas klar verurteilt und die islamischen Gemeinden zur Besonnenheit aufgerufen.
Dennis Thering, Fraktionschef der Hamburger CDU in der Bürgerschaft, sieht trotzdem Risiken. „In vielen Städten ist es zu beschämenden Bildern gekommen, denn volksverhetzende und antisemitische Parolen, Gewaltausbrüche und Gewaltverherrlichung sind auf solchen Pro-Palästina-Demos leider vielfach zu beobachten.“ Er erwarte „von Bürgermeister Tschentscher, dass sein Satz, in Hamburg sei ‚kein Millimeter Platz für Antisemitismus und Feindseligkeit gegenüber Israel‘, auch entsprechend am Abend auf der Demo ohne Wenn und Aber sichergestellt wird“.
Ausschreitungen bei Kundgebung in Hamburg-Harburg
Im Stadtteil Harburg hatte es erst jüngst Ausschreitungen durch Jugendliche und Heranwachsende, ganz überwiegend mit Migrationshintergrund, gegeben. Dabei kam es nicht nur zu Sachbeschädigungen. Es wurde auch unverhohlen Hitler glorifiziert und zurückgewünscht und gefordert, „Juden zu vergasen“.
Die Polizei hatte schon im Vorfeld der Versammlung angekündigt, dass Verstöße gegen Auflagen sowie Straftaten konsequent geahndet werden würden. Entsprechend hatte man sich aufgestellt. Die Veranstalter hatten mit 1500 Demonstranten gerechnet.
Polizei Hamburg: Parolen dürfen nur von der Bühne angestimmt werden
Tatsächlich sind die Auflagen, die in Kooperationsgesprächen mit dem Anmelder geführt wurden, hoch. So wurden Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, die antisemitische Parolen beinhalten oder zu einer Solidarisierung mit der Hamas aufrufen oder deren Terrorangriffe gutheißen, verboten. Auch dürfen keine Fahnen oder Symbole der Terrororganisation gezeigt werden.
Selbst Sprechchöre und Parolen dürfen laut Auflage nur von der Bühne aus angestimmt werden. Der Inhalt wurde vorher angestimmt. Andere, nicht abgestimmte Sprechchöre sind durch den Veranstalter zu unterbinden. Dazu wurde der Anmelder verpflichtet, eine entsprechend große Zahl von Ordnern einzusetzen.
Geplante Kundgebung für Sonnabend scheitert vor Oberverwaltungsgericht
In den vergangenen Tagen waren zahlreiche pro-palästinensische Demonstrationen verboten worden – zuletzt am Dienstagabend, als der Anmelder mit rund 300 Gleichgesinnten am Steintorplatz für „Solidarität mit Gaza“ demonstrieren wollte. Er hatte keine Rechtsmittel gegen das Verbot eingelegt.
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Im Fall einer für den Sonnabend angemeldeten Demonstration, die vom Steindamm zum Gänsemarkt führen sollte, hatte der Anmelder, ein Anwalt, Rechtsmittel eingelegt. Er war sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert.
Polizei Hamburg: Zwei weitere Demonstrationen sollen nicht genehmigt werden
Dass die Kundgebung der Schura am Mittwoch stattfinden durfte, liegt am Anmelder. Bei der Versammlungsbehörde geht man davon aus, dass der Dachverband in der Lage ist, einen friedlichen und störungsfreien Verlauf durchzusetzen. Zudem hält man es in der Behörde für unwahrscheinlich, dass der Aufzug von Demonstranten gewissermaßen „gekapert“ wird, die dann der Kundgebung eine extremistische Richtung geben könnten.
„Das bedeutet nicht, dass damit auch andere pro-palästinensische Aufzüge oder Kundgebungen gestattet werden“, sagt ein Beamter. So wird ein Aufzug, der für den Sonnabend angemeldet ist und der, wie die am vergangenen Sonnabend verbotene Demonstration zum Gänsemarkt führen soll, nicht genehmigt.
Dazu passt, dass die Versammlungsbehörde die Allgemeinverfügung, die pro-palästinensische Kundgebungen oder Demonstrationen mit entsprechendem Tenor verbietet, weiter aufrechterhält. Die nunmehr dritte Verlängerung sieht vor, dass das Verbot zunächst bis einschließlich Sonntag, 29. Oktober, bestehen bleibt. Auch eine für Donnerstag geplante Demonstration soll verboten werden.